Kritiker des von Bundesregierung und Autoindustrie gelobten "Diesel-Kompromisses" hatten auf die Unverbindlichkeit des Papiers hingewiesen. Ihre Befürchtungen bestätigen sich nun. Während neue Fahrverbote drohen, stellen die Hersteller auf stur. Die Politik wirkt machtlos und verschickt Briefe, die die Verbraucher irritieren.
Im Kampf gegen Luftverschmutzung und Fahrverbote kommt die Bundesregierung langsamer voran als geplant. Wegen offener Punkte vertagte das Kabinett eine Entscheidung zu gesetzlichen Regelungen.
Vor einem Treffen von Verkehrsminister
Erneut könnte am Donnerstag ein Gericht Fakten schaffen bei Fahrverboten für ältere Diesel: Das Verwaltungsgericht Köln befasst sich mit Klagen der Deutschen Umwelthilfe. Dabei geht es um die Luftreinhaltepläne für Köln und Bonn.
Hersteller sperren sich gegen Nachrüstungskosten
Die Bundesregierung hatte ein Maßnahmen-Paket beschlossen, um Fahrverboten zu verhindern. Dieses sieht auch Hardware-Nachrüstungen vor. Allerdings weigern sich die Hersteller bisher, die vollen Kosten hierfür zu übernehmen, wie die Regierung es fordert.
Zudem sind Haftungsfragen umstritten. BMW-Chef Harald Krüger sagte am Mittwoch in München, die Umbauten seien erst ab 2021 wirksam und die Autofahrer hätten "ein erhöhtes Qualitätsrisiko und mehr Verbrauch".
Andere Länder setzten konsequent auf eine Erneuerung der Flotten oder förderten E-Mobilität". Dies sei deutlich effizienter und schneller wirksam als eine Umrüstung von Hardware.
Vor dem Treffen Scheuers mit den deutschen Herstellern bleibt fraglich, ob eine Einigung erzielt werden kann. Das Bundeskabinett konnte ferner am Mittwoch keine Regelung für Ausnahmen von Fahrverboten verabschieden, da Umwelt- und Verkehrsministerium noch um Details streiten.
Kritik an Brief zu "Umtauschprogrammen"
Das Kabinett beschloss nur eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes. Diese soll es Kommunen ermöglichen, Fahrverbote über die Nummernschilder der Autos zu kontrollieren.
Auch das ist Teil eines Pakets, auf das die schwarz-rote Koalition sich Anfang Oktober geeinigt hatte. Wann die ebenfalls geplanten Regelungen zu Ausnahmen und zur Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten beschlossen werden sollen, ließ ein Sprecher des Umweltministeriums offen.
Scheuer und das Kraftfahrtbundesamt (KBA) stehen zudem in der Kritik, weil Dieselbesitzer Briefe zu den "Umtauschprogrammen" deutscher Autobauer bekommen haben - dabei erhalten Besitzer älterer Diesel Rabatte, wenn sie ein saubereres Auto kaufen.
"Die Hinweise auf die Umtauschaktionen lassen die nötige Distanz zur Industrie vermissen", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller.
Vom KBA erwarteten Betroffene neutrale Informationen, wann es sinnvoll sei, auf Nachrüstungen zu warten oder das Auto zu wechseln. "Fatalerweise wird die Umtauschprämie immer wieder als die optimale Lösung für Dieselbesitzer dargestellt, denen Fahrverbote drohen."
Das Verkehrsministerium verteidigte die Briefe als "reines Informationsschreiben". Eine Sprecherin bekräftigte außerdem Scheuers Forderung vom Dienstagabend, dass die Autoindustrie sich in der Frage der Hardware-Nachrüstungen bewegen müsse.
Die Branche habe einen "riesigen Nachholbedarf", Vertrauen zurückzugewinnen und ihr Image zu verbessern, hatte Scheuer bei einer Veranstaltung des Branchenverbands VDA gesagt.
Um Hardware-Nachrüstungen hatte die Bundesregierung monatelang gerungen. Das SPD-geführte Umweltministerium war dafür, das CSU-geführte Verkehrsministerium setzte stattdessen auf Updates der Motorsoftware, die den Ausstoß von Stickoxiden aber weniger stark senken.
Streit um Regelungen zu Fahrverboten
Nachdem immer mehr Gerichte Fahrverbote für deutsche Städte anordneten, lenkte Scheuer ein, die Autobauer aber bisher nicht. Das Bundesumweltministerium verteidigte die geplanten Regelungen zu Fahrverboten, um deren Details es noch Streit gibt.
Über das Bundesimmissionsschutzgesetz will die Regierung in Städten mit relativ geringen Überschreitungen der Grenzwerte für Stickoxide Diesel-Fahrverbote für "in der Regel" nicht verhältnismäßig erklären, da andere Maßnahmen genügten.
Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter, in Städten mit Höchstwerten von bis zu 50 Mikrogramm soll es keine Fahrverbote geben.
Zudem sollte über die Änderung des Gesetzes festgeschrieben werden, dass Diesel-Fahrzeuge der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 von Fahrverboten ausgenommen werden, wenn sie im Alltag nicht mehr als 270 Milligramm Stickstoffdioxid pro Kilometer ausstoßen, etwa wenn sie nachgerüstet wurden.
Euro-6-Diesel sollen ebenfalls ausgenommen sein, unabhängig von ihrem Stickoxid-Ausstoß. Ein Sprecher von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) betonte, die EU-Grenzwerte blieben gültig, Kommunen könnten weiter selbst über Fahrverbote entscheiden.
In vielen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten. In Hamburg gibt es bereits Streckensperrungen für ältere Diesel. Gerichte hatten Fahrverbote auch etwa für Stuttgart, Berlin oder Frankfurt angeordnet, die 2019 in Kraft treten könnten. © dpa
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