Die Bahn sorgt derzeit für ordentlich Wirbel – nicht nur, weil einige EM-Fans Probleme haben, zum nächsten Länderspielaustragungsort zu gelangen. Vor allem eine mögliche Streichung von Strecken zog massive Kritik nach sich.
Vor dem Hintergrund der Haushaltsverhandlungen sowie der Debatte über mögliche Streichungen von Fernverkehrsverbindungen der Deutschen Bahn hat der Chef der Eisenbahngewerkschaft EVG, Martin Burkert, die Verkehrspolitik der Bundesregierung scharf kritisiert. Die Regierung streiche die Mittel für die Schiene "immer weiter zusammen", sagte Burkert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Berichte über mögliche Einstellungen von Fernverbindungen böten "gesellschaftlichen Sprengstoff, gerade auch im Osten", warnte er.
Gewerkschaft kritisiert Prioritäten des Verkehrsministeriums
Die aktuelle Diskussion um den Verkehrsetat 2025 zeige, welche verkehrspolitischen Prioritäten in Wirklichkeit gesetzt werden sollten: Die Straße soll nach Plänen des Verkehrsministeriums gegenüber der Schiene weiter bevorzugt werden, sagte Burkert den RND-Zeitungen. Dafür solle sogar ein Milliardenbetrag zugunsten der Autobahn umverteilt werden, der bislang für die Schienensanierung vorgesehen sei. "Dieser Haushaltsirrsinn spottet jeglicher Beschreibung."
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und andere Ampel-Politiker betonten bei jeder Gelegenheit die Bedeutung der Schiene, hätten aber statt der nötigen 45 Milliarden Euro für die Sanierung des Netzes weniger als 30 Milliarden Euro zugesagt, beklagte Burkert. "Wer von dem vereinbarten Sanierungs- und Ausbau-Weg abrückt, treibt Raubbau an der Zukunftsfähigkeit der Bahn, hintergeht die Klimaschutzziele und schadet dem Industriestandort Deutschland."
Der politische Sparzwang sei bereits jetzt spürbar und "wird unser Land weiter zerreißen", sagte Burkert weiter. Der Bericht des "Spiegel" vom Mittwoch, wonach die Bahn im kommenden Jahr die Einstellung einiger Intercity-Verbindungen mit Schwerpunkt im Osten erwägt, biete "gesellschaftlichen Sprengstoff". Die Region sei bereits jetzt bei der Anbindung an das Fernverkehrsnetz benachteiligt.
Der Bericht rief heftige Reaktionen vor allem seitens der Grünen und den Linken hervor. Seine Partei werde "alles daransetzen, dass das nicht passiert", sagte Grünen-Chef Omid Nouripour den Sendern RTL und ntv zu den geplanten Streichungen. "Das dünne Fernverkehrsangebot im Osten darf nicht weiter zurückgebaut werden, indem insbesondere Verbindungen zu Urlaubsregionen eingestellt werden", erklärte der Linken-Abgeordnete Sören Pellmann.
Bahn rudert zurück
Verantwortlich dafür sei eine Politik, "die den Schienenverkehr durch astronomisch hohe Trassenpreise künstlich teuer macht", kritisierte der Gewerkschaftschef. "Wer Fernverkehr für alle möchte, der muss auch dafür die Finanzierung sicherstellen. Der Eigentümer ist hier in der Pflicht."
Die Deutsche Bahn hatte den Bericht des "Spiegel" zurückgewiesen, der mehrere von der Streichung bedrohte Fernverkehrsverbindungen genannt hatte. "Uns liegen auch keine konkreten Informationen zu etwaigen Ausdünnungen auf bestimmten Strecken vor", sagte auch ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Der Bund als Eigentümer der Bahn habe ein Interesse daran, "dass der Schienenpersonenverkehr in ganz Deutschland reibungslos erfolgt, und dazu gehört eben auch, dass keine Region abgehängt wird". Das sei der Bahn auch klar kommuniziert worden.
Allerdings gebe es schwerwiegende finanzielle Engpässe, deshalb werde das Fahrplanangebot überprüft, erklärte Fernverkehrsvorstand Michael Peterson. Dem Konzern zufolge steht eine "drastische Erhöhung" der Trassenentgelte "im Raum". Die DB gestand, dass "die derzeit im Raum stehende drastische Erhöhung" dieser Trassenentgelte den Fernverkehr "vor erhebliche Herausforderungen" stelle. In einer ersten Reaktion hatte die DB Angebotsreduktionen und höhere Ticketpreise als unumgängliche Folge in Aussicht gestellt. In einer späteren Erklärung war dann nur noch von einer nötigen Überprüfung des Fahrplanangebots die Rede.
Das Verkehrsministerium verwies auf eine Regelung, die vor einigen Jahren "auf Druck der Länder" eingeführt worden sei. Demnach sind die Trassenpreise im Nahverkehr gedeckelt und Kostensteigerungen müssen auf den Fern- und Güterverkehr umgelegt werden. "Kurzfristig" setze sich das Ministerium für eine staatliche Unterstützung der Trassenpreise ein. Das System sei so aber nicht tragbar, es brauche eine Überarbeitung. (afp/the)
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