In Asien stürzt die Börse ab und in Deutschland spielt der Dax Jojo. Nachdem er zu Wochenbeginn den Börsen in China und Amerika zunächst nach unten folgte und zeitweise um fast acht Prozent einbrach, erholte sich der Dax am Dienstag wieder. Doch am Mittwoch rutschte er erneut unter die 10.000-Punkte-Marke. Für Börsenexperte Dirk Müller, Betreiber der Seite cashkurs.com und bekannt als "Mr. Dax", ist das jedoch nur der Anfang. Er ist sich sicher: Das nächste Börsen-Erdbeben kommt mit Sicherheit.

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Herr Müller, geraten Sie in diesen Tagen als Börsen-Experte nicht ab und an außer Puste?

Dirk Müller: (lacht) "Es geht eigentlich. Natürlich ist gerade sehr viel Bewegung drin. Und jeden Tag haben wir eine neue Nachrichtenlage, neue Einschätzungen, neue Regierungsprogramme und die Märkte reagieren extrem nervös. Aber meine Grundstrategie ist ja sowieso langfristig ausgelegt, ich habe eher das größere Bild im Blick – da kann man solche Turbulenzen gelassen nehmen. Aber klar, Day Trading ist gerade bestimmt kein Spaß."

Warum sind die Märkte denn so nervös?

"Die Entwicklung kommt ja nun alles andere als überraschend. Ich habe seit Langem davor gewarnt, Griechenland zu überschätzen. Für mich war immer klar, dass China der nächste Problem-Bär wird. Die Probleme dort waren absehbar, wie bei einem Erdbeben, das sich langsam aufbaut. Erst zeigen sich kleine Risse – aber irgendwann entlädt sich die Spannung dann in mehreren kleinen oder einem großen Beben."

Dennoch gingen scheinbar nicht wenige davon aus, dass der Boom in China ewig anhält.

"China war die Mega-Story der vergangenen Jahrzehnte. Es war der neue Boom-Markt und jeder wollte mitverdienen. Da wurde extrem viel Geld reingeschossen. Und wie so oft bei boomenden Märkten, wurde auch sehr viel Unsinn gebaut. Die chinesische Regierung hat ganze Geisterstädte aus dem Boden gestampft, Autobahnen ins Nirgendwo gebaut."

Und jahrzehntelang ging alles gut...

"Ja, das hat alles funktioniert, weil immer neues Geld kam. Wie in einer Spielbank, in der gerade die halbe Welt ihr Glück versucht. Aber irgendwann ist die Party auch zu Ende, die Glückssträhnen der Spieler sind vorbei und sie tauschen ihre Chips wieder in Euro oder Dollar um. Über eine Billion US-Dollar haben Investoren inzwischen aus dem Land abgezogen, Geld das die Wirtschaft weiter abkühlt. So können kleine Risse eben doch zum großen Beben führen."

Das nun auch in den Vereinigten Staat und in Deutschland zu spüren ist.

"Die Märkte sind durch die Globalisierung mittlerweile so verwoben, dass es eben nicht mehr egal ist, wenn in China ein Sack Reis umfällt. Das merken wir hier ebenso."

Die Entwicklung scheint sie allerdings nicht allzu sehr zu beunruhigen.

"So ein Wirtschaftsbeben ist natürlich nicht schön. Aber der Markt braucht diese Bereinigungen, ähnlich wie bei der New-Economy-Blase. Der China-Boom hat jetzt über 25 Jahre angedauert – es ist nur natürlich, dass die Bereinigung irgendwann kommt. Und es gibt ja keine schlechten Märkte, nur schlechte Strategien. Fallende Kurse können ja auch eine Chance sein."

Sie würden Anlegern also raten, jetzt aktiv zu werden?

"Nein, nicht sofort – dafür sind die Märkte momentan noch zu hektisch. Aber wenn der Dax sich bei einem Niveau von 8.000 bis 8.300 stabilisiert, ist möglicherweise ein guter Zeitpunkt zum Kauf."

Sie gehen also davon aus, dass es weiter bergab geht.

"Ja, wir haben verrückte Entwicklungen in der Wirtschaft, der Finanzpolitik der Notenbanken und der Finanzmärkte gesehen, eine größere Bereinigung innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre halte ich für sehr wahrscheinlich. Möglicherweise hat das bereits begonnen. Der Dax hat in schneller Folge über 20 Prozent verloren – das ist die Definition für einen Crash. Aber die Kurse können auch noch weiter fallen. Wir steuern auf das nächste Börsen-Erdbeben zu. Aber wie in der Natur: Niemand kann den Zeitpunkt nennen. Vielleicht erleben wir derzeit nur Vorbeben, vielleicht ist es mehr."

Dabei scheint die Leitzinssenkung der chinesischen Zentralbank den Abwärtstrend dort erstmal abgebremst zu haben.

"Vorerst vielleicht. Mich erinnert die Zentralregierung derzeit an einen Clown, der mit Tellern auf Stangen jongliert und ins Wanken gerät. Und nun versucht sie verzweifelt, die Teller mit irgendwelchen Wahnsinnsmaßnahmen oben zu halten. Aber irgendwann werden sie auf dem Boden landen."

Und Dax und Dow Jones mit sich reißen.

"Ja."

Und wie kann man sich als Anleger am besten darauf einstellen?

"Ich bleibe da meiner Strategie treu: In starke Unternehmen investieren und die Aktien gegen starke Kurseinbrüche absichern. Damit bin ich auch in der Finanzkrise gut gefahren. So bleibt man stets handlungsfähig und kann die Rückschläge zu günstigen Käufen nutzen. Der gute Investor liebt fallende Kurse ebenso wie steigende."

Dirk Müller (Jahrgang 1968) ist Börsenmakler und Buchautor. Da sein Arbeitsplatz an der Frankfurter Börse unter der Dax-Tafel lag, nutzten Medien und Fotografen gerne seinen Gesichtsausdruck, um die aktuelle Lage an der Börse darzustellen. Auch deshalb wird der Wertpapier-Experte gerne als "Mr. Dax" bezeichnet.
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