Die Rettung Griechenlands droht zu scheitern, der Grexit rückt näher. Ob dieser am Ende kommt oder nicht – wünschenswert wäre er für Deutschland so oder so nicht.

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Im Wettlauf gegen die Zeit ist bis zur Stunde unklar, ob Griechenland in letzter Minute gerettet wird - oder immer weiter auf den Staatsbankrott zutreibt. Die am Dienstag bis 18:00 Uhr (24:00 Uhr nach Washingtoner Zeit) fällige Rate über 1,6 Milliarden an den Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde erwartungsgemäß nicht überwiesen. Die Hilfskredite der Europäischen Zentralbank (EZB), mit denen die griechischen Banken seit Wochen flüssig gehalten werden, wurden gedeckelt. Die hellenischen Banken sind seit Montag geschlossen. Wenn sie am kommenden Montag wieder öffnen, dürfte das System endgültig zusammenbrechen. Denn ohne eine Einigung mit den Geldgebern auf eine Verlängerung des zweiten Hilfspakets kann auch die EZB ihre Notkredite nicht mehr fortsetzen. Eine Staatspleite ist damit kaum noch zu verhindern. Auf sie dürfte unweigerlich ein Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion folgen. Er würde nicht ohne Auswirkungen auf Deutschland bleiben.

"Nimmt man beide Hilfspakete zusammen, ist der Bundeshaushalt mit 53,3 Milliarden Euro belastet", erklärt Rudolf Hickel von der Universität Bremen. Das sind etwa 670 Euro pro Bundesbürger. Rechnet man die Anteile Deutschlands an den IWF- und EZB-Krediten sowie den Schulden, die Athen bei der Bundesbank hat, noch hinzu, kommt man auf knapp 85 Milliarden Euro. Von ihnen werden in den nächsten Wochen und Monaten 24 Milliarden Euro fällig - der Anteil der Bundesrepublik beläuft sich dabei auf knapp fünf Prozent. Die übrigen Kredite aus den Hilfspaketen werden aber erst ab 2020 fällig, zudem sind die Laufzeiten gestreckt. Die letzte Rate müsste erst 2057 zurückgezahlt werden.

Unmittelbare Belastungen auf den Bundeshaushalt ergeben sich damit also nicht. Wenn Griechenland zahlungsunfähig wird, müssten die Schulden abgewickelt werden. Aber auch bei einem Zahlungsausfall würden die Raten nicht sofort fällig. Für Deutschland und die übrigen Euroländer kämen ab 2023 zunächst jährlich Mehrkosten von fünf Milliarden Euro zu. Die Bundesrepublik trägt allerdings ein Fünftel der Kosten - also eine Milliarde Euro. Bei einem Bundeshaushalt von 300 Milliarden Euro schlägt diese Summe damit aber kaum ins Gewicht. Ab 2033 steigt die Belastung für die Euroländer dann etwas an - pro Jahr müssen sie dann acht Milliarden Euro aus ihren Budgets abzweigen. Deutschland käme in diesem Fall für ein Viertel der Forderungen auf. Finanziell ist die Belastung im Falle eine griechischen Pleite also überschaubar.

Experte warnt vor ökonomischen Folgen

Viel größer sind aber die ökonomischen Folgen, warnt Hickel. Für Griechenland würden die Importe erheblich teurer. Denn mit dem Bankrott wäre das Land praktisch gezwungen, eine Parallelwährung einzuführen, um Renten und Gehälter auszahlen zu können. Die Drachme, käme sie denn wieder, würde im Verhältnis zum Euro stark abgewertet werden. Wirtschaftsexperte Hickel geht von mindestens 50 Prozent im Vergleich zum Euro aus. Im Umkehrschluss wären griechische Exportwaren deutlich günstiger - allerdings hat die einst florierende Logistikbranche "stark an Bedeutung verloren", erklärt der Professor.

Ouzo, Oliven und Schafskäse - all das käme deutlich billiger auf den deutschen Markt. Trotzdem glaubt Hickel nicht daran, dass Griechenland von einem geordneten Austritt aus dem Euro profitieren und die Wirtschaft über verbilligte Exporte wieder wachsen könne: "Es gibt einfach keine breit aufgestellte Exportwirtschaft." Auch Urlaube wären im Falle eines Grexit nur bedingt billiger. Denn die Hotels, so Hickels Argumentation, müssten die Mehrkosten für importierte Ware auf die Gäste abwälzen. Gas, Öl, Lebensmittel und Medikamente - all das muss Hellas teuer aus dem Ausland einkaufen. "Netto zahlen Touristen dann zwar erheblich weniger für ihre Reise, aber im Land selbst wird alles teurer, sobald es importiert ist", erklärt Hickel. Wer also À-la-carte speisen will, darf nicht auf einen Preisvorteil hoffen.

Exporte aus Deutschland werden teurer

Die Auswirkungen auf deutsche Firmen mit griechischen Produktionsstätten sind indes mehr von der allgemeinen Wirtschaftslage als der Währung abhängig. Allerdings würden Exporte aus Deutschland nach Griechenland teurer - "aber nur minimal": Denn die Rechnungen würden mit billiger Drachme bezahlt, für die es im Umtausch weniger Euro gäbe.

Hinzu kommen die Auswirkungen auf den Wert des Euro selbst. Denn mit einem Grexit, so ist sich Hickel sicher, wäre er eine stärkere Währungseinheit. Zwar würde der Euro in der ersten Zeit im Verhältnis zum Yen oder dem Dollar schwanken - über kurz oder lang würde er aber "aufwerten", ist Hickel überzeugt. Für einen Exportstaat wie Deutschland würden Ausfuhren damit teurer, bei den Gewinnen müssten Unternehmen Einbußen hinnehmen.

Angesichts der humanitären Krise, die Griechenland im Falle eines Grexit droht, könnte sich die Bundesrepublik kaum abwenden: Neue Zahlungen - diesmal in Form von humanitärer Hilfe - wären die Folge.

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