Das Soja-Schnitzel im Kühlregal, der Käse-Burger im Schnellimbiss – Fleischalternativen drängen auf den Markt. Und sie lassen die Kassen klingeln, denn immer mehr Menschen in Deutschland ernähren sich vegetarisch oder vegan. Mittlerweile entdecken auch die Discounter das Millionen-Geschäft. Ein sicheres Zeichen für einen Boom.
Ein besseres, gesünderes und nachhaltigeres Leben – nicht weniger versprechen sich Menschen, die auf Fleisch verzichten. Immer mehr Deutsche verschmähen die Wursttheke und greifen lieber zum Schnitzel aus Tofu. Sie ernähren sich vegetarisch oder sogar vegan - fast neun Millionen Menschen sollen es laut dem "Vegetarierbund Deutschland" sein. Eine Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen kam "nur" auf 3,7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung (also rund 3 Millionen).
Rund 11 Prozent seien aber "Flexitarier", also Menschen, die ihren Fleischkonsum bewusst reduzieren. An diese Zielgruppen richtet sich die Messe "Veggieworld", die heute in der Messe Rhein-Main beginnt. Dort präsentieren 90 Hersteller ihre Produkte. Auch dort ist zu sehen: Der Markt ist groß, und er wächst. Über den Nischenstatus sind vegetarische Produkte längst hinaus, erklärt Einzelhandelsanalystin Denise Klug vom Unternehmen Retail Anaylist. "Sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Ein Überblick über eine Branche im Aufwind.
Woher rührt der Trend?
Deutschland ist immer noch Fleischland. Aber seit einigen Jahren stagniert der Kosum, fällt sogar leicht: Laut der Stiftung Warentest kaufte ein Haushalt 2014 noch 42 Kilogramm Fleisch pro Jahr, 2010 waren es 44 Kilogramm. Ein Grund seien die Preise, die in diesem Zeitraum um 17 Prozent gestiegen sind. Vor allem aber hat sich das Konsumverhalten geändert: Der Gammelfleisch-Skandal sowie Berichte über Massentier-Haltung und die schlechten Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen haben viele Menschen zu Vegetariern oder zu Flexitariern gemacht.
Wer kauft vegetarische Produkte?
"Ursprünglich kommt der Trend von linken Studenten, die aus ethischen Gründen keine tierischen Produkte mehr nutzen wollten", sagt Denise Klug. Mittlerweile sind vor allem die "Lohas" hinzugekommen. "Lohas" bedeutet "Lifestyles of Health and Sustainability" - den Angehörigen dieser Gruppe sind Gesundheit und Nachhaltigkeit wichtig. Ein typischer "Loha" ist weiblich, über 30, gebildet und kaufkräftig. "Einige wollen mit gutem Gewissen konsumieren, viele aber auch aus Diätgründen", sagt Klug. Das gute Image von vegetarischen und veganen Produkten erleichtert den Griff ins Regal.
Wie groß ist das Geschäft?
Genaue Zahlen sind schwer auszumachen. Allerdings gibt es aufschlussreiche Kennzahlen: 2012 etwa wuchs der Umsatz mit Fleischalternativen um 164 Prozent, verglichen mit 2008. Nach Angaben des Vegetarierbundes Deutschland stieg der Umsatz allein mit Halbfertigprodukten wie Falafel, Soja-Schnitzel oder Risotto vom ersten Halbjahr 2013 zum erste Halbjahr 2014 um 36 Prozent auf 50,4 Millionen Euro. Es sind genau diese Produkte – oft Imitate von Fleischklassikern - zu denen laut einer Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen die wachsende Gruppe der Flexitarier greift. Eine weitere interessante Zahl: Innerhalb von zehn Jahren ist der Pro-Kopf-Konsum von Gemüse um 13 Prozent gestiegen.
Wie sieht der Markt aus?
Analystin Denise Klug beschäftigt sich vor allem mit "Convenience-Produkten", also solchen Lebensmitteln, die fast fertig im Regal liegen, und dann nur noch verfeinert und erhitzt werden müssen. Sie beobachtet einen vielleicht entscheidenden Schritt weg von den Bioläden und hin zum Massenmarkt: "Die Discounter haben ihr vegetarisches Sortiment stark ausgeweitet." Aldi Süd, Norma – diese Ketten werden für Bewegung sorgen.
Noch seien die Convenience-Produkte oft zu teuer, wovon die Spezialisten profitieren. "Momentan bestimmen die Marken den Markt", sagt Klug. Es gebe aber immer mehr Eigenmarken. Das könnte die Preise drücken.
Was kommt in Zukunft?
Auch die Hersteller von Fleischwaren erkennen den Trend. So bietet zum Beispiel "Rügenwalder" inzwischen auch vegetarische Pasten an. Innerhalb der nächsten fünf Jahre will das Unternehmen mindestens 30 Prozent des Umsatzes mit vegetarischen Produkten erzielen. Damit reagiert die Firma auf das Imageproblem von Fleisch. In der Branche geht der Spruch um: "Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft."
Für Denise Klug kann das Engagement der Firmen nur Vorteile haben: "Die wissen, wie die Wurst am Besten schmeckt." Es fehle der Branche nämlich noch an Innovationen, vor allem an hochwertigem Fleischersatz. Wer es schafft, schmackhafte Produkte zu entwickeln, könnte ein gutes Geschäft machen. "Die Community ist gut vernetzt. Wenn ein Händler besonders gute Sachen anbietet, verbreitet sich das wie ein Lauffeuer."
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