Die Ampel möchte ausländische Fachkräfte mit einem Steuerrabatt nach Deutschland locken. Der Ökonom Martin Beznoska hat ausgerechnet, was das kostet und meldet Bedenken an. Er hat einen anderen Vorschlag.
Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus. Rund 573.000 qualifizierte Arbeitnehmer fehlen der Wirtschaft derzeit. Was also tun? Die Ampel-Koalition möchte den Bedarf auch aus dem Ausland decken. Und plant dafür einen dreijährigen Steuerrabatt.
Die Idee: Im ersten Jahr sollen 30 Prozent des Bruttolohns steuerfrei sein, dann 20 und im letzten Jahr noch zehn Prozent. Der Ökonom Martin Beznoska vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sagt: Das bringt nichts.
Herr Beznoska, die Bundesregierung möchte ausländische Fachkräfte mit einem Steuerrabatt nach Deutschland locken. Sie halten das für keine gute Idee. Warum?
Martin Beznoska: Im Sinne der Steuergerechtigkeit ist es fraglich, nur einer bestimmten Gruppe massive Steuervorteile zu gewähren. Das diskriminiert alle anderen Arbeitnehmer. Gleiche Arbeit würde dann unterschiedlich besteuert. Der zweite Punkt ist: Ich glaube nicht, dass ein solcher Rabatt effektiv ist, wenn es darum geht, qualifizierte Menschen aus dem Ausland anzulocken. Dafür gibt es andere Hebel.
Ökonom kritisiert: Die Steuerlast ist zu hoch – für alle
Was hält Fachkräfte davon ab, nach Deutschland zu kommen?
Es ist viel zu kompliziert und dauert zu lange, ein Visum zu bekommen. Das heißt: Ausländische Fachkräfte und Unternehmen haben keine Planungssicherheit – einfach, weil sich alles so verzögert. Außerdem ist die allgemeine Abgabenlast in Deutschland sehr hoch. Daran ändert auch ein Steuerrabatt nichts, der ja ohnehin nur zeitlich begrenzt ist. Das ist unattraktiv.
Das IW rechnet mit Kosten von bis zu 600 Millionen Euro.
Das klingt zunächst nicht viel. Aber Sie müssen sehen: Es betrifft nur eine kleine Gruppe von etwa 70.000 Personen aus dem Nicht-EU-Ausland. Würde ein solcher Rabatt aber auf alle Arbeitnehmer übertragen, dann wäre das eine extrem teure Maßnahme. Dann wären wir bei 160 Milliarden Euro – das sind fast 40 Prozent des Aufkommens aus der Einkommenssteuer. Kosten und Nutzen stehen in keinem Verhältnis.
Andererseits: Deutschland braucht qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland. Und ein Umzug ist teuer – von den hohen Mietpreisen bei Neuvermietung in den Großstädten mal ganz abgesehen.
Das stimmt, ein Umzug lässt sich aber auch jetzt schon steuerlich absetzen. Das Problem ist die hohe Steuerlast in Deutschland, da müsste man strukturell rangehen. Eine dauerhafte Steuersenkung für alle wäre ein starkes Signal. Das wird auch im Ausland wahrgenommen. Viel mehr als ein Rabatt, der befristet ist.
Eine große Steuerreform kostet viel Geld. Ist das unter der Schuldenbremse möglich?
Die Schuldenbremse ist definitiv ein Hindernis. Früher war es so: Eine Steuerreform hat zunächst die Einnahmen gesenkt, aber diese Defizite hat man in Kauf genommen. Das geht aktuell nicht. Daher scheint die Politik dazu übergegangen zu sein, einzelnen Gruppen etwas zu geben, was in der Summe nicht so teuer ist. Nur: Ein großer Wurf ist das ganz sicher nicht.
Über den Gesprächspartner
- Dr. Martin Beznoska ist Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Er hat Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin studiert, wo er auch promovierte. In seiner Forschung beschäftigt sich Beznoska u.a. mit Verteilungsfragen, Steuerpolitik und öffentlichen Finanzen. Außerdem hat er einen Lehrauftrag für Mikroökonomie an der TH Köln.
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