Laut einer Studie stagniert das Wohlstandsniveau in Deutschland seit den Neunzigerjahren. Hauptgrund ist die Einkommensungleichheit, die im Laufe der 2000er-Jahre immer gravierender wurde.
Das Wohlstandsniveau in Deutschland stagniert laut einer Studie trotz des Wirtschaftswachstums auf dem Niveau der Neunzigerjahre.
Hauptgrund dafür sei der fortwirkende, deutliche Anstieg der Einkommensungleichheit, teilte das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (IMK) am Donnerstag bei der Vorlage des Papiers mit.
Darin befassen sich die Autoren mit den aktuellen Ergebnissen des sogenannten Nationalen Wohlfahrtsindex.
Diesen sehen die Autoren als alternativen Indikator zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Er nimmt vor allem die Entwicklung des nationalen Wohlstands anhand privater Konsumausgaben in den Blick.
Stärker als beim BIP werden dabei neben den ökonomischen auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt. Demnach ist der Index im Jahr 2016 zum dritten Mal in Folge gestiegen - um 1,3 Prozent im Vergleich zu 2015. Indes hinke der Wohlstand in Deutschland dem Wirtschaftswachstum im Langzeitvergleich deutlich hinterher, so die Autoren.
Einkommensungleichheit wurde in den 2000ern schlimmer
Vor allem in den 2000er Jahren habe es einen deutlichen Anstieg der Einkommensungleichheit gegeben, schreiben sie. "Damals stagnierten die Reallöhne vieler Beschäftigter, während Kapital- und Unternehmenseinkommen stark zunahmen."
Zwar seien die Reallöhne in den vergangenen Jahren spürbar geklettert. "Da allerdings auch die Kapital- und Vermögenseinkommen kräftig zulegten, ging die Einkommensungleichheit kaum zurück", hieß es.
Das Modell gibt es schon seit einigen Jahren - und es zieht Kritik auf sich. Denn es versucht, verschiedene Komponenten wie Luftverschmutzung oder Lärmbelästigung zu einem Geldwert umzurechnen, den man dann dem Geldwert des BIP gegenüberstellen kann.
Dabei würden zu viele Komponenten außer Acht gelassen, sodass die beiden Größen nur bedingt vergleichbar seien, sagt Nils aus dem Moore, Leiter der Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Governance beim Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.
"Der Indikator ist ein legitimer Beitrag in einer Debatte um erweiterte Wohlstandsmessung, aber es ist nicht so, dass mit diesem Index der Stein der Weisen gefunden wäre."
Wirtschaftsaufschwung kommt nicht bei allen Bürgern an
Soziale Ungleichheit ist auch das Thema bei einer Konferenz, die am Donnerstag in Berlin begann. Dabei stellen 80 Wissenschaftler aus 15 Ländern Forschungen vor.
"Die Ungleichheit in Deutschland hat insofern zugenommen, alsdass die Einkommensungleichheiten zugenommen haben", sagte Prof. Stefan Liebig, Vorstandsmitglied beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Leiter des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).
Das DIW hatte bereits Ende Mai auf Basis von SOEP-Daten eine Studie vorgelegt, wonach der anhaltende Wirtschaftsaufschwung in Deutschland bei weitem nicht bei allen Bürgern ankommt.
Demnach sind zwischen 1991 und 2015 die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte im Schnitt um 15 Prozent gestiegen. Davon haben laut Untersuchung die meisten Einkommensgruppen profitiert - aber nicht die untersten.
Einkommensungleichheit bedeute aber nicht notwendigerweise Einkommensungerechtigkeit, sagte Liebig. "Wenn wir die Menschen fragen, welche Einkommen sie haben wollen und welche Einkommen sie als gerecht ansehen, dann sprechen sie sich in keinster Weise für eine gleiche Verteilung von Einkommen aus. Einkommen sollen durchaus unterschiedlich und nach Leistung differenziert sein."
Bei dem Kongress geht es auch um das Thema Migration. Liebig sagte, eine Studie zeige, dass Migranten aktuell einen deutlich besseren Gesundheitszustand haben und vergleichsweise gut gebildet sind.
"Es wandern vorwiegend gesündere und besser gebildete Menschen aus." Dies sei ein positives Zeichen für die Integration in den Arbeitsmarkt.
"Das heißt, dass tatsächlich Personen kommen, die am Arbeitsmarkt möglicherweise gut und schnell integriert werden können." (dar/dpa)
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