Vor zehn Jahren ging die US-Investmentbank Lehman Brothers pleite, eine weltweite Finanzkrise folgte. Auch hierzulande musste der Finanzsektor mit Milliardenhilfen stabilisiert werden. Nun klärt Bundesfinanzminister Olaf Scholz darüber auf, wie teuer die Bankenrettung allein für den Bund war.

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"Allein den Bund dürfte die Stabilisierung des hiesigen Finanzsektors bislang etwas mehr als 30 Milliarden Euro gekostet haben", schreibt Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in einem Gastbeitrag für die Samstagsausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

"Ähnlich hoch dürfte der Anteil der Länder sein. Die genaue Bilanz lässt sich erst ziehen, wenn alle Maßnahmen in einigen Jahren zu einem Abschluss gebracht worden sind."

Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick hatte in den vergangenen Tagen unter Berufung auf Zahlen der Bundesregierung vorgerechnet, die Bankenrettung in Deutschland habe mindestens 68 Milliarden Euro gekostet. Schick verlässt zum Jahresende den Bundestag, um sich für die "Bürgerbewegung Finanzwende" zu engagieren.

Scholz: "Haben wir damals alles richtig gemacht? Sicher nicht"

Die Rettung von Banken mit Steuermilliarden in der Finanzkrise 2008 war nach Ansicht von Olaf Scholz (SPD) ohne Alternative. Die damalige Bundesregierung habe vor der Herausforderung gestanden, "einen kompletten Zusammenbruch der deutschen Finanzwirtschaft zu verhindern", schreibt er weiter.

In der Krise waren beispielsweise der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) verstaatlicht und die WestLB abgewickelt worden. Zudem stieg der Bund als größter Aktionär bei der Commerzbank ein, die kurz vor der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 die angeschlagene Dresdner Bank übernommen hatte.

"Haben wir damals alles richtig gemacht? Sicher nicht", schreibt Scholz. "Mit dem Abstand von Jahren und der Erfahrung von heute müssen wir eingestehen, dass wir vielleicht stärker darauf hätten beharren sollen, deutsche Finanzinstitute zu zwingen, zur eigenen Absicherung staatliche Unterstützung anzunehmen - um den staatlichen Einfluss auf diese Banken dann schrittweise wieder zu verringern, genauso wie es die amerikanischen Behörden gemacht haben."

Während US-Banken wieder prächtig verdienen, haben Europas Banken manche Altlast der Finanzkrise bis heute nicht bereinigt.

Anton Hofreiter warnt vor neuer Krise

Für Anton Hofreiter (Grüne) hat die deutsche Politik bis heute nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen. "In Sachen Aufarbeitung der Finanzkrise verdient diese Bundesregierung die Note 'mangelhaft'", sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

"Akut nach Ausbruch der Krise hat die Bundesregierung viele Versprechungen gemacht, außer kleinteiliger Alibi-Regulierung aber kaum eine davon umgesetzt." Im Verhältnis von Staat und Finanzbranche sei ein "Paradigmenwechsel" überfällig.

"Weder mit der versprochenen Eindämmung des Hochfrequenzhandels noch mit einer Finanztransaktionssteuer ist die Bundesregierung weitergekommen", kritisierte Hofreiter. Banken dürften weiter mit unzureichendem Risikopuffer Kredite vergeben.

Statt in die Realwirtschaft zu investieren, halte die Regierung am "Fetisch" eines Haushalts ohne neue Schulden fest, lasse die Finanzblase wachsen und heize das Spekulieren auf dem Immobilienmarkt an.

"Die Risiken einer neuen Krise steigen wieder", mahnte der Grünen-Politiker. "Die Bundesregierung muss sich wieder trauen, der Finanzindustrie die Stirn zu bieten und gefährliche Exzesse zu unterbinden." Wo der Markt versage, müsse der Staat mit kluger Regulierung durchgreifen, damit Gewinne nicht auf Kosten der Allgemeinheit und Umwelt gemacht würden. (cai/dpa)

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