Wirtschaft ist auch Psychologie. Wenn die Stimmung der Mächtigen und Reichen in Davos einen Anhaltspunkt für die aufziehende konjunkturelle Wetterlage liefert, dann dürfte es ungemütlich werden in den kommenden Monaten. Einer der wichtigsten handelnden Akteure ist allerdings gar nicht vor Ort: US-Präsident Donald Trump.

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Vergangenes Jahr sei die Stimmung in Davos fast schon nah an der Euphorie gewesen, sagte Axel Weber, Verwaltungsratschef der Schweizer Bank UBS, noch vor Beginn des diesjährigen Treffens des Weltwirtschaftsforums.

Daraus wurde nachweislich nichts, ziemlich schnell kam ziemlich viel zusammen - von der nahezu stetigen Eskalation im Handelszwist zwischen den USA und China bis zum anschwellenden Risiko eines Brexits ohne Netz und doppelten Boden.

Nun stehen die Zeichen also auf Sturm, der Internationale Währungsfonds kappte seinen Ausblick für die Weltkonjunktur nochmals. Die Konjunkturlokomotive China läuft nicht mehr wie früher unter Volldampf, der Zollstreit mit Amerika hängt ihr schwer nach.

"Der Brexit ist ein Symbol der Polarisierung"

"Das weltweite Wirtschaftswachstum schwächt sich ab", sagt Mark Haefele, oberster Investmentchef der UBS, einer der größten Vermögensverwalter überhaupt. Auch wenn der Anlageprofi nicht mit einer Rezession rechnet: Das politische Hickhack rund um den Globus dürfte weitergehen - es bleibe "volatil". So drücken sich Investmentbanker aus, wenn sie sagen wollen: Es wird unberechenbar.

"Der Brexit ist ein Symbol der Polarisierung", warnt der amerikanische Top-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller. "Und es ist ein zentrales Zeichen für den Verlust von Vertrauen und Stabilität."

Trump ist omnipräsent ohne vor Ort zu sein

Dafür sorgt auch die weitere Unbekannte, der Elefant im Raum bei fast allen Diskussionen in Davos: Donald Trump.

Der US-Präsident ist omnipräsent, auch wenn er wegen der stillgelegten Regierungsgeschäfte in den Vereinigten Staaten gar nicht vor Ort ist. Wenn Staatenlenker wie Angela Merkel, Chinas Vizepräsident Wang Qishan und der japanische Regierungschef Shinzo Abe zu Zusammenhalt und gegen Abschottung aufrufen, dann richtet sich das auch gegen ihn.

Die deutsche Bundeskanzlerin hatte in ihrer Rede am Mittwoch indirekt Trump kritisiert. Ihr leidenschaftlicher Appell für verstärkten Multilateralismus steht der Abschottungspolitik des US-Präsidenten ("America first") diametral entgegen.

USA droht Problem fehlender Fachkräfte

Shiller mahnt, dass in den USA nicht nur der Zollstreit die Unternehmen lähmen könnte. "Es ist nicht nur der Handelskrieg, es ist auch die Immigrationspolitik. Universitäten in den USA verlieren ausländische Studenten, und wir bekommen nicht mehr die Expertise für die Industrie."

Amerika ist ein traditionelles Einwandererland, das auch und gerade bei seinem Exportschlager, der Technologiebranche im tonangebenden Silicon Valley, auf internationale Top-Kräfte setzt.

Globalisierung nicht mehr als weltweiter Leitspruch

Davos ist traditionell auch der Ort, an dem Unternehmenslenker sich gegenseitig versichern, dass sie mit ihren Konzernen auch Gutes bewirken. Auch aus ihrer Perspektive aber werden die Aussichten düsterer. Deutsche Top-Manager blicken laut Daten der Beratung PwC deutlich pessimistischer in die Zukunft als im Vorjahr.

"Wir sind jetzt plötzlich in einer Welt, in der Globalisierung nicht mehr als Mantra verstanden wird", sagt auch Frank Riemensperger. Der Deutschland-Chef der Unternehmensberatung Accenture sieht die USA auf sich konzentriert, während in China eine zweite Weltmacht entsteht. "Auf einmal sehen wir wieder Handelsschranken, Mechanismen, die viele Jahre keine Rolle gespielt haben."

Das Weltwirtschaftsforum halte mit seinem Motto zur nächsten Stufe der Globalisierung, der sogenannten "Globalisierung 4.0", die Fahne hoch. "In Zeiten, in denen einseitig auf den eigenen politischen Vorteil fokussiert wird, sind solche Gesprächsplattformen enorm wichtig."

Ungeordneter Brexit wäre großes Risiko

Der Brexit steht kurz bevor, doch ein Regelwerk existiert immer noch nicht. "Die meisten Investoren kümmern sich mittlerweile weniger darum, welche detaillierten Arrangements das Vereinigte Königreich mit der EU für die kommenden Jahre trifft", sagt Weber. "Sie sorgen sich um einen ungeordneten Austritt ohne Abkommen, der tatsächlich echten Gegenwind für die Weltwirtschaft liefern könnte."

Mittlerweile sehe es aber zunehmend danach aus, als würden die Politiker dieses Risiko vermeiden wollen. Das zeige sich auch am Kapitalmarkt.

Dennoch ist Vorsicht angesagt. "Wir sollten uns nichts vormachen, die erste Jahreshälfte wird weiter Herausforderungen bereithalten", so Weber. Am Horizont klare es aber auch schon wieder etwas auf. Der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank weiß eben, dass Wirtschaft auch Psychologie ist. (hub/dpa)


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