Der Trend für die deutsche Wirtschaft zeigt laut Institut für Weltwirtschaft weiter nach unten. Für den Bundesbank-Präsidenten Nagel ist das aber kein Grund zur Sorge.

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Die deutsche Wirtschaft kommt weiter nicht in Schwung – Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sieht deswegen aber keinen Grund für Schwarzmalerei. Aktuelle Zahlen und Umfragen deuten allerdings noch nicht auf eine Trendwende hin. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) korrigierte am Mittwoch seine Konjunkturprognose für Deutschland nach unten und erwartet nun einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent (Sommerprognose: -0,3 Prozent).

Die deutsche Wirtschaft stagniert – schwache Weltkonjunktur macht Deutschland zu schaffen

Als Gründe nannten die Kieler am Mittwoch vor allem eine schwache Industriekonjunktur, die Krise in der Bauwirtschaft sowie sinkende Konsumausgaben. Auch die Auftragseingänge in der Industrie zeigten zuletzt nach unten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gingen sie im Juli um 11,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat zurück – was vor allem Folge eines "sehr umfangreichen Großauftrags" im Juni gewesen sei. Im Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von Mai bis Juli aber um 3,1 Prozent höher als in den drei Monaten zuvor.

Im Winterhalbjahr war die deutsche Wirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte in Europas größter Volkswirtschaft das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorquartal. Hohe Inflation, stockender Konsum und eine schwächelnde Weltkonjunktur machen der Exportnation Deutschland zu schaffen.

Bundesbank-Präsident Nagel warb trotz der kritischen Lage für Besonnenheit. "Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas. Ich halte das für eine Fehldiagnose, die bei vielen allzu leicht verfängt. Wir sollten da selbstbewusster auftreten", sagte Nagel dem "Handelsblatt". Verglichen mit anderen Ländern stehe Deutschland insgesamt gut da, nicht nur bei Beschäftigung und Schuldentragfähigkeit: "Wir sollten uns 'Made in Germany' nicht kleinreden lassen. Das deutsche Wirtschaftsmodell ist kein Auslaufmodell. Aber es braucht ein Update." Als Stichworte nannte Nagel Energiewende, Digitalisierung und die Notwendigkeit, internationale Handelsbeziehungen widerstandsfähiger zu machen.

Die russische und deutsche Fahne stehen nebeneinander

Neue Studie: So wird die deutsche Wirtschaft von Russland manipuliert

Eine neue Studie zeigt, dass die russische Wirtschaft ein strategisch informelles Netzwerk aufgebaut hat, um die Sanktionen gegen sich zu umgehen. Außerdem wird so auch die deutsche Wirtschaft beeinflusst. (Bild: Wochit/getty images)

Außenhandelsverband fordert mehr Freihandelsabkommen

Deutliche Kritik kommt vom Außenhandelsverband BGA. Nach Ansicht von Verbandspräsident Dirk Jandura ist Deutschland derzeit in vielen Bereichen nicht wettbewerbsfähig genug. "Und unsere Politik ist es auch nicht." Jandura warf der Bundesregierung vor, sich zu wenig für den Abbau der Bürokratie einzusetzen. Zudem sei die deutsche und europäische Politik dabei, mit Zurückhaltung bei neuen Freihandelsabkommen die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu gefährden. "Kanada, Kenia, vielleicht Neuseeland und Chile. Das reicht im Zeitalter der Zeitenwende nicht aus", sagte Jandura.

Für den weiteren Jahresverlauf geht der BGA davon aus, dass der deutsche Außenhandel in seinem Umfang "bestenfalls" stagnieren wird. Im dritten und vierten Quartal könnte es aber auch noch deutlich schlechter werden. Nach einer Verbandsumfrage rechnen mehr als 60 Prozent der Firmen mit einem rückläufigen (57 Prozent) oder stark rückläufigen (6 Prozent) Außenhandel. "Nur gut jedes zwanzigste Unternehmen geht noch von einer besseren Entwicklung aus", sagte Jandura.

"Deutschland bekommt jetzt auch zu spüren, dass sein altes industrielles Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert", sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. Zudem belaste die Zinswende die Wirtschaft im Inland und über die Exportmärkte. "Die Notenbanken haben erfolgreich Zähne im Kampf gegen die Inflation gezeigt und in diesem neuen Umfeld muss sich die deutsche Wirtschaft nun behaupten."

Die Kieler Ökonomen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft erst zum Jahreswechsel wieder Fahrt aufnehmen wird. Für 2024 rechnet das IfW mittlerweile aber nur noch mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 1,3 Prozent (bisher 1,8 Prozent). Die Ökonomen erwarten, dass sich die Inflation im kommenden Jahr deutlich verringern und 2024 sowie 2025 2,1 Prozent betragen wird.

OECD sieht Wachstum für die EU voraus

Die Industrieländerorganisation OECD rät in ihrem neusten Bericht der EU zu einem vertieften Binnenmarkt und mehr Anstrengungen zur Emissionssenkung, um ein stärkeres und nachhaltigeres Wachstum zu sichern. Zwar hätten die EU und der Euroraum einen schweren Abschwung nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der Energiekrise abwenden können, und Wachstum und sinkende Inflation seien in Aussicht. Die kurzfristigen Aussichten seien aber weiterhin von Unsicherheit geprägt, teilte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch in Paris mit.

Der jüngste OECD-Wirtschaftsbericht geht davon aus, dass sich das Wachstum in der EU und im Euroraum allmählich von 0,9 Prozent im laufenden Jahr auf 1,5 Prozent in 2024 beschleunigen wird. Die Inflation wird voraussichtlich auf 5,8 Prozent in 2023 und 3,2 Prozent im kommenden Jahr zurückgehen, aber weiterhin über dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank liegen. Um die Inflation zu senken, müsse die restriktive Geldpolitik fortgesetzt und die Finanzpolitik gezielter und nachhaltiger gestaltet werden. Öffentliche Ausgaben müssten gut gesteuert und Haushaltsvorschriften stärker eingehalten werden.

Dem Bericht zufolge kann ein stärkerer und vertiefter Binnenmarkt Europa helfen, Wachstum und Innovation anzukurbeln und zugleich den Strukturwandel zu fördern. Zu den Prioritäten sollten Anstrengungen für gleiche Wettbewerbsbedingungen sowie eine Neuausrichtung der EU-Mittel auf die Förderung von umweltfreundlicher Forschung, Entwicklung und Innovation gehören.

Für ein Erreichen der Klimaschutzziele sei eine beschleunigte Reduzierung von Emissionen erforderlich. Handlungsbedarf gebe es in allen Sektoren, besonders aber in denen, die nicht unter den Emissionshandel fallen. Dabei gehe es um die Landwirtschaft, den Gebäudesektor sowie den Verkehr. Ein wichtiges Element der grünen Wende sei erschwingliche und sichere Energie, die stärker integrierte Strommärkte erfordere. (dpa/the)

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