Fossile Bäume mit intakten Kronen sind eine Seltenheit. Wie diese vor vielen Jahrmillionen aussahen, stellte bislang ein Rätsel dar. Nun ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen, ein - durchaus kurioses - Kronendach zu rekonstruieren.

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Manche Bäume hatten vor etwa 350 Millionen Jahren ein kurioses Kronendach. Das schließen Wissenschaftler aus in Kanada entdeckten Fossilien mit erhaltenen Blättern. Daraus rekonstruierten sie die Baumkronen dieser Pflanze.

Die Anordnung der Blätter ist anders als bei heutigen Pflanzen, ähnelt aber Farnen und Palmen. Palmen entstanden allerdings erst 300 Millionen Jahre später, wie die Gruppe um Robert Gastaldo vom Colby College in Waterville (US-Bundesstaat Maine) im Fachmagazin "Current Biology" schreibt.

Fossile Bäume mit intakten Kronen sind selten

Sanfordiacaulis densifolia
Sanfordiacaulis densifolia mit einem Maßstab von einem Meter. © Matthew Stimson/dpa

"Jeder fossile Baum mit einer intakten Krone ist eine Seltenheit in der Geschichte des Lebens", wird Gastaldo in einer Mitteilung des Verlags zitiert. Denn meist bleiben nur Stämme oder Bruchteile davon erhalten. In diesem Fall rekonstruierten die Forscher, dass die fünf gefundenen Fossilien dadurch entstanden, dass die Bäume bei einem Erdbeben umstürzten und in das schlammige Ufer eines Sees fielen. Dort waren sie von zersetzenden Mikroorganismen geschützt, und bei der folgenden Versteinerung blieben die Blattstrukturen erhalten.

Gastaldo und Kollegen nennen die Pflanze Sanfordia densifolia - nach dem Fundort im Sanford-Steinbruch in der kanadischen Provinz New Brunswick und wegen der dichten Anordnung der Blätter. Sie vermuten, dass an einem Stammabschnitt von 75 Zentimetern etwa 200 Blätter spiralförmig angeordnet waren.

Die Art und Weise, wie dieser Baum um seinen spindelförmigen Stamm herum enorm lange Blätter hervorbrachte, und die schiere Anzahl auf einem kurzen Stammstück sind verblüffend.

Vegetation im frühen Karbon-Zeitalter komplexer als bislang angenommen

Zwar entspringen auch bei Farnen und Palmen die Blätter dem obersten Teil der Sprossachse, doch es sind jeweils nur wenige. Die Blätter von S. densifolia standen nach allen Seiten ab, waren durch die Schwerkraft leicht nach unten gebogen und enthielten Verzweigungen. Die Wissenschaftler schätzen, dass S. densifolia eine Baumkrone mit einem Durchmesser von etwa 5,5 Metern und einem Volumen 20 bis 30 Kubikmetern hatte.

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Von der heutigen Vorstellung eines Baums unterscheidet sich S. densifolia dadurch, dass der Stamm nicht verholzt war. Außerdem beträgt der größte gefundene Durchmesser des Stamms gerade einmal 16 Zentimeter. Der Baum könnte bis zu drei Meter hoch gewesen sein. Aufgrund von anderen bekannten Pflanzen aus dem Zeitalter, die teilweise über zehn Meter hoch waren, geht das Team um Gastaldo davon aus, dass S. densifolia in der damaligen Waldstruktur in einem mittleren Stockwerk seine Nische fand.

"Dieses Exemplar zeigt, dass die Vegetation im frühen Karbon-Zeitalter komplexer war als angenommen", schreiben die Studienautoren. "Das deutet darauf hin, dass es sich um eine Zeit experimenteller, möglicherweise vorübergehender und vielfältiger Wachstumsarchitekturen handelte." (ff/dpa)

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