Die Zerstörung der antiken Stadt Pompeji hatte wohl nicht nur eine einzelne Ursache. Laut einer Studie wurde sie nicht nur vom Ausbruch des Vesuv getroffen, sondern auch von einem Erdbeben. Das verraten Analysen zweier Skelette.

Mehr zum Thema Geschichte & Archäologie

Der spektakuläre Untergang der Stadt Pompeji ist wohl die bekannteste Naturkatastrophe der Antike: Als der Vesuv am 24. August des Jahres 79 ausbricht, regnet es binnen kurzer Zeit Asche und Vulkangestein, bis die Schicht auf dem Boden rund drei Meter beträgt. Wer sich im Freien aufhält, hat kaum eine Überlebenschance. Andere Menschen sind in ihren Häusern eingeschlossen, werden verschüttet oder ersticken, als giftige Gase die Stadt erreichen.

Doch obwohl die Tragödie gut erforscht ist, blieb einer Studie zufolge ein wichtiges Puzzleteil bislang unentdeckt. "Wir haben eigenartige Auffälligkeiten gefunden, die nicht zu den Auswirkungen vulkanischer Phänomene passten, die in der Literatur über Pompeji beschrieben werden", erläutert der Vulkanologe Mauro Di Vito vom Vesuv-Observatorium. "Es musste eine andere Erklärung geben."

Zwei Skelette offenbaren Erdbeben

Zwei in Pompeji gefundene Skelette brachten das Forschungsteam auf eine Spur. Die Position der beiden und das Muster ihrer Knochenverletzungen zeigten: Sie sind nicht an den Folgen des Vulkanausbruchs gestorben, sondern anscheinend durch ein Erdbeben, das Pompeji relativ zeitgleich mit der Eruption getroffen haben muss.

Die beiden etwa 50-jährigen Pompeianer seien nicht durch Hitze oder Einatmen von Asche umgekommen, schreibt das Team um Erstautor Domenico Sparice im Fachjournal "Frontiers in Earth Science". Da die Skelette auf den vulkanischen Sedimenten und nicht darunter gefunden wurden, gehen die Forschenden davon aus, dass sie die erste Phase des Vulkanausbruchs überlebt hatten und erst umkamen, als das ohnehin schon durch den Sedimentregen belastete Gebäude einstürzte und sie unter sich begrub.

Pompeji
Skelett des "Individuums 2", ein Mann im Alter von etwa 50 Jahren, der sich möglicherweise der Gefahr bewusst war und versuchte, sich mit einem runden Holzgegenstand zu schützen. © dpa / Pompeii Archaeological Park

Einer der beiden sei wahrscheinlich von einer einstürzenden Wand erschlagen worden. Spuren eines hölzernen Gegenstands lassen die Forschenden vermuten, dass die zweite Person die Gefahr wohl erkannt und noch versucht hatte, sich zu schützen – ohne Erfolg. Die Verletzungen der Menschen ähneln demnach denen heutiger Erdbebenopfer.

Für die Studie untersuchten Fachleute aus Archäologie, Vulkanologie, Anthropologie und Geologie neben den Knochenfrakturen der beiden Skelette unter anderem die römischen Bautechniken und auch, wie die Wände des entsprechenden Gebäudes kollabiert sein müssen.

"Diese komplexen Zusammenhänge sind wie ein Puzzle, bei dem alle Teile zusammenpassen müssen, um das komplette Bild zu entschlüsseln", sagt Sparice. Die Studie zeige, dass ein Erdbeben zusätzlich zum Ausbruch des Vesuv eine wichtige Rolle bei der Zerstörung von Pompeji gespielt haben müsse.

Erdbeben bei Ausgrabungen schwer nachzuweisen

Dass es in Pompejis Geschichte und auch in den Jahren vor dem Vulkanausbruch wiederholt Erdbeben gab, ist belegt. Zudem gibt es einen Bericht von Plinius dem Jüngeren, einem Augenzeugen: Wie das Team betont, beschrieb er darin nicht nur den Vulkanausbruch, sondern auch seismische Erschütterungen.

Dass die Möglichkeit eines Erdbebens lange Zeit keine Rolle in der Erforschung von Pompeji gespielt habe, führen die Forschenden auf die Schwierigkeit zurück, diesen speziellen Typ von Schäden bei Ausgrabungen zu erkennen. Sämtliche Zerstörung wurde stattdessen dem Vulkanausbruch zugeschrieben, dessen Wucht die Hinweise auf ein Beben überlagert habe. (Katharina Köhler, dpa/sbi)

Spektakuläre Entdeckung in Pompeji: Kinderzeichnung von Gladiatoren-Kampf entdeckt

Spektakuläre Entdeckung in Pompeji: Kinderzeichnung von Gladiatoren-Kampf entdeckt

Pompeji gilt als archäologische Goldgrube. Jetzt wurden erneut spektakuläre Entdeckungen gemacht.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.