Ein internationales Forschungsteam hat eine faszinierende Entdeckung gemacht: Auf Radaraufnahmen unter der Chephren-Pyramide nahe Kairo fanden sie acht große, zylinderförmige Strukturen. Diese reichen demnach Hunderte Meter in die Tiefe. Bei Experten überwiegt allerdings die Skepsis.
Könnte es sein, dass die Pyramiden von Gizeh nahe Kairo (Ägypten) nur ein kleiner Teil eines von Menschen geschaffenen Bauwerks sind? Ein Forschungsteam um Corrado Malanga von der Universität Pisa (Italien) und Filippo Biondi von der Universität Strathclyde (Großbritannien) hat auf Radaraufnahmen unter der Chephren-Pyramide acht große, zylinderförmige Strukturen entdeckt. Diese reichen Hunderte Meter in die Tiefe.
Die Nachricht von der Entdeckung verbreitete sich zunächst vor allem über Plattformen wie Tiktok und Instagram, inzwischen berichten auch etablierte Medien darüber. Doch bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern überwiegt die Skepsis, ob mit den beschriebenen Methoden überhaupt Strukturen in der angegebenen Tiefe sichtbar gemacht werden können.
Der Ägyptologe Zahi Hawass, der von 2002 bis 2011 Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung war, bezeichnet die Angaben über die Entdeckung gegenüber der Zeitung "The National", die in den Vereinigten Arabischen Emiraten erscheint, als "komplett falsch".
Forscher entdecken Strukturen und Schächte auf Radaraufnahmen
Wie Filippo Biondi erklärt, nutzten die Forscherinnen und Forscher ein Verfahren, das er selbst entwickelt hat: die sogenannte Doppler-Tomografie, die durch Synthetic Aperture Radar (SAR) erzeugt wird. SAR ist ein etabliertes Verfahren, das für die Fernerkundung durch Flugzeuge und Satelliten verwendet wird und Mikrowellen für die Abtastung der Erdoberfläche nutzt.
Auf den Radaraufnahmen zeigen sich den Forschern zufolge am Fuß der Chephren-Pyramide fünf identische Strukturen, die durch Wege miteinander verbunden sind. Darunter finden sich acht senkrechte, runde Schächte, die rund 650 Meter in die Tiefe reichen. Die Schächte werden nach Angaben der Forscher von Gängen umrundet, die sich spiralförmig nach unten winden. Die Forscher legen dar, dass ähnliche Strukturen auch unter den anderen beiden großen Pyramiden von Gizeh zu finden seien.
Kraftwerke, Waffen und Außerirdische
Vor allem in den sozialen Medien wurden die Berichte über diese Entdeckungen vielfach aufgegriffen. Dabei wird auch spekuliert, dass die Pyramiden nicht als Gräber für Pharaonen, sondern für Kraftwerke oder sogar Waffen gebaut worden seien.
Zudem widmet sich der Forscher Corrado Malanga, der an der Entdeckung beteiligt war, auf seiner Webseite esoterischen Themen, wie Außerirdischen und Ufos. Die Pressesprecherin des Forschungsprojekts, Nicole Ciccolo, beschäftigt sich auf ihrem YouTube-Kanal mit ähnlichen Inhalten: Sie hat schon ein Video über Ufologie und Aliens veröffentlicht.
Kritik von Experten: Wird es Grabungen geben?
Bisher gibt es zu den Forschungsergebnissen keinen Fachartikel, der ein Prüfverfahren ("Peer Review") durchlaufen hat. Auch haben die Universitäten der beteiligten Forscher keine Pressemitteilungen veröffentlicht. Dietrich Raue, leitender Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo, erklärt, er habe noch keine offizielle Mitteilung des ägyptischen Ministeriums für Tourismus und Antiken gesehen. Zur Forschungsarbeit möchte er sich nicht äußern.
"Ich bezweifle, dass es sich dabei um einen realen Fund handelt", so Djamil Al-Halbouni, Fernerkundungsexperte von der Universität Leipzig. "Rein methodisch ist SAR ein Fernerkundungsverfahren und kann diese Tiefen nicht auflösen. Es gibt dafür andere elektromagnetische Verfahren der Geophysik, welche die Forscher aber nicht genutzt haben."
Ähnlich sieht es Lawrence Conyers, ein Radarexperte von der University of Denver (Colorado, USA). Der britischen Boulevardzeitung "Daily Mail" sagte er, dass die Radartechnologie nicht so tief in den Untergrund eindringen könne und dass die Angaben von einer Stadt im Untergrund "eine riesige Übertreibung" sei. Es sei aber denkbar, dass es kleinere Kammern und Gänge unterhalb der Pyramiden gebe. Denn wahrscheinlich wurde das Kalksteinplateau schon vor dem Bau der Pyramiden von Menschen genutzt.
Conyers sagte der "Daily Mail" auch, dass nur durch gezielte Grabungen herausgefunden werden könne, ob es Strukturen unterhalb der Pyramiden von Gizeh gebe. Die ägyptische Altertümerverwaltung war hinsichtlich Grabungen in der Vergangenheit allerdings eher zurückhaltend. Und nach der heftigen Kritik ihres ehemaligen Generalsekretärs Zahi Hawass an dem Forschungsergebnis könnte es sein, dass in absehbarer Zukunft keine Grabungen unter den Gizeh-Pyramiden stattfinden werden.
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Die Pyramiden von Gizeh: Antikes Weltwunder und Weltkulturerbe
Die Pyramiden von Gizeh sind die einzigen erhaltenen Bauwerke, die einst zu den sieben antiken Weltwundern gezählt haben. Seit 1979 sind sie Weltkulturerbe. Sie liegen nahe der Stadt Gizeh und sind nur etwa 15 Kilometer vom Zentrum der ägyptischen Hauptstadt Kairo entfernt. Die drei großen Pyramiden wurden für die Pharaonen Cheops, Chephren und Mykerinos erbaut. Die nahegelegenen drei kleinen Pyramiden werden Königinnenpyramiden genannt.
Die Pyramiden von Gizeh liegen auf einem Kalksteinplateau und sind mindestens 4.500 Jahre alt. Sie wurden nach heutigem Kenntnisstand in der Zeit von 2.620 bis 2.500 v. Chr. während der Herrschaft der 4. Dynastie errichtet. Die größte der Pyramiden, die Cheops-Pyramide, war ursprünglich 146,59 Meter hoch, weshalb sie etwa 4.000 Jahre lang das höchste Bauwerk der Welt war. Heute sind es nur noch 138,75 Meter.
Zur Person:
- Prof. Dr. Djamil Al-Halbouni befasst sich an der Universität Leipzig mit dem Fachgebiet "Angewandte erdoberflächennahe Geophysik und Fernerkundung".
Verwendete Quellen:
- The National News: Egyptologist questions claims of hidden tunnels and chambers under Giza pyramids
- National Geographic: Geheimnisvolle Weltwunder: Die Pyramiden von Gizeh
- archive.ph: Filippo Biondi, Ph.D.’s Post
- The Reese Report: SAR Scan of Khafre Pyramid Shows Huge Underground Structures
- Startseite corradomalangaexperience.com
- Youtube: Official press release. Giza Plateau: discovery of a huge city under the Pyramids.
- Daily Mail: Scientists say they've discovered 'vast city' UNDERNEATH Egypt's Giza pyramids... but experts raise concerns
- Universität Leipzig: Jun.-Prof. Dr. Djamil Al-Halbouni