Der Homo sapiens war früh mobil. Vor 60.000 Jahren verließen jene Gruppen Afrika, von denen die heutigen Menschen abstammen. Was sie dazu veranlasste, könnte ein Vulkanausbruch gewesen sein.
Die ersten modernen Menschen verließen Afrika schon vor mehr als 100.000 Jahren, doch sie hinterließen kaum genetische Spuren. Jene Gruppen des Homo sapiens, deren Nachfahren sich um die Erde verbreiteten, folgten erst viel später - vor grob 60.000 Jahren. Über die Gründe dafür wird seit Jahrzehnten spekuliert.
Nun schließen Forschende aus Funden in Äthiopien, dass der Ausbruch eines Vulkans im heutigen Indonesien - eine der größten bekannten Eruptionen der Erdgeschichte - dazu beigetragen haben könnte.
Wanderung in neue Gebiete nach Vulkanausbruch?
Bislang gingen Fachleute davon aus, dass der damalige Homo sapiens zum Erschließen neuer Erdregionen auf ein feuchtes Klima und grüne Korridore angewiesen war. Doch die im Fachjournal "Nature" veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass der Ausbruch des Vulkans Toba auf Sumatra vor 74.000 Jahren das Klima in der östlichen Sahelzone - und vermutlich auch in anderen Teilen Afrikas - deutlich trockener werden ließ. Damit kamen die Menschen demnach nicht nur gut zurecht, sondern sie entwickelten möglicherweise sogar Neuerungen. Darauf deuten die vermutlich frühesten Belege für die Nutzung von Pfeil und Bogen hin.
In der Studie stellt ein internationales Forschungsteam um John Kappelman von der University of Texas in Austin Funde aus Shinfa-Metema 1 (SM1) vor - einem Areal im Nordwesten von Äthiopien bei dem Fluss Shinfa, einem Zufluss zum Blauen Nil. Dort entdeckte die Gruppe Tausende von symmetrisch bearbeiteten, dreieckigen Steinspitzen. Viele davon sind am spitzen Ende abgebrochen. Das wertet das Team als Folge starker Aufpralle, die von ihrer Nutzung als Pfeilspitzen herrührten. Winzige vulkanische Glaspartikel in der Fundschicht belegen demnach, dass das Areal um die Zeit der Toba-Eruption bewohnt war.
Nach diesem Ausbruch sei die Region deutlich trockener geworden, schließt die Gruppe unter anderem aus Sedimentuntersuchungen und aus Analysen des Zahnschmelzes von Tieren auf das Sauerstoff-Isotop 18. Dennoch konnten sich die Menschen gut versorgen, wie das Spektrum der in dem Areal gefundenen Tierreste belegt: Dazu zählen sowohl große Hornträger (Bovidae) wie etwa Antilopen als auch kleinere Tiere wie Affen, Nager, Kaninchen, Vögel, Schlangen, Eidechsen und Frösche.
Zudem stießen die Forschenden auf mehr als 200 Bruchstücke von Straußeneiern, die zum Verzehr gesammelt und erhitzt wurden. Noch bemerkenswerter ist die gefundene Vielfalt von Muschel- und Fisch-Überbleibseln - allein die Fische stammen aus acht Gattungen, darunter vor allem Raubwelse (Clarias).
Möglicherweise habe die ausgeprägte saisonale Trockenheit die Tierjagd sogar begünstigt, schreibt die Gruppe um Kappelman: Demnach konnten die damaligen Bewohner des Areals Fische leicht im flacheren Wasser oder an den wenigen verbliebenen Wasserlöchern fangen. Zudem konnten sie dort auch anderen Beutetieren auflauern, die zum Trinken kamen.
Reisewege weiter unklar
"SM1 war vor etwa 74.000 Jahren bewohnt. Kurz danach verbreitete sich eine kleine Gruppe moderner Menschen von Afrika aus, um den Rest der Welt zu besiedeln", schreibt die Gruppe um Kappelman. Im Gegensatz zu bisherigen Vermutungen, dazu müsse es feucht gewesen sein, habe damals wohl ein ausgesprochen trockenes Klima geherrscht. "Die SM1-Bewohner bewohnten die Tieflandgebiete am nordwestlichen Horn von Afrika während starker saisonaler Trockenheit und änderten als Reaktion auf die Auswirkungen der Toba-Supereruption vermutlich ihr Jagdverhalten", schreibt die Gruppe. "Angesichts dieses Umstands erscheint es unwahrscheinlich, dass eine trockene Phase ihre Ausbreitung verhindert hätte." Ganz im Gegenteil: "Tatsächlich könnten trockene Bedingungen eine Wanderung ausgelöst und erforderlich gemacht haben."
Das Verlassen von Afrika könnte entlang des Nils und nördlich am Roten Meer vorbei verlaufen sein, heißt es weiter, aber auch über die Meerenge Bab-el-Mandab am Horn von Afrika. Diese Meerenge, in der diverse Inseln liegen, ist zurzeit etwa 26 Kilometer breit und war damals möglicherweise deutlich schmäler oder lag sogar ganz trocken. (Walter Willems, dpa/sbi)
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