Wie wirkt sich der Klimawandel auf unsere Psyche aus? Und welche Folgen hat er für die Gesellschaft? Unter anderem diesen Fragen geht die Biopsychologin Dorothea Metzen nach. Im Interview erklärt sie, wie der Klimawandel bereits jetzt Einfluss auf unsere körperliche und psychische Gesundheit hat und worauf wir uns in Zukunft einstellen sollten.
Schon im Vorwort Ihres Buches "Die Psychologie und Neurowissenschaft der Klimakrise" schreiben Sie, dass die Auswirkungen der Klimakrise vom Gesundheitssystem unterschätzt werden. Können Sie das erklären?
Dorothea Metzen: Bei unserem Gesundheitssystem hat sich während der Covid-19-Pandemie gezeigt, dass es auf Notsituationen beziehungsweise auch akute Belastungen durch viele Patientinnen und Patienten nicht besonders gut vorbereitet ist. Dass die Mitarbeitenden sehr überlastet sind und teilweise Menschen auch nicht mehr auf Stationen aufgenommen werden können.
Es werden zwar Hitzeschutzpläne besprochen, aber die reichen meiner Meinung nach nicht aus. Es genügt nicht, älteren Menschen eine SMS zu schicken als Erinnerung, dass sie mehr trinken sollen. Man muss präventiv Geld in die Hand nehmen. Man kann zum Beispiel dafür sorgen, dass es in allen Städten gut erreichbar kühle Räume gibt, wo man sich öffentlich aufhalten kann, wo jeder rein kann. Und trotz allem muss man sich wahrscheinlich darauf einstellen, dass mehr Leute ins Krankenhaus kommen. Dann muss genug Personal da sein, um die Menschen möglichst schnell zu behandeln. Das zählt bei Hitze.
Was kommt noch dazu?
Wir müssen häufiger mit Katastrophen rechnen. Wir brauchen eine gute Versorgung nach Katastrophen, zum Beispiel nach einer Flut, aber müssen auch Krankenhäuser gegen Katastrophen absichern. Die Krankenhäuser sicherer gegen Naturkatastrophen zu machen, ist eine langfristige Aufgabe.
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Sie sprechen von Katastrophen und sie schreiben von der Klimakrise. Andere nennen es immer noch Klimawandel. Ist denn der Klimawandel jetzt schon eine Klimakrise?
Vor allem diesen Sommer hat sich doch gezeigt: Der Klimawandel ist jetzt schon eine Klimakrise. Das ist nicht etwas, das in der Zukunft liegt, sondern es ist jetzt hier. Der UN-Generalsekretär António Guterres hat es passend ausgedrückt: Wir sind nicht mehr in einem Zeitalter von globaler Erwärmung, sondern von globalem Kochen. Man sieht das an den verheerenden Waldbränden. Sie werden deutlich häufiger, deutlich intensiver. Man sieht es auch an extremen Hitzewellen, zum Beispiel in Ländern wie Indien, die besonders hart von der Klimakrise betroffen sind, wo es praktisch unmöglich ist, sich draußen aufzuhalten. Das ist auch in Ländern wie Spanien bereits der Fall. Dort wurden Hitzewarnungen ausgerufen.
Man kann deshalb sagen: Die Krise ist hier. Aber wir haben trotzdem noch sehr viel Handlungsspielraum, um diese Krise nicht eskalieren zu lassen.
Vor allem junge Menschen leiden unter Klimaangst
Sie beschreiben, dass sich die Klimakrise auf die Psyche auswirkt. Inwiefern hängt das miteinander zusammen? Seit 1950 hat es eine Temperaturerhöhung von 1,1 Grad gegeben, was sich gar nicht so viel anhört …
Es gibt verschiedene Arten, wie die Klimakrise unsere Psyche belastet. Direkte Auswirkungen entstehen zum Beispiel durch Hitzewellen, die sehr belastend sind. Man kann sich nicht mehr richtig konzentrieren, man schläft schlecht, man kann nicht mehr richtig arbeiten. Und möglicherweise ist man auch isoliert, weil man nicht mehr wirklich rausgehen und seine Familie und Freunde nicht besuchen kann. Andererseits gibt es auch Auswirkungen durch Naturkatastrophen, die posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen verursachen können.
Welche sind die indirekten Folgen?
Indirekte Folgen für die Psyche sind sehr verbreitet. Zum Beispiel machen sich viele, vor allem junge Menschen, große Sorgen um die Zukunft, weil diese so unsicher ist. Und das sind keine pathologischen Ängste, nicht vergleichbar mit einer pathologischen Höhenangst, die unbegründet ist. Es handelt sich um eine begründete Angst und die ist deswegen auch schwerer zu behandeln.
Gibt es neben der Psyche auch körperliche Auswirkungen?
Die Klimakrise oder generell die Biodiversitätskrise hat viele verschiedene Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Hitze kann bis zum Tod führen, zu Hitzeschlägen, zu Ohnmacht.
Es können aber auch Stromleitungen kaputtgehen oder Asphalt, was für Unfälle sorgt. Dinge, die den Klimawandel vorantreiben, haben auch einen anderen Einfluss auf unsere Gesundheit. Zum Beispiel Fahrzeuge, die mit fossilen Energien betrieben werden. Stichwort Luftverschmutzung. Sie führt auch zu gesundheitlichen Problemen. Je mehr Biodiversität wir verlieren, desto anfälliger ist die Menschheit auch für Pandemien.
Mehr psychologische Unterstützung aufgrund des Klimawandels
Dass es einen Klimawandel gibt, daran glauben nicht alle Menschen. Manche sprechen einfach von ein paar heißen Jahren. Was sagen Sie diesen Menschen?
Viele Menschen über 50 denken, dass sie die Folgen der Klimakrise nicht mehr spüren werden, aber das ist ein Fehlschluss. Das ist ein sehr wichtiger Faktor, der zu vermitteln ist. Es ist wichtig, zu appellieren, dass wir jetzt noch die Möglichkeit haben, etwas zu tun, um Katastrophen zu verhindern, und dass wir tatsächlich Menschenleben retten können.
Was raten Sie Menschen, die jetzt vielleicht schon merken, dass die Klimakrise sie psychisch belastet?
Es kann helfen, sich mit anderen Menschen auszutauschen, denen es ähnlich geht und die sich die gleichen Gedanken machen. Es ist wichtig, jemanden zu finden, der die Sorgen ernst nimmt. Es gibt lokale Gruppen oder Klimaschutz-Bewegungen. Nicht nur das Sprechen über die Sorgen, sondern auch Engagement kann dann zu einer erhöhten Selbstwirksamkeitsempfindung führen. Und dadurch können Dinge wie die Klimaangst reguliert werden. Und wenn das nicht hilft, gibt es auch die Möglichkeit, sich an Beratungsstellen zum Beispiel von Psychologists for Future zu wenden. Da kann man sowohl zu Einzelberatungen als auch zu Gruppengesprächen gehen.
Rechnen Sie damit, dass in Zukunft mehr Menschen diese Klimaangst haben?
Ich denke, genau das wird auf uns zukommen, dass mehr Menschen aufgrund der Klimakrise vor allem psychologische Unterstützung oder Angebote in Anspruch nehmen werden. Und da müssen wir uns dringend darauf vorbereiten. Es dauert jetzt schon sehr lange, einen Therapieplatz zu finden, vor allem für junge Leute.
Klimawandel geschieht schnell – Anpassung ist nicht möglich
Im Laufe der Evolution haben sich Menschen und Tiere weiterentwickelt und angepasst. Ist das denn nicht auch denkbar mit der Klimaerwärmung?
Evolution gab es natürlich immer und das Klima hat sich auch immer verändert. Es gibt Arten, die besonders anpassungsfähig sind, zum Beispiel Raben oder Ratten. Sehr spezifische Arten hingegen werden bestraft, wenn das Klima sich verändert, und sterben womöglich aus. Das Ding ist, dass Evolution über einen sehr, sehr langen Zeitraum passiert. Das ist eine Anpassung, die nicht innerhalb einer Generation erfolgen kann.
Wir können uns also gar nicht so schnell an eine Klimaveränderung anpassen, das müsste über viele Generationen erfolgen – wahrscheinlich über Tausende oder Millionen von Jahren. Aber die Veränderung des Klimas, die wir jetzt gerade sehen, passiert in einer Geschwindigkeit, die in der Erdgeschichte noch nicht vorgekommen ist. Die Veränderung des Klimas passiert mittlerweile innerhalb eines Menschenlebens. Und da kann keine Anpassung stattfinden.
Menschen leben weltweit jedoch in den verschiedensten Regionen …
Natürlich, wir können in Gegenden leben, in denen es -10 Grad hat oder in Regionen, in denen es im Schnitt 30 Grad warm ist. Aber ab einem gewissen Level ist das Limit unseres Gehirns erreicht. Unser Gehirn läuft auf einer Temperatur von ungefähr 37 bis 38 Grad. Wenn unser Gehirn heißer wird, wird es träge. Und wenn unser Gehirn eine Temperatur von 42 Grad erreicht hat, sterben wir. Das kennen wir alle vom Fieber.
Deswegen: Man kann sich ein bisschen an Hitze gewöhnen, wenn man zum Beispiel in ein heißeres Land zieht. Aber das, was die Klimakrise mit sich bringt, ist nicht etwas, an das wir uns anpassen könnten.
Sie hatten bereits gesagt, man sollte sich auf die steigenden Temperaturen vorbereiten. Unter anderem schlagen Sie kühle Räume vor, in denen Menschen an heißen Tagen Zuflucht finden. Was wäre noch nötig im Gesundheitsbereich?
Ganz besonders wichtig ist es, Pflegeheime vorzubereiten, da ältere Menschen häufig am meisten unter der Hitze leiden. Darum sollten Heime gut isoliert werden. Bei älteren Menschen, die alleine leben, sollte man ein Bewusstsein für die Gefahren schaffen – auch bei denjenigen, die sich um ältere Angehörige kümmern.
Was wir alle öfter machen sollten, um Stress zu verringern und uns wohlzufühlen, ist ein Waldspaziergang. Der fördert auch die kognitiven Fähigkeiten. In der Stadt bleiben stressregulierende Effekte aus. Deswegen sind Personen in Städten besonders davon betroffen, wenn wir Biodiversität verlieren, etwa wenn Parks Parkhäusern weichen müssen. Deshalb sollte man auch schauen, genug Grünflächen in Städten beizubehalten und zu schaffen.
Noch ein letzter Appell?
Noch können wir etwas machen – aber das Zeitfenster schließt sich schnell. Als Privatperson regional einzukaufen, weniger Fleisch zu essen und weniger zu fliegen, reicht leider nicht aus, um die Krise abzuwenden. Die Änderung muss auf einem gesamtgesellschaftlichen politischen Level stattfinden, wir brauchen strukturelle Änderungen.
Über die Gesprächspartnerin:
- Dorothea Metzen ist Doktorandin am Lehrstuhl für Biopsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. In Ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich mit den neurogenetischen Grundlagen von Intelligenz. Mit Prof. Dr. Sebastian Ocklenburg hat sie das Buch "Die Psychologie und Neurowissenschaft der Klimakrise" verfasst.
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