- In Berlin haben die Beratungen des Weltklimarats IPCC begonnen.
- Diskutiert wird über den neuen Sachstandsbericht zu den Folgen der Erderwärmung, den der Rat Ende des Monats vorlegen will.
- Der IPCC-Chef und die Organisation WWF geben düstere Prognosen ab, ein weiterer Experte sorgt sich um die psychische Gesundheit der Jugend.
Zum Auftakt zweiwöchiger Beratungen des Weltklimarats IPCC hat dessen Chef Hoesung Lee die Bedeutung des dabei diskutierten neuen Sachstandsberichts zu den Folgen der Erderwärmung betont. Der Bericht werde dringlich erwartet, "weil noch nie mehr auf dem Spiel stand" als jetzt, sagte Lee am Montag in einer Videoschaltung.
Die Auswirkungen des Klimawandels seien schon jetzt weit größer "als unsere Bemühungen, uns ihm anzupassen", warnte die Chefin des UN-Umweltprogramms (UNEP), Inger Andersen.
WWF erwartet düstere Ergebnisse
Auch die Umweltorganisation WWF blickt wenig optimistisch auf die Bestandsaufnahme des Weltklimarats. Laut WWF dürften dessen Ergebnisse düster ausfallen. Zu erwarten sei eine ernüchternde und schonungslose Bilanz der Forscher, erklärte die Klimaschutzexpertin Viviane Raddatz am Montag in Berlin.
"In vielen Teilen der Welt stehen Menschen und Ökosysteme heute schon mit dem Rücken zur Wand. Und auch vor unserer eigenen Haustür haben Dürresommer, Sturzfluten, Waldbrände, Hitzewellen und Hochwasserkatastrophen die Klimakrise so greifbar gemacht wie nie zuvor", sagte sie.
Werde der Abschied von den klimaschädlichen Energieträgern Kohle, Gas und Öl noch weiter hinausgezögert, drohe der Welt "ein verheerendes Klimachaos" mit immer heftigeren Extremwetterereignissen.
Raddatz forderte, zum Schutz der Lebensgrundlagen müsse der Klimaschutz ab sofort höchste Priorität haben. "Heißt: Raus aus Kohle, Öl und Gas - und zwar so schnell wie möglich." Um die Staatengemeinschaft hier auf Kurs zu bringen, müsse Deutschland auch seine G7-Präsidentschaft nutzen.
WMO-Generalsekretär zur Klimakrise: Jugend nicht zu viel Angst machen
Indessen fürchtet der Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO) die Folgen "apokalyptischer Ängste" für die psychische Gesundheit junger Leute. "Wir müssen vorsichtig sein, wie wir über die Ergebnisse der Wissenschaft berichten, über Kipppunkte, und ob wir über einen Kollaps der Biosphäre oder das Verschwinden der Menschheit sprechen", sagte Petteri Taalas am Montag.
"Wir müssen aufpassen, dass wir unter den jungen Menschen nicht zu viele Ängste auslösen", sagte Taalas. Er selbst ist nicht an dem Bericht beteiligt. Die WMO hatte den Weltklimarat 1988 aber zusammen mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet. Das IPCC-Sekretariat befindet sich bei der WMO in Genf.
Weltklimarat beschäftigt sich mit Folgen des Klimawandels für Natur, Mensch und Umwelt
Die zweiwöchige IPCC-Plenarsitzung findet offiziell in Berlin statt, wegen der Corona-Pandemie allerdings weitgehend virtuell. Dabei beraten Vertreter der 195 IPCC-Mitgliedstaaten abschließend über den zweiten Teil des Sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats.
Die Arbeitsgruppe II des IPCC hat darin die neuesten Erkenntnisse über die Folgen der Erderwärmung für Mensch und Natur, mögliche Anpassung an den Klimawandel und Risikoanalysen zusammengetragen. Der Bericht soll sich auch mit den Auswirkungen der Klimakrise auf die Psyche befassen.
Die Regierungsvertreter diskutieren die rund 30 bis 40 Seiten lange Kurzfassung des Berichts, die sich an politische Entscheidungsträger wendet, Zeile für Zeile und verabschieden schließlich den Text. Damit erkennen die Regierungen die wissenschaftlichen Erkenntnisse offiziell an. Der komplette Bericht soll am 28. Februar veröffentlicht werden.
IPCC veröffentlichte im August 2021 ersten Teil des Berichts
Der Weltklimarat ist ein UN-Gremium, deshalb werden seine Veröffentlichungen vorab von den Regierungen abgesegnet. Der IPCC betreibt keine eigene Forschung zum Klimawandel, sondern wertet tausende Studien aus und fasst die zentralen Erkenntnisse daraus zusammen.
Zu dem Kernteam, das den nun vorliegenden zweiten Teil des sechsten Sachstandsberichts verfasst hat, gehören rund 270 Wissenschaftler aus aller Welt, darunter 15 aus Deutschland. Der Meeresbiologe Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut ist Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II.
Der erste Teil des IPCC-Berichts war im vergangenen August veröffentlicht worden. Darin warnte der Weltklimarat vor einer deutlich rascheren globalen Erwärmung als bislang angenommen.
Die Erde werde sich bei der derzeitigen Entwicklung bereits gegen 2030 um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen - und damit zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert. Die Erderwärmung ist demnach "eindeutig" durch den Menschen verursacht. (dpa/afp/ari)
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