Um bis 2050 eine neutrale Klimabilanz zu erreichen, müssen Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 aus der Luft entfernt und gespeichert werden. Beton ist in der Lage, CO2 in festen Stein umzuwandeln. In der Schweiz wurde eine Technologie entwickelt, die in der Betonherstellung eingesetzt werden kann.
Eine neue Autobahnbrücke, der nächste Büroturm oder einfach benötigter Wohnraum - überall wird gebaut, bevorzugt mit Beton. So ist auch die weltweite Betonproduktion für sieben Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, etwa doppelt so viel wie die Luftfahrtindustrie. Gleichzeitig werden die für das Baumaterial benötigten Rohstoffe immer knapper. Um die wertvollen Ressourcen zu schützen, wird der Abbruch und Bauschutt aus abgerissenen Bauwerken wieder zerkleinert und kehrt als Recycling-Beton auf die Baustellen zurück.
Der Schweizer Verfahrenstechniker Johannes Tiefenthaler setzt noch einen drauf: Als Doktorand an der ETH Zürich hat er eine Technologie entwickelt, mit der der ressourcenschonende Recycling-Beton gleichzeitig auch das Klima schützen kann. Dafür nutzt er die altbekannte Tatsache, dass Beton unter feuchten Bedingungen gerne mit Kohlendioxid reagiert.
Im Bauwesen ist dieser Vorgang als Karbonatisierung bekannt. Durch die Bildung von Kalkstein wird der Beton hierbei mit der Zeit immer härter. "Den Prozess gibt es in der Theorie schon lange," erklärt Tiefenthaler. "Bislang wurde er aber in der Praxis nicht auf der großen Skala angewandt."
CCS: CO2 einfangen und speichern
Gemäß des Pariser Klimaabkommens haben sich die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, muss bis dahin der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid, also CO2, so weit wie möglich reduziert werden.
Dabei werden einige Emissionen, zum Beispiel aus der Landwirtschaft oder durch absterbende Pflanzen, weiterhin unvermeidbar bleiben. Um trotzdem eine neutrale Klimabilanz zu erreichen, braucht es sogenannte CO2-Senken. Damit sind Prozesse gemeint, die Treibhausgase einfangen und dauerhaft speichern, aus dem Englischen ist dafür der Begriff Carbon capture and storage (CCS) entstanden.
Im großen Stil wird CCS etwa in Island und Norwegen getestet. Forscher pumpen dabei das in Wasser gelöste Treibhausgas bis zu 1.000 Meter in die Tiefe. Die unterirdischen Gesteinsschichten enthalten Mineralien wie Magnesium, Kalzium und Eisen. Durch den Kontakt mit diesen Elementen verwandelt sich das Kohlendioxid innerhalb von zwei Jahren wieder zu Stein, es entstehen sogenannte Karbonate.
Unter normalen Bedingungen bleibt das versteinerte Kohlendioxid so für alle Zeiten im Untergrund gespeichert, langfristige Folgen sind noch nicht bekannt. Weil das Verfahren inklusive seiner Infrastruktur wie Transport und technische Anlagen bislang aber sehr energieintensiv ist, fällt die Klimabilanz noch nicht ausreichend positiv aus.
Biogas aus Abfallstoffen ist CO2-neutral
Für eine praktikable kurz- und mittelfristige Lösung gründete Johannes Tiefenthaler mit Valentin Gutknecht, der zuvor mit anderen CCS-Anlagen Erfahrungen gesammelt hat, 2019 im Schweizerischen Bern das Unternehmen "neustark". Das Prinzip ist simpel: Als Nebenprodukt in Biogasanlagen anfallendes Kohlendioxid wird von "neustark" abgefangen und verflüssigt. Tanklaster bringen es zum kooperierenden Recycling-Betonhersteller. Dort werden in einer Prozesskammer das wieder gasförmige CO2 mit dem verkleinerten Betongranulat gemischt. Dabei reagiert der im CO2 enthaltene Kohlenstoff auf der Oberfläche der Steinbrocken zu festem Kalkstein.
Anders als in Deutschland werden in der Schweiz keine Nutzpflanzen extra für die Biogas-Produktion angepflanzt. So muss keine zusätzliche Energie aufgebracht werden und keine landwirtschaftlichen Flächen werden für spezielle Biogas-Pflanzen zweckentfremdet. Es werden nur biogene Abfallstoffe wie Mist, Gülle oder Pflanzenreste genutzt, die in der Land- und Forstwirtschaft ohnehin anfallen. Ließe man die Biomasse ungenutzt verrotten, würde dabei über die Jahre ebenfalls CO2 entstehen. Biogas aus Abfallstoffen ist daher CO2-neutral.
"Unser Ziel ist die Entfernung von CO2 und zwar permanent. Da wir biogenes CO2 abfangen und in Beton speichern, werden Negativemissionen generiert," erklärt Sophie Dres von "neustark" das Prinzip der CO2-Senke. Würde CO2 aus der fossilen Verbrennung benutzt, wäre das ein Anreiz, mit einem klimaschädlichen Verhalten weiterzumachen. Derzeit speichert ein Kubikmeter Betongranulat in nur einer Stunde zirka zehn Kilogramm Kohlendioxid. Eine 20 Meter hohe Tanne nimmt pro Jahr etwa 20 Kilo CO2 auf.
2020 wurde die erste Pilotanlage von "neustark" in die Produktionslinie eines Betonwerks integriert. Inzwischen speichern verschiedene Betonproduzenten mithilfe der mobilen Anlagen CO2 und produzieren Recycling-Beton, der bei privaten und öffentlichen Bauprojekten zum Einsatz kommt.
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Um die Transportwege so kurz wie möglich zu halten, sind weitere Kooperationen, auch in den Niederlanden und in Berlin, geplant. Im Jahr 2030 sollen eine Megatonne CO2 gespeichert werden können. "Eigentlich ist der Beton nur ein Mittel zum Zweck. Durch die Verwendung von Recycling-Beton werden zugleich wertvolle Rohstoffe geschont," sagt Sophie Dres. Dass durch die Karbonatisierung zudem weniger Zement benötigt wird, senkt die Herstellungsenergie des Betons. Noch ein positiver Nebeneffekt, der der Klimabilanz zugutekommt.
Verwendete Quellen:
- Persönliches Gespräch mit Simone Dres, Head of Communications neustark AG
- TED Talk: Jan Wurzbacher von climeworks: The massive machines removing carbon from Earth's atmosphere
- Umweltbundesamt: Carbon Capture and Storage
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