Sie beherbergt ein steinernes Labyrinth, einen mathematischen Geheimcode, verzauberte Glasfenster und eine kostbare Reliquie: die Kathedrale Notre-Dame von Chartres in Frankreich. Wer die genialen Baumeister des gotischen Baus waren, ist genauso unbekannt wie die geheimnisvolle Kraft, welche die Kirche angeblich umgibt.

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Pilger betreten die Kathedrale durch das Königsportal und stehen sogleich vor einem riesigen Labyrinth. Es ist in den Boden eingelassen und aus 273 Steinplatten zusammengesetzt. Merkwürdiger Zufall oder Absicht: Genau die gleiche Anzahl von Tagen verbleibt ein Embryo normalerweise vor der Geburt im Bauch seiner Mutter.

Die Pilger in der Kathedrale müssen eine Strecke von 261,5 Metern bis zur Mitte des Labyrinths zurücklegen. Sich zu verirren ist unmöglich: Jeder, der am Startpunkt zu laufen beginnt, wird auch das Ziel erreichen. Das ist symbolisch gemeint: Die Menschen sollen verstehen, dass ihr Leben auf Erden bloß eine Vorbereitung für das im Himmel ist.

Über eine Million Pilger suchen die Kathedrale Notre-Dame von Chartres jährlich auf. Sie thront hoch auf einem Kalksteinhügel und gehört seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sie ist 113 Meter hoch, 130 Meter lang und 64 Meter breit und liegt 90 Kilometer südwestlich von Paris.

Das mächtige Gotteshaus hat den Ruf, Menschen in einen höheren, spirituellen Zustand zu versetzen. Aber nicht nur das Labyrinth trägt dazu bei und macht die Kirche einzigartig.

Meisterwerk erbaut von unbekanntem Baumeister

Gebaut wurde das Gotteshaus in einer Rekordzeit von nur 26 Jahren: von 1194 bis 1220. Vergleichbare Bauten entstanden in 60, 90 und mehr Jahren.

Das Gebäude wurde ohne Unterbrechung fertiggestellt, obwohl das Geld knapp war und die Baumeister keine modernen Hilfsmittel besaßen. Beinahe alle 10.000 Einwohner der Stadt spendeten viel Geld für den Bau – und halfen selbst mit.

Herausgekommen ist ein imposantes Meisterwerk der Hochgotik, das Vorbild für ähnliche Bauvorhaben in ganz Europa war. Der Aufbau ist geprägt von besonderen Zahlenverhältnissen.

Der Grundriss basiert vermutlich auf dem Prinzip des Goldenen Schnitts. Die Entfernungen zwischen den einzelnen Säulen, die Länge des Mittelschiffs und der Querschiffe sowie des Chors sind alle ein Vielfaches derselben Zahl.

Auffällig sind außerdem drei immer wiederkehrende Formen: Kreis, Quadrat und Dreieck. Im Mittelalter galten diese als besonders harmonisch. Im Fundament der Kirche sollen sie ein Abbild des Himmels darstellen.

Wer hinter den beeindruckenden und heute leider verschollenen Bauplänen steckt, bleibt ein Mysterium. Einer Legende zufolge sind die Tempelritter dafür verantwortlich. Sie sollen in Jerusalem das geheime Göttliche Gesetz entdeckt haben, das angeblich die Prinzipien der "heiligen Geometrie" enthält.

Seit Jahrhunderten ein magischer Ort

Die Kathedrale ist das sechste Großbauwerk auf dem Hügel von Chartres. Seit dem 4. Jahrhundert bauten Christen hier Gebetshäuser, die alle vom Feuer zerstört wurden.

Doch schon viel früher war der Ort für seine Magie bekannt und wurde verehrt. Wahrscheinlich waren es die Kelten, die im Inneren des Hügels einen Brunnen sowie eine kleine Kammer als Kraftort anlegten. Heiden sammelten hier neue Lebensenergie.

Später gründeten gallische und britische Priester in Chartres eine einflussreiche Druidenakademie. Das heutige Gebäude wurde auf den Grundmauern und der Unterkirche der fünften Kathedrale gebaut.

Ungewöhnlich ist auch die Ausrichtung in südwestlich-nordöstlicher Richtung. Üblich war es, Kirchen west-östlich auszurichten. Ebenfalls kurios ist, wie der alte Brunnen in den Bau integriert wurde. Genau 37 Meter über dessen Wasserspiegel liegt heute das heilige Zentrum der Kathedrale. Und wieder 37 Meter darüber befindet sich die Spitze der Gewölbedecke. Ein Zufall?

Eine rätselhafte Steinplatte

Es existiert ein weiterer Fleck in der Kirche, den jemand ganz bewusst so gestaltet haben muss. Im Westgang des südlichen Querschiffs ist eine Steinplatte zu finden, die das Muster der anderen, ordentlich verlegten Steine sprengt.

Sie ist heller, größer, liegt schräg zu den anderen Steinen und in ihr steckt ein seltsamer goldener Metallzapfen. Richtig mysteriös wird es alle zwölf Monate am längsten Tag des Jahres. Zur Mittagszeit des 21. Juni scheint ein Sonnenstrahl durch das einzige ungefärbte Glasteil der Fenster direkt auf den goldenen Zapfen.

Fest steht, dass hier Astronom, Steinmetz, Glaser und Vermessungsexperte zusammengearbeitet haben müssen. Zu welchem Zweck? Das bleibt rätselhaft.

Magische Glasfenster nach Geheimrezept

Auch andere Fenster bergen ein Geheimnis: Besucher der Kathedrale wundern sich über die Kraft des Lichts im Inneren. Egal ob draußen die Sonne strahlt oder der Himmel bewölkt ist, es fließt immer dieselbe Menge an Licht in das riesige Bauwerk.

Atemberaubend ist auch dieser Effekt: Wenn die Sonnenstrahlen auf die unzähligen, bunten Glasstücke in den Fenstern treffen, erglühen diese selbst wie Edelsteine.

Die Handwerker von damals fügten dem Glas Asche, Sand und Kobalt hinzu. So entwickelten sie auch eine neue, reine Farbe: das Chartres-Blau. Ihre genaue Rezeptur nahmen sie jedoch mit ins Grab.

Die Tunika der Jungfrau Maria

Eins der berühmtesten Fenster trägt den Namen "Unser lieben Frau des Schönen Glases". Darin ist die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind auf dem Schoß abgebildet.

In der Kathedrale soll einst ein wertvoller Schatz gelagert worden sein: die Tunika, die Maria bei Jesu‘ Geburt getragen haben soll. 876 hatte König Karl der Kahle die Reliquie angeblich in die Gegend gebracht.

Als die Kirche 1194 brannte, glaubten die Bürger, Gott wolle sie für ihre Sünden bestrafen. Doch wie aus dem Nichts tauchte das heilige Hemd unversehrt wieder auf.

Mönche hatten es vor dem Inferno gerettet und in der Krypta unter der Kathedrale sicher verwahrt. Die Menschen von Chartres deuteten das als Wunder und Zeichen der Jungfrau Maria, mit dem Wiederaufbau der Kathedrale zu beginnen.

Das damals entstandene Gebäude ist bis heute erhalten – mitsamt eines Teils der berühmten, angeblich .2000 Jahre alten Tunika Marias.

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