Die Hoffnung schwindet, dass der nasse Frühling dem Borkenkäfer wirklich zugesetzt hat. Die Schädlinge vermehren sich rasant, und das ist zu einem großen Problem geworden.

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In den vergangenen Jahren hat er bereits Milliardenschäden angerichtet, nun ist der Borkenkäfer wieder auf dem Vormarsch, wie unter anderem aus vielen Orten in Bayern gemeldet wird. Das kühle und nasse Frühjahr habe nicht wie gehofft Entspannung gebracht, sagt Andreas Hahn, der bei der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising für Waldschutz zuständig ist: "Es ist mindestens so angespannt wie in den Vorjahren."

Im Naturpark Arnsberger Wald in NRW hat der Wind tote Fichten umgeweht. Über 70 Prozent sind erkrankt oder beschädigt, meist durch den Borkenkäfer. © picture alliance / Jochen Tack/Jochen Tack
  • Die Gefahr durch Borkenkäfer: Sie legen unter der Rinde ihre Eier ab. Schlüpfen die Larven, fressen sie dort die wichtigsten Schichten des Baumes und zerstören so seine Lebensadern. Die Tiere profitieren von der Klimaerwärmung: Früher gab es laut Hahn pro Jahr durchschnittlich 1,5 Käfer-Generationen. Nun seien es zwei bis drei. Gleichzeitig litten die Bäume unter der Trockenheit und könnten einen Borkenkäfer-Befall dadurch schlechter überstehen. Die Schäden sind immens, 2022 mussten massenhaft befallene Bäume gefällt werden.

Bäume wegen Insektenbefalls gefällt: Viermal so viele wie vor zehn Jahren

2022 rechnete das Statistische Bundesamt vor, dass Insektenschäden für vier Fünftel (81,4 Prozent) des Einschlags von Schadholz in heimischen Wäldern verantwortlich seien. Dies sei ein neuer Höchstwert und bedeute eine Vervierfachung binnen zehn Jahren. Als Schadholz werden Bäume bezeichnet, die vorzeitig gefällt werden, zum Beispiel weil sie krank sind, von Schädlingen befallen oder vom Sturm abgeknickt wurden.

Insgesamt wurden 2022 in deutschen Wäldern wegen Waldschäden 50,5 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen. Insektenschäden waren dabei für 41,1 Millionen Kubikmeter Schadholz verantwortlich. Betroffen waren fast ausschließlich Nadelbäume wie Fichten, Tannen oder Kiefern.

Wachstum gigantisch: Ein Borkenkäfer-Weibchen hat seit Mai bis zu 300 Eier abgelegt

Die erste Käfer-Generation des Jahres sei dabei auszuschwärmen, um die Rinde neuer Bäume anzubohren und zahlreiche Eier abzulegen. "Je wärmer, desto schneller entwickeln sie sich", erläutert Hahn. Betroffen sind vor allem Franken und Teile von Niederbayern, wie das Borkenkäfer-Monitoring der LWF zeigt. Aus Daten von Borkenkäfer-Fallen und ausgelegten Bruthölzern können Waldbesitzer ablesen, wie oft sie ihre Bäume kontrollieren sollten.

Auch im Süden Bayerns seien an zwei Drittel der Standorte auffallend viele Borkenkäfer der Art Buchdrucker in die Fallen gegangen. Dabei handelt es sich um Käfer aus dem vergangenen Jahr, die die Winter überlebt haben. Diese konnten dem Experten zufolge seit Mai zweimal Eier ablegen - jeweils 80 bis 150 Stück pro Weibchen. Und deren Nachwuchs lege nun erneut Eier - ein exponentielles Wachstum.

Sorge um Wald: Borkenkäfer sogar in höheren Gebirgsregionen

Auch andere Bundesländer schlagen Alarm: "In den noch grünen Harzer Forstrevieren sind die Alarmstufen auf Rot geschaltet und wir fahren die Bekämpfungsmaßnahmen hoch", berichtet eine junge Försterin aus Niedersachsen in einer Pressemitteilung. Im Harz zerstörte insbesondere der Buchdrucker (Käferart aus der Unterfamilie der Borkenkäfer) in den vergangenen sechs Jahren rund 80 Prozent der Fichtenwälder.

In großer Sorge sind Sachsens Forstleute und Waldbesitzer, wo der Borkenkäfer sich zunehmend auch in höheren Lagen ausbreitet. Bisher seien vorwiegend das Berg- und Hügelland bis 400 Meter sowie mittlere Lagen bis 600 Meter etwa in Ostsachsen, der Oberlausitz, dem Zittauer Gebirge und der Sächsischen Schweiz betroffen gewesen, sagt Sachsenforst-Sprecher Renke Coordes. Jetzt würden verstärkt auch Schäden in Mittelgebirgsregionen über 600 Metern im Vogtland und dem Westerzgebirge gemeldet.

Aktuelle Schäden auf "historisch hohem Niveau"

Seit rund fünf Jahren haben Sachsens Wälder immer größere Mühe, der massenhaften Verbreitung dieser Schädlinge zu trotzen. Trotz eines Rückgangs im vergangenen Jahr bewegten sich die aktuellen Schäden weiter "auf einem historisch hohen Niveau", betonte Coordes. In einigen Regionen seien die Schäden zuletzt auch deshalb geringer gewesen, weil die gefährdeten Bäume - vor allem Fichten - schon mehrheitlich abgestorben seien.

Zu Jahresbeginn waren die Bedingungen den Experten zufolge zunächst günstig, um dem Borkenkäfer Einhalt zu gebieten. Doch nach reichlich Niederschlag im März und April hat der trockene Mai bei den Bäumen zu Trockenstress geführt und sie erheblich geschwächt.

Eine genauere Prognose zur Entwicklung der Schäden in diesem Jahr sei noch nicht möglich. Es hänge maßgeblich von der weiteren Witterung und der Effektivität der Gegenmaßnahmen ab, erklärte Coordes: "Ein trocken-heißer Sommer kann bei den hohen Populationsdichten der Borkenkäfer dazu führen, dass die Schadholzzahlen wieder steigen." Waldbesitzer seien aufgerufen, ihre Wälder jetzt auf frischen Befall zu kontrollieren und betroffene Stämme rasch aus den Wäldern zu holen oder unschädlich zu machen. (af)

Verwendete Quellen:

  • dpa
  • Niedersächsische Landesforsten
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