Die Erdoberfläche ist zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt. Dennoch wissen wir noch nicht viel über den Lebensraum, der in einigen Jahren durchaus auch für den Menschen interessant sein könnte. Erste Forschungsergebnisse beweisen: Ein Leben auf dem Grund des Meeres wäre tatsächlich möglich.
Im April 2010 konnte man im Legoland Deutschland etwas Besonderes erleben: Der australische Meeresbiologe Llyod Godson ließ sich in einem vier Quadratmeter großen Container in ein Aquarium sperren und verbrachte die folgenden 14 Tage unter Wasser.
Der "Unterwassermensch" war eine spannende Attraktion – und zeigte auf, woran Forscher bereits seit den 1960er-Jahren arbeiten: Sie wollen den "achten Kontinent" als neuen Lebensraum für den Menschen erobern.
Teststationen als Übung für das Leben unter Wasser
Die Idee ist also gar nicht so neu: Im Jahr 1964 wurden im "Sealab I", einer Unterwasserstation vor den Bahamas, in 60 Metern Tiefe US-Marines stationiert – Ende der 1960er-Jahre sogar in 180 Metern vor der Küste Kaliforniens. Die Taucher arbeiteten in Räumlichkeiten unter Wasser.
Der Zugang zur Kapsel sowie auch zum Meer erfolgte ohne Druckausgleich, da der Innen- und Außendruck einander entsprachen. Aus diesen Versuchen heraus entwickelte sich die greifbare Idee, für eine längere Zeit unter der Wasseroberfläche zu bleiben.
Anfang der 1990er-Jahre arbeiteten Mitarbeiter der US-Behörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) bereits bis zu zwei Wochen in mehr als 20 Metern Tiefe in einem Labor vor der Küste Floridas, der "Aquarius Reef Base".
Etwa zur selben Zeit wurden in einer Druckkammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Tauchgänge in bis zu 615 Meter Tiefe simuliert. Doch nicht nur staatliche Behörden sind an einer neuen Nutzungsweise der Meere interessiert, sondern auch die Wissenschaft.
Mobil oder stationär: Der Ozean soll neues Zuhause werden
Jaques Rougerie, ein Architekt aus Frankreich, visioniert seit 40 Jahren vom Leben unter Wasser - allerdings nicht mit einer starren Festung, sondern vielmehr einer Art schwimmender Raumstation: Der "SeaOrbiter" soll Forschern Einblicke in die Tiefen der Ozeane und ihre Bewohner ermöglichen.
Doch für lange Tauchgänge oder gar wochenlange Forschungen ist diese Station mangels der dafür notwendigen Sauerstoffversorgung nicht geeignet. Aufgrund seiner Komplexität befindet sich der "SeaOrbiter" daher gegenwärtig noch immer, statt wie ursprünglich angedacht bereits im Einsatz, in der Planungsphase.
Die japanische Baufirma Shimizu plant etwas noch weitaus Größeres, dadurch aber auch Dauerhaftes: In der Unterwassersiedlung "Ocean Spirals" sollen 5.000 Menschen in einer riesigen Glaskuppel leben, arbeiten und shoppen. Auch alles, was zum Leben und Überleben nötig ist, soll ohne Abhängigkeiten zum Festland aus dem Meer gewonnen werden - Lebensmittel und Trinkwasser ebenso wie Sauerstoff und Energieressourcen.
Das Meer birgt noch viele Geheimnisse
Schon länger wird nach neuen Energiequellen gesucht, die als Alternative oder zumindest Ergänzung zu Erdöl, Kohle und Erdgas dienen können. Methanhydrate sind ein fossiler Brennstoff und somit mögliche Ersatz-Kandidaten: Sie lagern ausschließlich in großen Tiefen, wo das Wasser besonders kalt und der Druck besonders hoch ist.
Bevorzugt kommen Methanhydrate an den Rändern der Kontinentalplatten vor, wo diese in die Tiefsee übergehen. Mehr als eine Million noch unentdeckter Arten sollen ebenfalls dienlich sein bei der rauschenden Zukunftsplanung: Manche könnten als Grundstoffe für neue Medikamente dienen, von anderen lernen wir möglicherweise schon bald, wie man mit Sauerstoffmangel oder niedrigen Temperaturen auf Dauer zurechtkommt.
Doch die Ozeane stellen den Menschen trotz aller Visionen vor gravierende Hindernisse: Der Meeresboden liegt durchschnittlich 3.800 Meter unter dem Meeresspiegel, an vielen Stellen sind es mehr als 10.000 Meter. In dieser Tiefe ist man nicht nur eisiger Kälte und Finsternis ausgesetzt, sondern auch einem Wasserdruck von 1.000 Bar.
So erstaunlich die Pläne für eine Zukunft unter Wasser auch sind und wie weit der wissenschaftliche Fortschritt diese auch befürwortet und untermauert: Unter den gegebenen Umständen einen dauerhaften Lebensraum für den Menschen zu schaffen, ist derzeit sowohl materialtechnisch, logistisch als auch finanziell nicht umsetzbar.
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