Greifswald - Entwässert, abgetorft, bebaut: Heimische Moore sind inzwischen zu rund 95 Prozent zerstört. Auf vielen Moorflächen wird seit langem Landwirtschaft betrieben oder es wurden Wälder aufgeforstet. Dabei bieten die Feuchtgebiete nicht nur wichtige Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Im Klimaschutz haben Moore als Kohlenstoffspeicher große Bedeutung. Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Trockengelegte Moore geben große Mengen Treibhausgase frei.

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Mit dem UN-Welttag der Feuchtgebiete soll jährlich am 2. Februar auf die große Bedeutung von Mooren im Natur- und Klimaschutz aufmerksam gemacht werden. Nach der Überzeugung von Experten sind Feuchtgebiete die am stärksten bedrohten Ökosysteme der Erde. Ein Beispiel ist das Rote Moor in der hessischen Rhön, wo jahrzehntelang Torf abgebaut wurde. Im Sommer 2023 startete in dem Hochmoor ein Projekt zur Wiedervernässung.

Aus abgestorbenem Pflanzenmaterial bildet sich meterdicker Torf

"Wir haben in Deutschland ganz viele Moorflächen, die gar nicht sichtbar sind, weil auf dem Grünland etwa Kühe weiden, Bäume wachsen oder Häuser und Straßen gebaut wurden", sagt Sabine Wichmann, Moorexpertin der Universität Greifswald. "Erst wenn man in den Boden guckt, erkennt man, das ist Torfboden, das ist ein Moor." Aufgrund von Sauerstoffmangel wurde abgestorbenes Pflanzenmaterial im nassen Moor nicht komplett zersetzt und konnte zu teils meterdicken Torfschichten anwachsen.

Moorschutz ist effektiver Ansatz im Klimaschutz

Mit einer Entwässerung kann Sauerstoff eindringen. Der Kohlenstoff, der dort über Jahrtausende der Atmosphäre entzogen und gespeichert wurde, reagiert mit diesem Sauerstoff und wird als Treibhausgas Kohlendioxid freigesetzt. "Ungefähr sieben Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen stammen allein aus entwässerten Moorflächen", sagt Wichmann.

Welttag der Feuchtgebiete
Im Roten Moor ist 2023 ein Projekt zur Wiedervernässung und Renaturierung angelaufen (Archivbild). © dpa / dpa

Bezogen auf die Landwirtschaft bedeute das: Ungefähr sieben Prozent der genutzten Flächen sind Moorböden, diese Areale sind jedoch für über 40 Prozent der Treibhausgas-Emissionen der Sparte verantwortlich. "Das ist ein großer Hebel, um sehr effizient auf einer begrenzten Fläche einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten", ist Wichmann überzeugt. Dafür müssten die Entwässerung gestoppt und die Wasserstände wieder angehoben werden.

Experte: Es werden viel zu wenig Flächen wiedervernässt

Nach Einschätzung des Moor-Experten Felix Grützmacher wird in Deutschland viel zu wenig für den Moorschutz getan. Auf dem Weg zur Klimaneutralität müssten 50.000 Hektar pro Jahr wiedervernässt werden, rechnet der Referent des Naturschutzbundes (Nabu) vor. In den vergangenen Jahrzehnten seien es aber insgesamt lediglich 70.000 Hektar gewesen. Bleibt Deutschland unter der Zielmarke, müssten die notwendigen Emissionseinsparungen an anderer Stelle kompensiert werden.

Schilf und Rohrkolben sind typische Paludikulturen

Als eine Möglichkeit, Landwirtschaft und Moorschutz zu vereinen, gelten sogenannte Paludikulturen. Dabei werden auf wiedervernässten Flächen spezielle Pflanzen angebaut. Grundsätzlich geeignet für Paludikulturen seien klassische heimische Feuchtgebietspflanzen, erklärt Wichmann. Dazu zählt Schilf, das vor allem im Norden Deutschlands bei Häusern mit Reetdach zum Einsatz kommt.

Auch der Rohrkolben - umgangssprachlich unter anderem Lampenputzer, Kanonenputzer oder Schlotfeger genannt - eigne sich zum Anbau in Paludikultur, sagt Wichmann. "Wir haben zum Beispiel seit drei Jahren eine Kooperation mit einem britischen Start-up, das die Samenfasern des Kolbens als Daunenersatz für Jacken einsetzt", erläutert die Expertin. Die restliche Pflanze könne als Baumaterial und Dämmstoff für Gebäude verwendet werden. Biomasse von Nasswiesen werde außerdem bereits zu Papier und Verpackungen verarbeitet.

Torfmoose können Torf im Gartenbau ersetzen

In nährstoffärmeren, saureren Hochmooren könnten Torfmoose kultiviert werden, die im professionellen Gartenbau als Torfersatz dienen. "Torfmoose haben ganz ähnliche physikalische und chemische Eigenschaften wie Torf", erklärt Wichmann. Torfmoose etwa aus Chile und Neuseeland werden bislang unter anderem in der Orchideenkultur oder für Terrarien eingesetzt und weltweit gehandelt.

Ob sich ein Einstieg in die Paludikultur für einen landwirtschaftlichen Betrieb lohnt, müsse für jeden Hof individuell beurteilt werden, sagt Wichmann. Um auf nassen Wiesen etwas anzubauen, seien meist nicht nur Maschinen mit breiteren Reifen nötig, sondern - etwa für die Ernte von Rohrkolben oder Schilf - Spezialtechnik. "Es ist eben auch Neuland für die Höfe", gibt die Expertin zu bedenken. Die Kulturen benötigten neues Know-how und neue Verwertungswege.

Mehrere Projekte erproben Anbau auf nassen Flächen

Inzwischen gebe es zwar deutschlandweit mehrere Projekte zur Bewirtschaftung nasser Wiesen, zum Anbau von Paludikulturen oder auch zur Kombination von Photovoltaikanlagen mit wiedervernässten Mooren, aber es würden noch nicht viele Tausend Hektar in der Praxis umgesetzt. Wichmann mahnt, dass es zur Abschwächung des Klimawandels "eine enorme Reduzierung von Treibhausgasen geben muss". Nasse Moore spielten dabei für den natürlichen Klimaschutz eine ganz entscheidende Rolle.  © Deutsche Presse-Agentur

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