"Igitt" oder "Das brennt aber!" - so reagieren viele Menschen, wenn sie beim Baden Kontakt mit harmlosen Ohrenquallen oder fiesen Feuerquallen haben. In diesem Jahr sind in der Ostsee besonders viele und ungewöhnlich große Quallen unterwegs. Eine Expertin nennt Gründe.

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Sie haben sich in diesem Jahr in großen Mengen viel früher als sonst in der Ostsee ausgebreitet und sie sind besonders groß: Quallen.

"Dies ist ein sehr gutes Quallenjahr", sagte die biologische Ozeanographin Cornelia Jaspers der Deutschen Presse-Agentur. "Vor drei Wochen haben wir speziell in der Eckernförder Bucht ein sehr dichtes Aufkommen an Ohrenquallen, vereinzelten Feuerquallen und eingeschleppten Rippenquallen beobachtet." Letztere tauchten hier normalerweise im Spätsommer auf, in diesem Jahr aber schon im Mai.

"Im Winter ist sehr viel salzreiches Wasser aus der Nordsee und dem Kattegat in die südwestliche Ostsee geströmt", erläuterte Jaspers, die am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und an der Technischen Universität in Kopenhagen forscht. Der hohe Salzgehalt habe offenkundig zu dem starken Aufkommen der Rippenqualle geführt, die 2006 erstmals in diesen Regionen beobachtet worden war. "Bei niedrigem Salzgehalt kann sich die Rippenqualle Mnemiopsis leidyi, zu Deutsch Meerwalnuss, nicht fortpflanzen." Diese Qualle ist nicht giftig und damit für den Menschen ungefährlich - aber sie frisst heimischen Fischen Nahrung weg.

Warmer Winter fördert Quallenbestand

Zudem habe der warme Winter den Bestand der Rippen- und auch der heimischen Ohrenquallen gefördert, sagte Jaspers. Statt zwei bis drei Grad - wie sonst in den vergangenen 40 Jahren - sei das Wasser diesmal um die fünf Grad warm gewesen. Weil Quallen auch im Meer treibende Organismen (Zooplankton) fressen, können sie zudem zu Sauerstoffschwund beitragen.

Die eingeschleppte Rippenqualle war drei Jahre lang, von 2011 bis 2013 nach strengen Wintern, aus der Ostsee verschwunden und 2014 nach einem sehr milden Winter wiedergekommen, mit dem salzreichen Wasser aus der Nordsee.

Und was macht eigentlich die Qualle namens Blackfordia virginica, die 2014 erstmals im Nord-Ostsee-Kanal gesichtet wurde? "Wir haben sie dort wieder zahlreich und auch früher als sonst beobachtet", berichtete Jaspers. Die Brackwasser liebende Quallenart könne auch gut mit einem niedrigen Salzgehalt leben und folglich ein zusätzlicher Nahrungskonkurrent für Fische in der Ostsee werden, wenn sie sich dort etablieren sollte, und damit zu einem echten Problem. "Bisher haben wir die Blackfordia nur sporadisch in der Kieler Bucht entdeckt", schilderte Jaspers. Mehr zum aktuellen Verbreitungsgebiet soll eine Expedition im September klären.

"Quallen gehören zum normalen Leben dazu", sagte Jaspers über die Meerestiere, die bei Urlaubern nicht gerade beliebt sind und von denen einige Arten auch sehr giftig und gefährlich für den Menschen sind. "Es gibt sie ja schon seit 550 Millionen Jahren, das sind sehr ursprüngliche Lebewesen." Der vom Aussterben bedrohte Europäische Aal zum Beispiel sei im Sargassomeer davon abhängig, Quallen zu fressen. "Welche Schlüsselrolle Quallen insgesamt im Ökosystem haben, ist eine spannende Frage, die noch weitgehend ungelöst ist."  © dpa

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