Der Tapanuli-Orang-Utan ist der seltenste Menschenaffe der Welt und vom Aussterben bedroht. Ausgerechnet in seiner Heimat auf Sumatra wird jetzt mit chinesischem Geld Staudamm gebaut. Umweltschützer sind entsetzt: Das sei der "Super-GAU für die Orang-Utans".

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Man muss schon sehr viel Glück haben, um einen Tapanuli-Orang-Utan zu Gesicht bekommen. Nicht nur, weil das die seltenste Menschenaffen-Art ist, die es auf der Welt gibt. Zudem sind die Orang-Utans von Tapanuli - einer Provinz im Nordwesten der indonesischen Insel Sumatra - extrem scheu. Man kann dort im Regenwald tagelang unterwegs sein, ohne auch nur ein einziges der vielleicht noch 800 Exemplare zu sehen.

Umweltschützer fürchten, dass das in Zukunft noch schwieriger und bald ganz unmöglich sein wird. Ausgerechnet hier in den Bergen soll mit chinesischem Geld ein riesiger Staudamm gebaut werden.

Das 1,4 Milliarden Euro teure Kraftwerk gehört zum Mammutplan für Chinas "neue Seidenstraße" - ein Netz von Handelsverbindungen, das weit über die Volksrepublik hinausreicht. Das Todesurteil für die ohnehin schon vom Aussterben bedrohten Menschenaffen von Tapanuli?

Zwei neue Gefahren

Aus Sicht von Tierschützern birgt der Staudamm für den Pongo tapanuliensis - so der wissenschaftliche Name - zwei neue Gefahren. Zum einen wird der Lebensraum, der durch Bergwerke und Palmölplantagen ohnehin zusammengeschrumpft ist, noch kleiner. Von derzeit noch knapp 1.000 Quadratkilometern - etwas mehr als die Stadt Berlin - würden 100 überflutet. Weitere Gebiete würden für Straßen, Leitungen und verschiedenste sonstige Bauten gerodet.

Vor allem aber, so die Sorge der Umweltschützer, würde der Damm eine Schneise durch den Regenwald schlagen und die einzelnen Populationen der wenigen Orang-Utans voneinander trennen. Eric Meijaard von der Organisation Borneo Futures sagt: "Das ist, als ob man eine neue Berliner Mauer bauen würde, wo niemand mehr durchkommt." Die Indonesien-Expertin Carola Wehr vom WWF Deutschland nennt den aktuell geplanten Standort den "Super-GAU für die Orang-Utans".

Art erst 2017 entdeckt

Trotz der vielen Proteste hat der chinesische Energieriese Sinohydro mit den Arbeiten längst begonnen. Die Fertigstellung ist für 2022 geplant.

Der indonesische Konzern NSHE - mehrheitlich in chinesischem Besitz - hält die Sorgen für unbegründet. Nach seinen Berechnungen werden für den Damm lediglich 0,07 Prozent der Orang-Utan-Heimat geopfert. Sprecher Agus Djoko Ismanto sagt, dort seien nur "zwischen drei und sieben" Tapanuli-Affen zuhause.

Dass es diese Orang-Utan-Art überhaupt gibt, ist erst seit vergangenem Jahr bekannt. Bislang hatte man die Tiere im Regenwald von Batang Toru für normale Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii) gehalten.

Ende 2017 entdeckte ein internationales Forscherteam, dass es sich bei der Gruppe, die von den anderen Orang Utans der Insel isoliert lebt, um eine eigene Art handelt. Ihr Schädel ist kleiner, die Zähne enger, die Augen schmaler.

Insgesamt, so schätzt man, gibt es auf den beiden Inseln Borneo und Sumatra noch zwischen 70.000 und 100.000 Orang-Utans - zu deutsch Waldmenschen.

In Indonesien, wo nächstes Jahr Präsidentenwahl ist, ist die Sache nun zum Politikum geworden. Orang-Utans gehören international zu den großen Sympathieträgern des Landes. Der riesige Inselstaat mit seinen mehr als 250 Millionen Einwohnern ist für die weitere Entwicklung aber auch auf zusätzliche Energie angewiesen.

Staatschef Widodo von Seidenstraße begeistert

Staatschef Joko Widodo lobt die Initiative für eine "neue Seidenstraße" immer wieder. "Das ist nicht nur Gerede, sondern da wird wirklich etwas gebaut. Das ist genau die Art von Mut und Handeln, die die Welt jetzt braucht."

Aktuell ist China in verschiedenen indonesischen Provinzen an der Finanzierung von Kraftwerken, Straßen, Häfen und Industrieanlagen im Gesamtwert von annähernd 50 Milliarden Euro beteiligt.

Trotzdem hoffen Umweltschützer noch, dass die Regierung für einen anderen Standort sorgt. Mit einem offenen Brief appellierte eine "Allianz von führenden Umweltforschern und -denkern" (Alert) an den Präsidenten, die Heimat des Tapanuli-Orang-Utans unter Schutz zu stellen. Die Hoffnung gründet sich darauf, dass ein kleinerer Teil davon bereits 2014 zum Schutzwald deklariert wurde, weil er als Wasserspeicher überlebenswichtig ist.

Aber selbst wenn der Staudamm doch noch anderswo gebaut werden sollte, hieße das nicht, dass die seltenste Art der Menschenaffen überleben wird.

Das Forscherteam, das den Tapanuli-Orang-Utan entdeckte, hat ausgerechnet, dass bereits bei einer Sterblichkeitsrate von einem Prozent das Überleben nicht mehr gesichert ist. Das heißt: Sterben von 800 Tieren jedes Jahr nur acht, wird es den Tapanuli-Orang-Utan vermutlich bald nicht mehr geben.  © dpa

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