Immer wieder stoßen in Südasien Menschen und Wildtiere aufeinander - auch mit tödlichen Folgen. Mehr Siedlungen verschlimmern das Problem. Regierungen und Aktivisten versuchen, beiden Seiten zu helfen.

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Als sie den Tiger in ihrem Dorf sahen, griffen die Anwohner zu allem, was sie finden konnten. Mit Stöcken, Kricket-Schlägern und Steinen gingen sie auf die Raubkatze los. Die Situation eskalierte schnell. Das wilde Tier verletzte fünf Anwohner und vier Polizisten, bis die Beamten das Tier schließlich erschossen.

Die Schilderungen der Polizei im südnepalesischen Distrikt Parsa klingen wie eine Szene aus einem indischen Bollywood-Film. Doch zuletzt häuften sich Zusammenstöße zwischen Menschen und wildlebenden Tieren - vor allem in Nepal, aber auch im Nachbarland Indien. Regierungen und Aktivisten wollen nun den Konflikt zwischen Tieren und Menschen entschärfen.

Ein Leopard in der Millionenstadt

Für besonders große Aufregung sorgten im vergangenen Jahr mehrere Vorfälle, bei denen sich jeweils ein Leopard bis in die nepalesische Hauptstadt Kathmandu verirrt hatte. Die Polizei jagte die Tiere, stoppte sie mit Hilfe von Betäubungspfeilen und brachte sie anschließend wieder in einen nahe gelegenen Nationalpark.

Weniger glimpflich gingen andere Vorfälle aus. Ob Elefanten, Panzernashörner, Leoparden, Löwen oder eben Tiger - all diesen Tieren fielen im vergangenen Jahr auch Menschen zum Opfer. Das stellt Behörden und Tierschützer vor große Probleme.

Einerseits gelten all diese Tierarten als teilweise stark gefährdet und sollen möglichst frei umherstreifen und sich vermehren können. Andererseits gibt es immer wieder Vorfälle, in denen sie mit Menschen zusammen stoßen. Im besten Fall verwüsten sie dann Felder oder reißen Nutztiere. Im schlimmsten Fall sterben dabei auch Menschen.

Michael Zika, Betreuer des Tigerprogramms bei der Nichtregierungsorganisation World Wide Fund for Nature (WWF), kennt das Problem: "Viele der gefährdeten Wildtiere leben in Südasien. Und dort gibt es auch ein großes Bevölkerungswachstum. Wenn man nicht aufpasst, entsteht daraus ein Kampf um Flächen."

Gefahr besonders für arme Menschen

Oft sind besonders arme Siedler betroffen, die in den Randgebieten der für die Tiere bestimmten Parks und Reservate leben. Oft ohne sich dessen bewusst zu sein dringen sie zum Beispiel auf der Suche nach Feuerholz in das Revier der Tiere ein. Auf der anderen Seite gibt es nicht überall ausreichende Absperrungen und Warnsysteme, die verhindern, dass die Tiere ihr Revier verlassen.

Besonders deutlich wird dieser Konflikt zum Beispiel in der "Terai Arc" genannten Region zwischen Indien und Nepal. Mit geschätzt knapp 500 Tigern leben hier mehr der Raubkatzen als irgendwo sonst auf der Welt. Doch die Region ist mit rund 50.000 Quadratkilometern ungefähr so groß wie die Slowakei und stellt für die arme Landbevölkerung potenziellen Lebensraum dar. Immer mehr menschliche Siedlungen entstehen - mit den entsprechenden Gefahren.

Gefährlich für Mensch und Tier wird es, wenn Siedlungen in Korridoren entstehen, durch die die Tiere von einem Reservat ins andere wechseln. Einerseits kommt es so viel häufiger zu Zusammenstößen, andererseits werden die Tiere voneinander abgeschnitten, was ihre Fortpflanzung gefährdet.

Für Umweltschutz muss auch Menschen geholfen werden

"Um den Konflikt zwischen Tieren und Menschen zu entschärfen, braucht es eine ehrliche Planung", sagt WWF-Mann Zika. "Die Natur kann nur langfristig erhalten werden, wenn wir auch den Menschen bessere Entwicklungsmöglichkeiten und Sicherheit bieten."

Um das zu erreichen, haben die Behörden beider Länder und verschiedene Organisationen - darunter der WWF - mehrere Programme aufgelegt. Auch das deutsche Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit (BMZ) unterstützt einige Maßnahmen. Mitarbeiter gehen in die umliegenden Siedlungen und installieren zum Beispiel Biogasanlagen, damit die Anwohner nicht mehr auf der Suche nach Feuerholz mit den Raubkatzen zusammentreffen.

Am wichtigsten ist es jedoch, die Tiere zu überwachen und ihren Lebensraum besser abzugrenzen. Eine neue Technik dazu entwickelt zum Beispiel die Universität Siegen zusammen mit weiteren Forschern auf einem anderen Kontinent. Im afrikanischen Botsuana sollen Löwen mit Hilfe von GPS-Sendern überwacht werden. Überschreiten sie eine virtuelle Grenze, sollen die Bewohner in der Umgebung direkt gewarnt werden, zum Beispiel per Nachricht auf ihre Handys. In den vergangenen Monaten haben Biologen bereits einige Löwen-Rudel mit GPS-Sendern ausgestattet.

Trotz solcher Bemühungen bleibt der Konflikt präsent - auf beiden Seiten. Denn nicht nur den Menschen droht Gefahr von den Tieren. Im Jahr 2016 wurden in Indien 50 Tiger von Wilderern getötet - fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor.  © dpa

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