Seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd wird weltweit gegen Rassismus protestiert, auch hierzulande findet eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Thema statt. Betroffene wissen, dass sich Rassismus aber nicht nur in Gewalt und offenem Hass äußert, sondern schon im Alltag beginnt.

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Wer einen ausländisch klingenden Namen hat, wird bei der Wohnungssuche häufiger abgewiesen. Schwarze Menschen werden von der Polizei gezielt wegen ihrer Hautfarbe oder ihres Aussehens kontrolliert - sogenanntes Racial Profiling. Und die Chancen, eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch zu bekommen, sind für Menschen, deren Name ausländisch klingt, rund 24 Prozent geringer.

Das geht aus dem Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor. "Leider ist Rassismus bei uns noch immer allgegenwärtig", sagt auch die Moderatorin Anne Chebu, die sich in ihrem Buch "Anleitung zum Schwarzsein" mit Rassismus im Alltag beschäftigt hat.

Rassismus in Schulbüchern und in Serien

"Rassismus gibt es zum Beispiel in der Schule", sagt Chebu. "Viele Schulbücher zeigen kein vielfältiges Bild der Gesellschaft, sondern nur Menschen, die weiß und am besten noch blond sind." Zudem gebe es sogar Schulbücher, "in denen Wissen vermittelt wird, das an die Rassenlehre erinnert", sagt Chebu. Wissenschaftlich sind solche Theorien nicht haltbar: Dass es keine unterschiedlichen Menschenrassen gibt, hat zuletzt auch die Genetik gezeigt.

Auch in vielen Filmen und Serien tauchen entweder gar keine Schwarzen Menschen auf – oder sie sind auf eine bestimmte Rolle festgeschrieben. Darüber hinaus haben die meisten weißen Charaktere in Serien eine Geschichte: Man erfährt etwas zu ihren Lebensumständen, sieht ihre Wohnung, ihre Arbeit, ihre Familie und weiß von ihren Hobbys.

"Im Gegensatz dazu werden Schwarze Menschen zum Beispiel in US-amerikanischen Filmen und Serien oft nicht in einen solchen Kontext eingebettet", erklärt Chebu. "Man erfährt nichts über sie und ihre einzige Rolle ist es, eine weiße Figur zu begleiten."

Ein anderer Teil des Alltags, in dem es häufig rassistische Tendenzen gibt, ist nach Chebus Erfahrung der Arbeitsplatz. "Ich kenne viele, die sich dort vermeintlich witzige Sprüche anhören mussten." Nun könnte man argumentieren, dass jeder einmal einen blöden Spruch einstecken muss. "Bei Rassismus geht es aber immer auch um Macht", verdeutlicht Chebu.

Rassismus als Rechtfertigung für Sklavenhandel

Um Rassismus besser einordnen zu können, hilft es auch, sich seine Entstehungsgeschichte zu verdeutlichen. Darüber informiert zum Beispiel Tupoka Ogette in ihrem Buch "Exit Racism" – hier sehr verkürzt dargestellt: Zunächst wurde der Begriff der "Rasse" genutzt, um Tier- und Pflanzenarten zu beschreiben. Der französische Arzt Francois Bernier übertrug diesen Begriff dann im 17. Jahrhundert auf Menschen und definierte vermeintliche Menschenrassen.

Von Anfang an waren diese verschiedenen Rassen mit Bewertungen verknüpft – und Schwarze Menschen wurden als unterlegen dargestellt. Auf diese Weise diente die damals noch junge Rassenlehre als Grundlage, um sich ganze Landstriche als Kolonien untertan zu machen und auch als moralische Rechtfertigung für den Sklavenhandel.

Doch wie bekämpft man nun den Rassismus im Alltag? Rassismus gilt laut Ogette schließlich als Fehltritt der anderen und wer als rassistisch bezeichnet wird, fasst das schnell als Angriff auf – statt sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Auch Chebu berichtet, dass viele Menschen sich sofort mit "ja, aber" verteidigten, wenn es um möglichen eigenen Rassismus gehe.

"Sinnvoller ist es, wenn man es schafft, eine offene Haltung einzunehmen und sich wirklich mit der Kritik auseinanderzusetzen", sagt sie. Ist man verunsichert, kann man mit etwas Abstand im Nachhinein auch einmal nachfragen, was daran rassistisch war. Sich selbst hinterfragen und sensibel für das Thema sein – und sich auch zugestehen, dass man Fehler macht.

Außerdem hilft es natürlich, sich zu informieren. Chebu empfiehlt dazu Filme und Bücher über Rassismus (zum Beispiel: "Deutschland Schwarz Weiß" von Noah Sow), Blogs wie derbraunemob.de oder auch Seminare zum Thema Antirassismus, wie sie zum Beispiel der Verein Phönix anbietet.

Daneben seien strukturelle Veränderungen notwendig, zum Beispiel Antirassismus gezielt im Lehrplan von Schulen und Ausbildungen festzuschreiben und unabhängige Beschwerdestellen einzurichten, unter anderem bei der Polizei. Für Betroffene empfiehlt sie den Austausch mit anderen – zum Beispiel in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland.

Über die Expertin: Anne Chebu ist Journalistin, Fernsehmoderatorin und Autorin des Buches "Anleitung zum Schwarzsein", das 2014 im Unrast-Verlag erschienen ist.

Verwendete Quellen:

  • Anne Chebu: "Anleitung zum Schwarzsein" (Unrast Verlag 2014)
  • Tupoka Ogette: "Exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen." (Unrast Verlag 2020)
  • Jahresbericht 2019 der Antidiskriminierungsstelle
  • Statistisches Bundesamt: "Diskriminierung hat viele Gesichter"
  • Bundeszentrale für politische Bildung: "'Offensichtlich und zugedeckt': Alltagsrassismus in Deutschland"
  • Amnesty International: "Wir nehmen Rassismus persönlich"
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