Der Weihnachtsmann wurde von Coca Cola erfunden und lebt in Lappland? Von wegen! Weihnachtsforscher Stephan Wahle klärt im Interview über die gängigsten Weihnachtsmythen auf und zeigt auf, was Santa mit dem Nikolaus zu tun hat, wo er eigentlich herkommt und wie er zur Kommerzfigur wurde.

Ein Interview

Wenn man sich zum Ursprung des Weihnachtsmanns umhört, hört man immer wieder: "Den hat Coca Cola erfunden!" Ist da was dran?

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Wahle: Nein. Es ist schon erstaunlich, dass sich dieser Mythos immer noch hält – obwohl man genau weiß, dass es den Weihnachtsmann schon viel länger gibt. Was aber stimmt: Coca Cola hat ihn mit einer Werbekampagne in den 1930er-Jahren populärer gemacht. Dort wurde der Weihnachtsmann in einer recht trotteligen Art und Weise dargestellt, also zum Beispiel mit einem runden Bauch und rotem Gewand.

Wie viel älter ist der Weihnachtsmann denn?

Ganz genau kann man das nicht sagen. Aber wenn man weitere fast 100 Jahre zurückgeht, finden wir schon Darstellungen, also Bilder, Skizzen und Zeichnungen von einem sogenannten Herrn Winter. Er wird als eine Art Allegorie auf den Winter dargestellt. Aus ihm wurde dann nach und nach im Laufe des 19. Jahrhunderts die Figur des Weihnachtsmannes. Er hat dabei Attribute des Nikolaus übernommen, etwa den Rauschebart und allmählich andere Geschenkefiguren wie das Christkind abgelöst.

War denn der Weihnachtsmann schon immer mit einem rot-weißen Outfit unterwegs?

Auf den ganz ersten Darstellungen trägt die Figur in der Tat einen roten Mantel. Manche Forschende gehen davon aus, dass das rote Gewand eines Bischofs nachwirken könnte – vom Bischof des heiligen Nikolaus. Auch in Bezug auf die Mütze gibt es eine gewisse Nähe zur Bischofsmütze, auch wenn diese eigentlich ganz anders getragen wird.

Die ersten Abbildungen des Herrn Winter haben bereits klassische Attribute wie einen Sack, in dem Geschenke sind. Diese Darstellungen wurden von Zeichnern aus Europa nach Amerika exportiert. Dort hat der Weihnachtsmann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Karriere gemacht.

"Der Nikolaus als Geschenkebringer am 5. und 6. Dezember geht zurück auf eine historische Figur – den Bischof von Myra, der in Lykien in Kleinasien lebte. Er hat in der Antike gelebt und ist bis heute der Patron der Kinder und Schüler."

Sie haben eben bereits den Nikolaus erwähnt. Sind Nikolaus und Weihnachtsmann derselbe?

Nein, das sind unterschiedliche Figuren. Der Nikolaus als Geschenkebringer am 5. und 6. Dezember geht zurück auf eine historische Figur – den Bischof von Myra, der in Lykien in Kleinasien lebte. Er hat in der Antike gelebt und ist bis heute der Patron der Kinder und Schüler. Dieser Nikolaus ist besonders im Mittelalter durch viele Geschichten populär geworden und den Geschenkebrauch an sich gezogen.

Am 6. Dezember ist der Legende nach der Todestag dieses Bischofs. Der Weihnachtsmann hat aber damit nichts zu tun?

Nein, der Weihnachtsmann ist unabhängig davon und geht zurück auf allegorische Winterfiguren. Aber er übernimmt eben Attribute vom Nikolaus, nämlich die Geschenke-Tradition und ein Stück seiner Gewandung.

"Der Weihnachtsmann kam im 19. Jahrhundert auf, zeitgleich nahm das Weihnachtsfest generell immer mehr eine säkulare Gestalt. Es wurde zu einem Fest der bürgerlichen Familie und da ersetzte der Weihnachtsmann dann eben auch Heilige, Jesus oder das Christuskind als Geschenkebringer."

War der Weihnachtsmann denn schon immer eine Kommerzfigur oder gibt es auch einen religiösen Hintergrund?

Der Weihnachtsmann kam im 19. Jahrhundert auf, zeitgleich nahm das Weihnachtsfest generell immer mehr eine säkulare Gestalt. Es wurde zu einem Fest der bürgerlichen Familie und da ersetzte der Weihnachtsmann dann eben auch Heilige, Jesus oder das Christuskind als Geschenkebringer.

Insofern ist der Weihnachtsmann nicht unbedingt jemand, der im Kontext der christlichen Weihnachtsbotschaft entstanden ist oder der auch mit dem christlichen Weihnachtsfest in einer engen Beziehung steht. Durch Vermischungsprozesse kann man es heute aber nicht mehr so richtig voneinander trennen – vor allem wenn der Weihnachtsmann im Amerikanischen als "Santa Claus" oder einfach nur "Santa" genannt wird.

Kam der Weihnachtsmann denn schon immer am 24. Dezember?

Der Weihnachtsmann ist – ähnlich wie der Nikolaus oder andere Geschenkebringer – eine Figur, die man nicht so ganz genau festmachen kann. Es gibt keine ganz klaren Antworten auf die Fragen: Woher kommt er? Wie sieht er genau aus? Wichtig war in erster Linie, dass es eine anonyme Person ist, die sich verkleidet und die nachts kommt – in der Nacht zum 25. Dezember.

Erst im zweiten Schritt kam der Weihnachtsmann als lebendige Person im Rahmen der Kinderbescherung ins Haus. Das Heiligabendritual wiederum hat sich auch im 19. Jahrhundert ausgeprägt und das Weihnachtsfest wurde quasi vorverlagert. All das geschah im Rahmen einer Entwicklung des Weihnachtsfests hin zu einer verbürgerlichten, familiären Feier mit den Kindern im Zentrum.

Wo lebt der Weihnachtsmann denn? Manche sagen in Lappland...

Um den Weihnachtsmann herum haben sich jede Menge Traditionen verknüpft. Manche davon sind nordische Traditionen. Sie besagen, dass dieser Weihnachtsmann oder dieser Herr Winter aus dem Winter selbst – also vom Nordpol her – kommt, mit Rentieren, Rudolf und Co. Amerikanische Filme haben das weiter populär gemacht. Das sind aber alles weitere Erzählstränge, die dazu gekommen sind. Nicht überall, wo der Weihnachtsmann kommt, wird diese Geschichte miterzählt.

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Konkurrenz und Kritik

Ist der Weihnachtsmann denn mittlerweile die einzige Figur, die Geschenke bringt?

Nein, eben neben dem Weihnachtsmann gibt es immer noch andere Figuren wie etwa das Christkind. Vor allem in Süddeutschland oder in Österreich ist das immer noch eine tragende und wichtige Bescherfigur. Man denke nur an den Nürnberger Christkindlmarkt. Die Kirchen heben natürlich besonders die Figur des Heiligen Nikolaus hervor, der eine Vorbildfunktion innehat und im kollektiven Gedächtnis bleiben soll.

Gab’s denn schon mal Kritik am Weihnachtsmann?

Ja. Mit dem Weihnachtsmann ist oft auch eine Art Belohnung verbunden gewesen, wie schon zuvor beim Nikolaus. Die Kinder werden zum Beispiel gefragt: Warst du denn brav? Und sie kriegen Geschenke. Eine Begleitfigur, der Knecht Ruprecht, muss gegebenenfalls tadeln oder beides geschieht in der einen Figur des Weihnachtsmannes. Das wurde schnell kritisiert, vor allem von der Reformpädagogik des späten 19. Jahrhunderts. Seitdem erscheint der Weihnachtsmann meist eher als großväterliche, dickleibige und freundliche Figur.

Über den Experten

  • Prof. Dr. Stephan Wahle studierte Katholische Theologie und Philosophie. Er ist Lehrstuhlvertreter für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Fakultät Paderborn.
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