• Glaube an Hexerei und Flüche, das ist doch längst Geschichte – sollte man meinen.
  • Doch eine neue Studie zeigt das Gegenteil: Sogar in Deutschland glauben Menschen noch daran.
  • In manchen Ländern ist der Irrglaube so verbreitet, dass es der Gesellschaft massiv schadet.

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Es gibt Hexen, die mit ihren übernatürlichen Fähigkeiten anderen Schaden zufügen können – daran glaubt eine überraschend große Zahl der Menschen weltweit. Eine im Fachmagazin "PLOS One" vorgestellte Studie ergab:

  • 40 Prozent der Bevölkerung in 95 Ländern sind davon überzeugt, dass es Hexen gibt.

Demnach ist der Glaube an Hexerei besonders stark in Staaten mit schwachen Institutionen und konformistischen Kulturen verbreitet – und schafft dort Misstrauen und Angst.

Die regionalen Unterschiede sind dabei sehr groß. So erklärten beispielsweise nur neun Prozent der Befragten in Schweden, an Hexerei zu glauben, während es in Tunesien 90 Prozent waren. Hohe Werte zeigten sich auch in Marokko, Tansania und Kamerun. In Deutschland lag der Anteil bei etwa 13 Prozent und damit vergleichsweise niedrig.

"Hexenverfolgung" gibt es auch heute noch

Hexenwahn ist beileibe kein Phänomen früherer Jahrhunderte: Auch heute noch werden vielerorts vor allem Frauen und Menschen mit Albinismus aufgrund vermeintlicher magischer Fähigkeiten angegriffen und umgebracht. Die Verfolgung ist so gravierend, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr eine Resolution veröffentlichte, die zur Verurteilung entsprechender verletzender Praktiken und Angriffe auffordert.

Allerdings fehlten bislang statistische Analysen auf globaler Ebene, die zeigen, wie weit der Hexereiglaube verbreitet ist. Damit beschäftigte sich nun der Wirtschaftswissenschaftler Boris Gershman von der American University in Washington. Auf Nachfrage erklärt er, dass seine Beschäftigung mit dem Thema als Ökonom zunächst seltsam anmuten mag. "In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch unter Wirtschaftswissenschaftlern die Erkenntnis durchgesetzt, dass es wichtig ist, die Kultur und ihre Verbindung zum wirtschaftlichen Verhalten zu verstehen", erklärt er – und der Glaube an Hexerei sei ein wichtiger Teil der Kultur auf der ganzen Welt.

Gershman stellte einen Datensatz zusammen, der mehr als 140.000 Menschen aus 95 Ländern und Regionen umfasst. Er basiert auf zwischen 2008 und 2017 durchgeführten Umfragen. Darin gaben über 40 Prozent der Befragten an, dass sie glauben, dass "bestimmte Menschen Flüche oder Zaubersprüche aussprechen können, die dazu führen, dass jemandem Schlimmes widerfährt".

Wenig Innovationskraft – mehr Glaube an Hexerei

Die globale Aussagekraft der Studie ist indes beschränkt: So repräsentieren die abgedeckten Regionen zwar ungefähr die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung, enthalten aber keine Informationen aus China, Indien und einigen afrikanischen Ländern sowie nur wenige aus Ost- und Südostasien.

In der Studie heißt es dazu, dass die regionalen Erfassungslücken den Umfrageschwerpunkt auf Länder mit überwiegend christlicher und muslimischer Bevölkerung widerspiegelten. "Trotz dieser Einschränkungen macht unser neuer Datensatz deutlich, dass erstens der Glaube an Hexerei ein globales zeitgenössisches Phänomen ist, das nicht auf einige wenige ausgewählte Gebiete beschränkt ist, und dass zweitens die Prävalenz sowohl zwischen als auch innerhalb von Weltregionen erheblich variiert."

Gershman beobachtete zudem, dass der Hexereiglaube zwar in allen soziodemografischen Gruppen verbreitet, bei Menschen mit höherem Bildungsniveau und größerer ökonomischer Sicherheit allerdings weniger wahrscheinlich ist. Auf Länderebene hänge er zudem von verschiedenen kulturellen, institutionellen, psychologischen und sozioökonomischen Faktoren ab. So sei der Glaube an Hexerei insbesondere in Ländern mit schwachen Institutionen, geringem sozialem Vertrauen und geringer Innovationskraft verbreitet.

Wer vom Glauben abweicht, fürchtet Anklage

Eine frühere Studie Gershmans hatte bereits nahegelegt, dass es einen Zusammenhang zwischen Hexereiglauben und der Erosion sozialen Kapitals gibt, mit dem gemeinhin der Grad des Zusammenhalts in einer Gemeinschaft beschrieben wird. "Er zwingt einen dazu, sich den lokalen Normen anzupassen, weil jede Abweichung zu einer Anklage führen kann", erklärte der Ökonom damals. Diese Art der erzwungenen Konformität aus Angst führe zu Unbeweglichkeit und behindere die Schaffung von Wohlstand und die Durchsetzung von Innovationen. (dpa/af)

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