• Chantal oder Frederike, Wladimir oder Johannes: Wer würde eher zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden?
  • Zumindest unbewusst hat der Name einer Person oft einen Einfluss darauf, welche Eigenschaften ihm zugeschrieben werden.
  • Wie sich der Name auf das Leben eines Menschen auswirkt und was hinter den Vorurteilen steckt.

Mehr Ratgeberthemen finden Sie hier

Die Wahl des Vornamens für ihr Kind ist für die wenigsten Eltern eine unbedeutende Nebensächlichkeit. Viele studieren lange Namenslisten mitsamt Bedeutungserklärungen oder bemühen sich, auf eine besonders fantasievolle, individuelle Namensidee zu kommen.

In vielen Kulturen ist die Namensgebung mit einem Wunsch für die Zukunft des Kindes verbunden: In früheren Zeiten stellten sich auch im germanischen Raum Eltern, die ihre Tochter Astrid (zusammengesetzt aus áss für "Gottheit" und friðr für "Schönheit") nannten, sicherlich einen anderen Lebenslauf für ihren Sprössling vor, als Eltern, die ihrer Tochter den Namen Gertrud (zusammengesetzt aus ger für "Wurfspieß" und trud für "Macht") gaben.

Die Vorstellung, dass der Name eines Menschen seine Zukunft bestimmt, bestätigt sich heute jedoch auf eine ganz andere Art. Zahlreiche Studien zeigen, dass Menschen dazu neigen, sich über den Namen ein Bild von der Persönlichkeit ihres Gegenübers zu machen.

Dabei geht es weniger um den Klang oder die Bedeutung eines Namens, sondern um Rückschlüsse auf den sozialen Hintergrund einer Person. Aufgrund von Namensgebungstrends in unterschiedlichen Gruppen verbindet man einen Namen mit zugeschriebenen Eigenschaften dieser Gruppe.

Auch Namen bringen Vorurteile

Weil es vor der Wiedervereinigung in Ostdeutschland die Mode gab, Kindern französische Namen zu geben, vermutet man, dass eine heute Endvierzigerin mit dem Namen Jacqueline in der DDR aufgewachsen sei.

Die Annahme, dass wohlhabende Familien eher traditionelle Namen bevorzugen, kann dazu führen, dass die Lehrer einer Henriette unbewusst davon ausgehen, dass diese besonders gut erzogen und von ihren Eltern gefördert wird.

Bildungsfernen Familien unterstellt man, sich bei der Namenswahl eher von kurzfristigen Medientrends beeinflussen zu lassen - einem Anfang der 1990er geborenen Kevin wird daher ein entsprechender sozialer Hintergrund unterstellt.

Vorurteile über soziale Gruppen werden also auf die Träger bestimmter Namen übertragen. Das führt in vielen Lebensbereichen zu einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund des Namens.

Justin als Stigma

Die Diskriminierung fängt bereits in der Schule an. Eine Studie der Universität Oldenburg aus dem Jahr 2009 zeigt, dass Lehrer die Leistungs- und Lernfähigkeit von Grundschülern allein aufgrund ihrer Vornamen unterschiedlich bewerten.

Demnach denken die befragten Pädagogen bei Namen wie Charlotte, Sophie, Maximilian, Simon, Marie, Hannah, Alexander, Lukas oder Jakob an freundlichere und leistungsstärkere Kinder, während sie Vornamen wie Chantal, Mandy, Kevin, Justin, Angelina oder Maurice eher mit Leistungsschwäche und Verhaltensauffälligkeit assoziieren.

Die Studie lässt allerdings offen, inwiefern diese meist unbewussten Stereotype sich im Verhalten der Lehrer niederschlagen: Es ist unklar, ob sie sich bei negativ besetzten Namen mehrheitlich weniger Mühe geben, weil sie sowieso keine guten Leistungen von den betreffenden Kindern erwarten oder diese vielleicht unbewusst stärker fördern, um einen unterstellten sozialen Nachteil auszugleichen.

Rückschlüsse auf ethnische Zugehörigkeit

Laut Nora Ratzmann vom Deutschen Zentrum für Integration und Migration (DeZIM) spielt der vermutete Hintergrund einer Person auch bei der Jobsuche eine Rolle: "Es gibt Untersuchungen darüber, inwiefern der Name eine Rolle spielt - nicht spezifisch der Vorname, sondern die Kombination aus Vor- und Nachnamen als Indikator für ethnische Zugehörigkeit", so Ratzmann.

Ein Forschungsprojekt des Wissenschaftszentrums Berlin zeigte laut Ratzmann, dass Bewerber mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden.

In einer Untersuchung aus dem Jahr 2018 schrieben Wissenschaftler tausende fiktive Bewerbungen auf tatsächlich ausgeschriebene Stellen in acht unterschiedlichen Berufen. Vermeintlich deutsche Bewerber wurden häufiger eingeladen als fiktive Bewerber mit Migrationshintergrund.

Sie stellten dabei auch fest, dass das Herkunftsland mit ausschlaggebend ist: Während bei Bewerbern mit Migrationshintergrund in West- und Südeuropa sowie Ostasien keine Benachteiligung gegenüber Bewerbern mit deutsch klingenden Namen messbar war, wurden Bewerber aus anderen Herkunftsgruppen deutlich diskriminiert.

Nicht einschüchtern lassen

Die Autoren der unterschiedlichen Studien sehen ihre Ergebnisse meist als Entscheidungshilfen für die Gestaltung von Leitlinien und Programmen, die Diskriminierung bekämpfen sollen. Betroffene, die aufgrund ihres Namens Benachteiligungen befürchten, sollten sich davon nicht einschüchtern lassen.

Denn letztendlich kann der Name allein nicht das Schicksal eines Menschen bestimmen. Auch wenn es eindeutige Hinweise darauf gibt, dass Diskriminierung aufgrund des Namens vorkommt, kann man von der Statistik nicht auf die eigene Einzelsituation schließen.

So ändern sich schließlich auch Vorurteile: Wenn man immer wieder gegenteilige Erfahrungen macht, lösen sich solche Vorstellungen auf. Je öfter also Menschen mit Namen wie Chantal, Olga und Maurice ihre Chancen wahrnehmen und erfolgreich sind, umso weniger werden solche Namen in der Zukunft negativ wahrgenommen.

Über die Expertin: Dr. Nora Ratzmann ist Fellow am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Dort forscht sie vor allem zu den Themen Migration und Wohlfahrtsstaat, Diskriminierung, Integration und soziale Teilhabe sowie EU-Migration und Freizügigkeitsrechte.

Verwendete Quellen:

  • Ruud Koopmans et al.: Ethnische Hierarchien in der Bewerberauswahl - Ein Feldexperiment zu den Ursachen von Arbeitsmarktdiskriminierng. 2008
  • Leo Kaas et al.: Ethnic Discrimination in Germany’s Labour Market: A Field Experiment. Konstanz 2010
  • Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration: Diskriminierung am Ausbildungsmarkt. Ausmaß, Ursachen und Handlungsperspektiven. Berlin 2014
  • Mitteilung der Universität Oldenburg: Ungleiche Bildungschancen schon durch Vornamen? Oldenburg 2009
Hinweis: Dies ist ein Artikel aus unserem Archiv. Mit Frau Ratzmann haben wir im Rahmen der damaligen Veröffentlichung gesprochen.
Telefonieren

Tippen statt Reden: Wenn die Angst vor dem Telefonat zur Phobie wird

Manche können fast alles - nur nicht telefonieren. Sie tippen lieber ins Smartphone oder nehmen lange Wege zur Terminvereinbarung auf sich. Dabei macht auch hier Übung den Meister, sagen Experten.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.