Viele Redewendungen und Zitate sind ein so natürlicher Bestandteil des Allgemeinwissens, dass wir gar nicht darüber nachdenken, wenn wir sie hören oder selbst benutzen. Doch bei manchen hat sich eine falsche Bedeutung eingeschlichen.

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In den meisten Fällen haben die Urheber wahrscheinlich nicht geahnt, dass eine besonders griffige Formulierung, die sie getroffen haben, als geflügelte Worte in den Sprachgebrauch von Generationen eingehen würde.
Manche Redewendungen und Zitate sind so geläufig, dass schon fast jedem Kind bekannt ist, was sie aussagen - doch oft denkt man das nur.

Unsere Sprache ist auch von vielen Mythen durchzogen. Bei einigen Sprüchen hat sich eine falsche Interpretation so stark durchgesetzt, dass nur eine Minderheit die eigentliche Bedeutung kennt. Andere Zitate werden aus dem Zusammenhang gerissen und verzerren so das, was der Urheber eigentlich aussagen wollte.

Wenn der Teller leer wird, gibt es gutes Wetter

Kinder können sehr eigenwillig und unvernünftig sein. Manchmal wissen sich Eltern darum nicht anders zu helfen, als ihre Sprösslinge zu ihrem eigenen Wohl auszutricksen. Und so denkt wohl kaum jemand darüber nach, dass der weit verbreitete Spruch "Wenn du deinen Teller leer isst, gibt es morgen gutes Wetter" logisch keinen Sinn ergibt.

Dass der Sonnenschein vom Appetit der Kleinen abhängen soll, scheint nur eine Notlüge eines verzweifelten Elternteils zu sein, der seinen Nachwuchs dazu bringen will, genügend Nahrung zu sich zu nehmen.

Doch eigentlich handelt es sich dabei um einen Übersetzungsfehler. Ursprünglich stammt der Spruch aus dem Plattdeutschen und lautete dort: "Wenn du dien Teller leer ittst, dann gifft dat morgen goodes wedder."

Und das hat nichts mit der Beeinflussung von Regen und Sonnenschein zu tun, sondern bedeutet auf Hochdeutsch so viel wie "Wenn du deinen Teller leer isst, dann gibt es morgen wieder etwas Gutes." Der Koch ist also motiviert, am nächsten Tag wieder ein gutes Essen zuzubereiten und es müssen nicht Reste aufgewärmt werden, wenn die heutige Mahlzeit aufgegessen wird.

Kann man sich "jenseits von Gut und Böse" trinken?

"Jenseits von Gut und Böse" ist umgangssprachlich ein Umstand, der so extrem ist, dass die Attribute "schlimm", "schlecht" oder eben "böse" nicht ausreichen, um das Ausmaß zu verdeutlichen. Wenn jemand so viel Alkohol getrunken hat, dass er schon nichts mehr mitbekommt, ist er für manche Beobachter "jenseits von Gut und Böse".

Oder wenn jemand sagt, die Hi-Fi-Anlagen eines bestimmten Herstellers wolle er bei seiner Kaufentscheidung gar nicht erst in Betracht ziehen, weil deren Preise "jenseits von Gut und Böse" seien, weiß auch jeder, dass diese offenbar extrem teuer sind.

Was hat es dann aber mit dem Guten auf sich? Für außerordentlich positive Situationen wird die Redewendung üblicherweise nämlich nicht gebraucht. Und es stören sich auch nicht viele daran, dass eine Wendung auf extreme Situationen angewandt wird, die nach ihrer sprachlichen Logik doch "jenseits" der Extreme von "Gut und Böse" deuten will.

Denn genau das ist der Kernpunkt in dem mit "Jenseits von Gut und Böse" betitelten Werk von Friedrich Nietzsche, das der Ursprung für diese geflügelten Worte ist. Der Philosoph zeigt darin, dass Moralvorstellungen und eben das, was man als "gut" oder "böse" bezeichnet, relativ sind und in verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich gesehen werden. "Jenseits von Gut und Böse" meint also, eine Sache möglichst objektiv und unabhängig von den aktuell herrschenden Moralvorstellungen zu betrachten.

Glaubte Darwin selbst nicht an die Evolutionstheorie?

Während manche Umdeutungen auf Missverständnissen beruhen, werden andere Zitate auch gerne falsch interpretiert, um damit die eigene Weltsicht zu untermauern.

"Die Annahme, dass sogar das Auge mit allen seinen unnachahmlichen Vorrichtungen, um den Focus den mannichfaltigsten Entfernungen anzupassen, verschiedene Lichtmengen zuzulassen und die sphärische und chromatische Abweichung zu verbessern, nur durch natürliche Zuchtwahl zu dem geworden sei, was es ist, scheint, ich will es offen gestehen, im höchsten möglichen Grade absurd zu sein."


Diese Aussage stammt tatsächlich von Charles Darwin, dem Begründer der Evolutionstheorie. Das berühmt gewordene Zitat wird vor allem von Kreationisten verbreitet. Diese vertreten die These, dass ein schöpfender Gott die Welt und alle Lebewesen konzipiert und erzeugt habe und lehnen die Evolutionstheorie deshalb ab. Die zitierte Aussage Darwins zeige, dass der Vater der Evolutionstheorie selbst nicht von seiner Idee überzeugt gewesen sei.

Doch das liegt nur daran, dass das Zitat unvollständig ist. Weiter schrieb Darwin nämlich in "Über die Entstehung der Arten": "[…] Die Vernunft sagt mir, dass wenn zahlreiche Abstufungen von einem unvollkommenen und einfachen bis zu einem vollkommenen und zusammengesetzten Auge, die alle nützlich für ihren Besitzer sind, nachgewiesen werden können, was sicher der Fall ist, – wenn ferner das Auge auch nur im geringsten Grade variiert und seine Abänderungen erblich sind, was gleichfalls sicher der Fall ist, – und wenn solche Abänderungen eines Organes je nützlich für ein Thier sind, dessen äussere Lebensbedingungen sich ändern: dann dürfte die Schwierigkeit der Annahme, dass ein vollkommenes und zusammengesetztes Auge durch natürliche Zuchtwahl gebildet werden könne, wie unübersteiglich sie auch für unsere Einbildungskraft scheinen mag, doch die Theorie nicht völlig umstürzen."

Tatsächlich hatte Darwin also genau der Argumentation von Kreationisten widersprochen, mit der er schon konfrontiert war, als er seine Theorie erstmals veröffentlichte.


(ada)

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