Polizeihunde, insbesondere sogenannte Schutzhunde, sind so trainiert, dass sie Täter stellen, verbellen und – falls nötig – sogar beißen dürfen. Aber was ist in einem solchen Fall überhaupt erlaubt, welche Rechte hat eine gebissene Person und steht ihr Schmerzensgeld zu? Tierrechtsanwalt Andreas Ackenheil hat die Antworten.

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Kürzlich sorgte ein Vorfall während des AfD-Bundesparteitages im sächsischen Riesa für Aufruhr: Ein Video zeigt, wie ein Polizist versucht, seinen Schutzhund dazu zu zwingen, einen Demonstranten zu beißen. Der Hund verweigert den Biss und der Polizist zieht das Tier am Halsband hoch und drückt ihn gegen eine Leitplanke.

Tierschützende werfen dem Hundeführer Tierquälerei vor und kritisieren den Einsatz von Tieren als Waffe generell. Doch was ist, wenn Du von einem Polizeihund gebissen wirst? Rechtsanwalt Andreas Ackenheil beantwortet alle relevanten Fragen rund um das Thema.

Habe ich Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn ich von einem Polizeihund bei einem Einsatz gebissen wurde, wo ich nur Unbeteiligter/Unschuldiger war?

Andreas Ackenheil: Generell gilt: Wenn man von einem Hund gebissen wurde, haftet in erster Linie der Hundehalter gemäß der Tierhalterhaftung verschuldensunabhängig gegenüber dem Geschädigten. Die Höhe dieser Haftung richtet sich danach, in welchem Ausmaß dem Geschädigten entsprechend eine Mitschuld zugerechnet werden kann. Diese Regelungen finden jedoch keine Anwendung bei einem Beißvorfall eines Polizeihundes bei einem Einsatz.

Denn für Schäden, die ein Diensthund verursacht, übernimmt der Staat die Haftung, da dieser als Bestandteil der hoheitlichen Tätigkeit einer Behörde betrachtet wird. Diensthunde dienen als Hilfsmittel der öffentlichen Gewalt und werden im Rahmen staatlicher Aufgaben eingesetzt, etwa zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr. Wenn man als unbeteiligte Person bei einem Polizeieinsatz nun von einem Polizeihund gebissen wurde, hat man einen Schmerzensgeldanspruch gegenüber dem Staat.

Was, wenn sich der Maulkorb löst und er beißt?
Was, wenn sich der Maulkorb löst und er beißt? © Foto: pixabay.com/fantareis (Symbolfoto)

Polizeihund nicht unter Kontrolle – zahlt der Staat?

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht, wenn der Polizeihundeführer schuldhaft (vorwerfbar) gegen seine Amtspflichten verstoßen hat (Anspruch auf Schmerzensgeld aus einem Amtshaftungsanspruch § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Dies könnte der Fall sein, wenn er seinen Hund nicht so unter Kontrolle gehalten oder gar aktiv eingesetzt hat, dass Unbeteiligte zu Schaden kamen – wenn sich zum Beispiel der Maulkorb lösen konnte.

Wie konnte es bei einem Einsatz überhaupt zu einem Biss gegenüber einem Unbeteiligten kommen? Schon allein aus dieser Tatsache heraus wird häufig ein Verstoß gegen die Amtspflichten nahezu immer angenommen.

Von Polizeihund gebissen – Frage nach dem Mitverschulden

Vorrangig entscheidend ist, dass nachgewiesen werden kann, dass die Verletzung des Geschädigten durch den Hund verursacht wurde. Des Weiteren muss ein mögliches Mitverschulden des Geschädigten an den Verletzungen in Betracht gezogen werden.

Hierbei sind die Gerichte teilweise recht streng. Unter Mitverschulden ist jedes Verhalten zu verstehen, das eine Verletzung durch den Polizeihund mitbegünstigt.

Das umfasst im Falle eines erkennbaren Polizeieinsatzes auch schon, wenn man sich bloß nicht entfernt. Denn es besteht für jede Person eine Pflicht, Verletzungen zu vermeiden. Wenn man nun also erkennt, dass ein Einsatz mit Polizeihunden läuft, muss man sich von dort zumindest so weit entfernen, dass der Hund einen nicht mehr erreichen kann. So entschied das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main (Urteil vom 20.08.2013 – 1 U 69/13).

Verletzungen durch Polizeihund von Unbeteiligten

Bei der Verletzung von Unbeteiligten kommt aber auch noch ein sogenannter Aufopferungs- oder Aufopferungsgleicher Anspruch in Betracht. Das Besondere daran ist, dass dieser auch dann zu einem Schmerzensgeld führt, wenn der Einsatz der Polizei rechtmäßig war, also keine Amtspflichtverletzung gegeben ist. Dieser Anspruch besteht, wenn eine Verletzung verursacht wurde, welche die Allgemeinheit grundsätzlich nicht hinzunehmen hat. Das ist bei Verletzungen von Unbeteiligten grundsätzlich der Fall.

Der Polizeihund fasst zu.
Der Polizeihund fasst zu. © Foto: pexels.com/Jozef Fehér (Symbolfoto)

Hinweis: Bei dem medial bekannten Vorfall, bei dem ein Polizeihund während des AfD-Parteitags zubiss, könnte gemäß dem oben zitierten Urteil des OLG Frankfurt ein Mitverschulden in Betracht gezogen werden, da das Gericht von einem allgemeinen Grundsatz ausgeht, wonach man sich bei einer aggressiv aufheizenden Stimmung zurückziehen sollte, um eine weitere Eskalation zu vermeiden.

Habe ich Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn ich von einem Polizeihund bei einem Einsatz gebissen wurde, wo ich als Tatverdächtiger galt?

Auch als Tatverdächtiger hat man gegebenenfalls einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Grundsätzlich ist der Einsatz eines Polizeihundes gegen einen Tatverdächtigen aber zulässig, zum Beispiel wenn sich dieser einer Festnahme widersetzt oder gar Beamte angreift.

Verhältnismäßigkeit: Polizeihundebiss als letztes Mittel

Der Einsatz des Diensthundes muss aber immer verhältnismäßig sein. Das bedeutet, es darf kein milderes Mittel geben, den Tatverdächtigen festzunehmen oder eine von ihm ausgehende Gefahr abzuwehren. Der Einsatz eines beißenden Polizeihundes dürfte dabei als eines der letzten Mittel in Betracht kommen.

Der Anspruch ergibt sich aus dem oben dargestellten Amtshaftungsanspruch. Demnach hat man als Tatverdächtiger also keinen Anspruch, wenn der Einsatz des Hundes rechtmäßig (verhältnismäßig) war. Ein Anspruch kann aber dann bestehen, wenn der Einsatz des Polizeihundes grundsätzlich rechtmäßig war, dieser aber "über das Ziel hinausgeschossen" ist.

Widersetzt sich ein Tatverdächtiger seiner Festnahme nicht und wird dennoch ein Polizeihund eingesetzt, von dem er dann gebissen wird, kann ein Schmerzensgeldanspruch bestehen.

Ein Polizeieinsatz bei einer Demo.
Ein Polizeieinsatz bei einer Demo. © Foto: pexels.com/Oscar Ritter (Symbolfoto)

Habe ich Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn ich von einem Polizeihund bei einem Einsatz gebissen wurde, wo ich tatsächlich als Täter identifiziert wurde, zum Beispiel weil ich einen Polizisten angegriffen habe?

Wird man als gesicherter Täter durch einen Polizeihund verletzt, besteht in der Regel kein Anspruch auf Schmerzensgeld. Aber erneut kommt es darauf an, ob der Einsatz des Polizeihundes rechtmäßig und damit auch verhältnismäßig war. Denn natürlich muss auch ein Täter, der sich ohne Widerstand der Polizei stellt, keine Gewalt durch einen Polizeihund hinnehmen.

Bekommen Täter Schmerzensgeld?

Interessant ist es aber dort, wo der Einsatz des Hundes zur Festnahme oder zur Gefahrenabwehr notwendig (also auch rechtmäßig) war. Auch hier kann ein Schmerzensgeld in Betracht kommen. Das nämlich immer dann, wenn der Einsatz des Hundes unkontrolliert abläuft, also "über das Ziel hinausschießt" und Verletzungen verursacht werden, die zur Festnahme nicht notwendig gewesen wären. Ein bis zwei leichte Bissverletzungen bei einem flüchtigen oder gewalttätigen Täter führen daher nicht zu einem Schmerzensgeld.

Wie viel Schmerzensgeld steht nach Biss durch Polizeihund zu?

Wie viel Schmerzensgeld steht jemandem zu, der von einem Polizeihund gebissen wurde?

Die Berechnung des Schmerzensgeldes aufgrund eines Hundebisses durch einen Polizeihund im Einsatz unterscheidet sich grundsätzlich nicht von sonstigen Hundebissverletzungen. Es spielt zunächst keine Rolle, ob der Biss von einem Diensthund oder dem Hund eines Nachbarn verursacht wurde. Ebenso verhält es sich bei Schmerzensgeldansprüchen aufgrund von Amtshaftung oder dem Aufopferungs- oder Aufopferungsausgleich.

Die Höhe des Schmerzensgeldes ist abhängig von der Schwere der Verletzung (Größe, Tiefe der Wunde, Anzahl der Wunden), der Dauer der Beeinträchtigung (Heilungsdauer, Arbeitsunfähigkeit) und bleibenden Schäden (Narben, psychische Folgen). Bei Hundebissverletzungen ist es schwer, eine pauschale Aussage zur Höhe des Schmerzensgeldes zu treffen, da es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.

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Dennoch lassen sich folgende Richtwerte angeben:

  • 500 bis 1.500 Euro für leichte Verletzungen, die keine Folgeschäden verursachen, wie oberflächliche Bisswunden.
  • 1.500 bis 5.000 Euro für tiefere Bisswunden, die Narben hinterlassen oder eine längere Heilungszeit benötigen.
  • mehr als 5.000 Euro für schwere Verletzungen, die dauerhafte sichtbare Narben, erhebliche körperliche Schäden oder psychische Belastungen zur Folge haben.

Weitere Beispiele von "normalen" Hundebissvorfällen (angegebene Höhe ist als ungefährer Richtwert zu verstehen):

  • circa ein Zentimeter lange, nicht klaffende Wunde, die sich nicht entzündet und folgenlos verheilt: 100 Euro
  • circa zehn Zentimeter lange, offene, aber nicht tiefe Wunde, die gut verheilt: 500 Euro
  • Biss in Hand mit bleibender Einschränkung des Daumens: 1.800 Euro
  • infizierte Bisswunde im Gesicht 3.000 Euro
  • schwere Bissverletzung im Gesicht: 7.000 Euro
  • schwerste Bissverletzung im Gesicht mit bleibenden Narben: 30.000 Euro
  • schwere Bissverletzung im Intimbereich nebst Zeugungsunfähigkeit: 100.000 Euro

Ein Schmerzensgeld steigt deutlich, wenn die Verletzung langfristige Einschränkungen und sichtbare bleibende Schäden oder Einschränkungen im Berufsleben zur Folge hat. Es lassen sich grobe Spannen anhand vergleichbarer Fälle und Gerichtsurteile angeben.

Leider existiert relativ wenig Rechtsprechung zu Schmerzensgeldurteilen im Bereich Polizeihunde und der Verletzung Unbeteiligter.  © Deine Tierwelt

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