Ausgediente Satelliten, abgesprengte Raketenstufen, Schrauben und Werkzeuge: All das in der Erdumlaufbahn herum. Das sind mehr als eine Millionen größere und kleinere Teile. Die Entsorgung ist schwierig.

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Vier Jahre lang war "Early Bird" im Dienst: Am 28. Juni 1965 nahm er den Betrieb als erster kommerzieller Fernsehsatellit auf. Seine letzte Aufgabe: Er übertrug im Juli 1969 die ersten Worte vom Mond auf die Erde. Danach wurde der Satellit mit dem offiziellen Namen "Intelsat 1" abgeschaltet. "Early Bird" arbeitet zwar nicht mehr, kreist aber immer noch im Erdorbit - auf der sogenannten Friedhofsbahn, auf der sich viele inaktive Satelliten nach Ende des Betriebs befinden. Im All schwirren aber auch noch abgesprengte Raketenstufen, Treibstofftanks, Schrauben, Bolzen, Satelliten-Trümmer und Werkzeug von Astronauten herum. Insgesamt sind das bis zu 17.000 Objekte, die mehr als zehn Zentimeter groß sind. Sie werden von riesigen Radaranlagen erfasst und katalogisiert. Regelmäßig müssen ihnen Satelliten ausweichen, wie Dr. Holger Krag, Head of the Space Debris Office bei der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA, erklärt.

Dazu kommen viele kleinere Teile - allein 700.000 mehr als ein Zentimeter große, dazu unzählige kleinere. So genau weiß das niemand, denn diese können nicht geortet werden, ihre Zahl ist geschätzt. Bei all diesen kleineren und größeren Objekten handelt sich um Weltraumschrott. In der Abwesenheit abbremsender Kräfte kreist er immer weiter, denn er kann seine Umlaufbahn normalerweise nicht verlassen.

Der Müll im All, auch "Space Debris" genannt, ist nicht ungefährlich: Raketen, Satelliten oder die Internationale Raumfahrtstation ISS könnten mit ihm kollidieren. Rund um unseren Globus herrscht viel Betrieb: 1.000 funktionstüchtige Satelliten kreisen dort, die unter anderem das Wetter beobachten oder für Telekommunikation, militärische Aufklärung und Navigation zuständig sind.

Trümmer rasen im All herum

Das Problem: Die Trümmer sind mit großer Geschwindigkeit unterwegs, im Durchschnitt mit bis zu 25.000 Kilometer pro Stunde. So kann schon ein kleineres Objekt großen Schaden anrichten. Denn wenn sie aufprallen, "entwickeln sie die energetische Wirkung einer explodierenden Handgranate", erläutert Dr. Krag.

Viele Teile stammen von Explosionen im Weltraum oder von Crashs der Schrottteile. 1996 etwa donnerte der französische Satellit "Cerise" in ein Abfallteil einer Ariane-Rakete und wurde beschädigt. Drastisch war eine Kollision 2009: Ein defekter russischer Kosmos-Satellit krachte in einen US-Iridium-Satelliten, mehr als 3.000 neue Trümmerteile entstanden.

Nicht alle Trümmerteile bleiben ewig im Weltraum: Wenn sie in die Nähe der Erdatmosphäre gelangen, werden sie ausgebremst und verlieren an Höhe. Meist verglühen sie dann. "Gerade kleinere Fragmente werden so relativ schnell herausgewaschen", erklärt Krag. Etwa 40 bis 50 Mal pro Jahr fallen auch Teile auf die Erde. Sie haben bisher keinen größeren Schaden angerichtet. Ende 2011 zum Beispiel stürtzte der Forschungssatellit UARS über dem Pazifik ab. Seine Größe entspricht der eines Busses. Doch die Gefahr, dass Menschen von den Trümmern getroffen werden, ist sehr gering: In der mehr als 50-jährigen Geschichte der Raumfahrt ist noch kein Mensch zu Schaden gekommen - auch nicht 1979, als die 70 Tonnen schwere Raumstation "Skylab" vom Himmel fiel und einige Trümmer auf Australien regneten. Die ESA etwa verpflichtete sich, große Objekte nicht ungezielt in die Erdatmosphäre eintreten zu lassen, sie werden gezielt über unbewohnten Gebieten zum Absturz gebracht.

Das Ziel: Müllvermeidung im All

Der Müll ist ein wachsendes Problem: Immer mehr Teile sammeln sich an. Aber kann der Schrott im All nicht einfach aufgeräumt werden? Das ginge schon, allerdings wären die Kosten gigantisch. Bei allen Weltraummissionen soll deshalb der Müll von vorneherein vermieden werden. So werden etwa Energieträger wie beispielsweise Treibstoff in abgesprengten Raketenteilen abgelassen um Explosionen zu verhindern. Darüber hinaus sollen Objekte, wenn sie ausgedient haben, nicht mehr im All bleiben, erklärt Dr. Krag. "Wenn sie nicht mehr funktionsfähig sind und man lässt sie trotzdem im Weltraum, kann man nicht verhindern, dass sie irgendwann mit anderen Objekten kollidieren." Das handhabt allerdings jedes Land, wie es will. Es gibt keine internationale Raumfahrtbehörde, die dazu Vorschriften erlassen könnte.

Das aktive Aufräumen des Schrotts ist dagegen schwieriger. Es handelt sich laut Krag um "unkontrollierbare Objekte, die auch noch taumeln können". So ist es eine Herausforderung, an sie heranzukommen. Geforscht wird allerdings fieberhaft: Die ESA hat erst kürzlich das Einfangen von Weltraumschrott mit einfachen Fangnetzen getestet - nach eigenen Angaben erfolgreich. Dazu werden Netze aus einem Kompressor geschossen, die dann defekte Satelliten einfangen und sicher zur Erde transportieren können. Bis diese Methode in die Praxis umgesetzt werden kann, werden aber wohl noch Jahre vergehen. Die ESA plant für das Jahr 2021 eine Mission namens "e.Deorbit", bei der zum ersten Mal Müll im All beseitigt werden soll. In drei bis vier Jahren will die Behörde nach Angaben von Krag aber schon eine Aufräumaktion im All demonstrieren: Dann aber nicht mit einem Netz, sondern mit einem Roboterarm.

Sollten solche Missionen nicht in die Tat umgesetzt werden, könnte es eines Tages sehr eng auf unserem Planeten werden. Denn dann säße die Menschheit auf dem blauen Planeten fest, gefangen im eigenen Weltraummüll.

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