In unserer Erdumlaufbahn ist einiges los: Zahlreiche Satelliten umkreisen die Erde und helfen uns bei der Navigation, informieren uns über das Wetter oder unterstützen unsere Kommunikation. Darüber hinaus rasen aber noch viele weitere Objekte durchs All, die ziemlich gefährlich sind: sogenannter Weltraumschrott.
Etwa 750.000 Objekte, die größer als ein Zentimeter sind, sowie mehrere Millionen Teile, die einen Durchmesser von mehr als einem Millimeter haben – das ist der statistisch erfasste Weltraumschrott, der unsere Erde umkreist.
Diese Zahl dieser Teile, die zum Beispiel von Satelliten stammen, wird immer größer und damit zu einem echten Problem.
Dr. Tim Flohrer ist Experte für Raumfahrtrückstände bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt. Er ist verantwortlich für die Aktivitäten zur Erfassung und Überwachung von Weltraumschrott.
"Das sind Objekte, die während einer Mission abgesprengt oder freigesetzt wurden, abgeschaltete Satelliten und leider auch viele kleinere Fragmente, die durch Explosionen und Kollisionen entstanden sind", erklärt er.
Mit der Energie einer Handgranate
Diese winzig kleinen Teile können brandgefährlich sein: "Die Geschwindigkeit der Objekte im Orbit ist sehr groß. Wenn ein Objekt, das etwa einen Zentimeter groß ist, in einen Satelliten einschlägt, dann hat es genügend Power, um den Satelliten vollständig zu zerstören. Solche Teile haben in etwa die Energie einer Handgranate."
Kleinerer Weltraumschrott kann Satelliten immerhin noch beschädigen und dafür sorgen, dass diese teilweise nicht mehr funktionieren. Einen leichteren Fall gab es zum Beispiel kürzlich beim Satelliten Sentinel-1A.
"Dort haben wir ohne Vorwarnung einen geringen Verlust der Energieversorgung festgestellt. Mithilfe einer Kamera, die auf dem Satelliten montiert ist, konnten wir uns das Solarpanel ansehen und mussten feststellen, dass es dort einen Einschlag eines etwa ein Millimeter großen Objektes gegeben hatte", so Flohrer.
Weltraumschrott landet mehrmals im Jahr auf der Erde
Dass Weltraumschrott auch auf der Erde landet, ist im Übrigen kein wirklich ungewöhnliches Phänomen. Das passiert vor allem mit Teilen, die sehr hitzebeständig und robust sind – wie zum Beispiel Tanks. "Zum Glück kommt das aber nur alle paar Wochen vor. Und da die Erde zum Großteil von Wasser bedeckt ist, fallen diese Teile meist in den Ozean", so Flohrer.
Bisher ist noch kein Fall bekannt, bei dem ein Mensch zu Schaden gekommen ist. Die Laufbahn der erfassten Teile wird von den Experten regelmäßig kontrolliert und beobachtet, sodass kurzfristig ziemlich genau vorhergesagt werden kann, wann und wo der Weltraumschrott in die Erdatmosphäre eindringt.
Kollisionen können indirekte Auswirkungen auf uns haben
Wir nutzen heute viele Systeme, die weltraumbasierte Infrastrukturen verwenden - beispielsweise Navigationssysteme, die Wettervorhersage oder unsere Kommunikation. "Wenn ein Satellit beschädigt wird, dann kann das auch Auswirkungen auf uns und die Nutzung verschiedener Dienste haben", bestätigt Flohrer.
Durch Kollisionen mit Weltraumschrott könnten Satelliten ausfallen und dadurch wichtige wissenschaftliche Datenquellen zerstören, wirtschaftlichen Schaden anrichten und den Informationsfluss zum Beispiel über drohende Naturkatastrophen stören.
"Wir versuchen natürlich, solche Kollisionen zu vermeiden. Dafür beobachten wir die Trümmer und die Satelliten und lassen notfalls Ausweichmanöver durchführen", so Flohrer.
Ausweichmanöver durchzuführen wird allerdings schwer, wenn das Weltall zunehmend mit solchen Trümmerteilen "zugemüllt" wird. Bei der bisher größten Konferenz zum Thema Weltraumschrott, die Mitte April im Europäischen Satellitenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt stattgefunden hat, waren sich die Experten einig: Es herrscht dringender Handlungsbedarf, den Weltraumschrott zu entfernen und Strategien für zukünftige Missionen zu entwickeln und umzusetzen.
"Die konsequente Vermeidung der Entstehung von Weltraumschrott steht an erster Stelle, aber das alleine wird vermutlich nicht ausreichen", gibt Flohrer zu bedenken.
Entwicklung von Roboterarmen und Netzen
Vielmehr müssen ungenutzte und alte Satelliten aus dem Weltraum entfernt oder in eine sogenannte Friedhofsbahn, den "Graveyard Orbit", gelenkt werden. Denn wenn die Satelliten nicht mehr in Betrieb sind, können sie dem herumfliegenden Weltraumschrott auch nicht mehr ausweichen. Das könnte zu Kollisionen und Explosionen und damit zur Entstehung immer weiterer Teile führen.
"Eine klassische Kettenreaktion. Die Population dieser Trümmer könnte in den nächsten Jahrzehnten in manchen Regionen so sehr ansteigen, dass diese Bereiche des Weltraums gar nicht mehr genutzt werden können", befürchtet Flohrer.
Technologien zum Zurückholen alter Satelliten oder großer Weltraumschrott-Objekte werden unter anderem bei der ESA entwickelt und sind Teil der "Clean Space"-Initiative. Zum Beispiel durch Roboterarme, Harpunen oder Netze können die Trümmer aus dem All "gefischt" und unser Weltraum wieder sauber werden.
"Die Notwendigkeit hierfür steht außer Frage", so Flohrer.
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