Einmal auf dem Mond stehen - das ist wohl das Ziel aller Astronauten. Der Deutsche Matthias Maurer ist diesem Ziel aktuell "näher als jemals zuvor", wie er im Interview erzählt. Er erklärt zudem das harte Fitnessprogramm, das er dafür absolvieren muss, warum früher die Toiletten in Raumstationen manchmal verstopft waren und wie wahrscheinlich außerirdisches Leben seiner Ansicht nach ist.
Herr Maurer, aus aktuellem Anlass: Haben Sie sich die totale Sonnenfinsternis angeschaut?
Matthias Maurer: Ich habe mir natürlich Bilder davon angeschaut. Vor vielen Jahren, genauer gesagt 1999, hatte ich die Gelegenheit, selbst eine Sonnenfinsternis zu sehen. Ich stamme ja aus dem Saarland, das sich damals genau im Kernschatten befand. Es war ein tolles Erlebnis.
Wir treffen Sie auf der Kölner Fitnessmesse FIBO. Haben Sie den Besuchern und Besucherinnen einen Einblick in die Trainingseinheiten eines Astronauten gewährt?
Genau. Als Astronaut ist es besonders wichtig, fit zu bleiben. Daher habe ich diese Messe besucht – genauso wie meine Kollegen, die Fitnesstrainer in unserem Astronautenzentrum sind. Ich selbst habe aber über ein Experiment berichtet, das ich weltweit durchgeführt habe. Ich habe ja ein halbes Jahr im Weltall gelebt. Wenn man einen so langen Zeitraum dort oben verbringt, dann bauen die Muskeln und Knochen stark ab. Man kann das in etwa mit einem Erdenmenschen vergleichen, der ein halbes Jahr lang nur im Bett liegt. Um diesem Muskelschwund entgegenzusteuern, machen wir im All Sport – jeden Tag zweieinhalb Stunden. Dazu gehört unter anderem eine Stunde Cardio-Training, also zum Beispiel Radfahren.
Radfahren im All: Wie funktioniert das?
Mit einem für das All umgebauten Hometrainer ohne Sattel – schließlich schweben wir dort oben. Zudem trainieren wir auf einem Laufband. Auch das funktioniert im All natürlich etwas anders. Wir tragen dazu eine Vorrichtung mit Gummibändern, die uns quasi auf das Laufband ziehen. Neben dem Cardio-Training betreiben wir täglich eine bis anderthalb Stunden Krafttraining. Das läuft in etwa wie beim Gewichtheben in der "Muckibude" ab. In der Schwerelosigkeit arbeiten wir aber nicht mit Gewichten, sondern drücken gegen einen Widerstand. Das Resultat aber ist das gleiche wie im Fitnesscenter. Auf diese Weise gaukeln wir unserem Körper vor, dass er auch dort oben seine Knochen braucht. Denn wenn sich die Knochen abbauen, wie in der Frühphase der Astronauten geschehen, hatte das damals mitunter zur Folge, dass die Toilette verstopft ist.
Wieso verstopfen die Toiletten, wenn sich die Knochen im All abbauen?
Lange Zeit wusste man nicht, woher diese Kalkablagerungen kamen. Irgendwann hat man dann festgestellt, dass es sich dabei um aufgelöste Knochenmasse handelte, die von den Astronauten über die Niere ausgeschieden wurde. Zudem besteht die Gefahr, dass sich Nierensteine bilden, die letztendlich zu einem Abbruch einer Mission führen können. Schon alleine, um diesem Problem vorzubeugen, müssen wir im Weltall Sport machen.
Und wo haben Sie mit Ihrem Experiment konkret angesetzt?
Wir können auf dem Fahrrad oder dem Laufband gewisse Muskeln trainieren. Aber: Jeder, der häufig am Schreibtisch sitzt und mit Rückenschmerzen zu kämpfen hat, weiß, dass nicht nur die großen Muskeln wichtig sind, sondern auch die kleinen, feinen Muskeln. Diese halten nämlich die Wirbelsäule stabil. Mit den Verfahren, die wir oben haben, können wir jene kleinen, feinen Muskeln leider noch nicht gut genug trainieren. Aus diesem Grund hatte ich bei meiner Mission ein ganz spezielles Sportgerät dabei, das viele kennen: ein EMS-Gerät. Verbunden mit der Idee, mein normales Sporttraining um kleine Elektroimpulse zu erweitern. Das Ergebnis war sehr positiv. Die ESA (European Space Agency; Anm.d.Red.) möchte diese Idee in Zukunft aufgreifen und bei anderen Astronauten anwenden.
Was ist EMS-Training?
- Die Abkürzung EMS steht für Elektromyostimulation. Beim EMS-Training bekommt man während des Workouts kleine Stromstöße versetzt. Dadurch sollen die Muskeln angeregt werden, stärker zu wachsen.
Sie sind der zwölfte Deutsche, der in den Weltraum gereist ist. Wie weit sind Sie aktuell von Ihrem Ziel entfernt, eines Tages den Mond zu betreten?
Ich bin dem Mond näher als jemals zuvor. Die ESA ist ein starker Partner der NASA, deren "Artemis"-Programm gerade die Rückkehr der Menschen zum Mond vorbereitet. Die Amerikaner waren zwischen 1969 und 1972 sechsmal auf dem Mond. Beim "Artemis"-Programm handelt es sich sozusagen um die Fortsetzung. Ende nächsten Jahres werden die ersten Astronauten wieder um den Mond herumfliegen. Auf dem Mond landen werden sie im Rahmen dieser "Artemis 2"-Mission allerdings nicht. Für das darauffolgende Jahr ist die "Artemis 3"-Mission geplant. Bis spätestens 2030 möchte Europa einen eigenen Astronauten auf dem Mond haben. Das heißt, dass sich da in den nächsten sechs Jahren sehr viel ergeben wird.
Wie kommen Sie da ins Spiel?
Die Antriebseinheiten respektive das Servicemodul, wie wir es nennen, wird in Bremen gebaut. Dieses Servicemodul geben wir der NASA. Und als Ausgleich dafür erhalten wir Mitfluggelegenheiten zum Mond. Es ist eine Art Tauschhandel, der uns bereits drei Plätze für Europäer garantiert. Ich hoffe natürlich, dass ich eines dieser drei Tickets bekommen werde. Bei aktuell sechs aktiven Astronauten liegt meine Chance, auf den Mond zu fliegen, momentan bei 50 Prozent. Zudem geht man davon aus, dass über die drei garantierten Plätze für Europäer noch weitere Flüge hinzukommen werden.
Wie funktioniert das Servicemodul?
- Maurer erklärt: "Wir haben eine Raumkapsel, in der vier Astronauten sitzen. Diese Kapsel wird von besagtem Servicemodul, das unter anderem die Raketenantriebe, die Sauerstoffversorgung und viele andere wichtige Instrumente beinhaltet, angetrieben."
Wie bereiten Sie sich schon jetzt auf diese Chance vor?
Ich muss natürlich gesund und fit bleiben, denn sonst dürfte ich nicht fliegen. Jedes Jahr findet ein Fitness- und Gesundheitstest statt. Darüber hinaus bereite ich mich aber auch technisch vor. Wir bauen in Köln gerade eine neue Anlage, ein neues Gebäudezentrum namens Luna, das im September eingeweiht wird. Dort werden wir – mit mir als Projektleiter – Astronauten auf Missionen zum Mond vorbereiten. Neben einer nachgebildeten Mondoberfläche wird es Systeme und Vorrichtungen geben, mit deren Hilfe Astronauten weniger wiegen werden. Denn auf dem Mond wiegt man weniger.
Das könnte eine Erklärung dafür sein, warum so viele Superreiche ins All fliegen wollen: Man wiegt dort weniger …
(lacht) Im All wiegen sie ja sogar gar nichts mehr. Auf dem Mars wiegt man ein Drittel und auf dem Mond ein Sechstel des irdischen Gewichts. Ich hatte auf der ISS sogar fünf Touristen mit dabei – darunter ein japanischer Milliardär. Der war so reich, dass er sogar seinen Sekretär mitgebracht hat.
Wie wichtig ist es, dass in absehbarer Zeit erstmals Europäer den Mond betreten werden?
Es ist sehr wichtig, dass Europa mit dabei ist. Die Raumfahrt ist eine Art Gütesiegel – ein Aushängeschild dafür, was eine Region oder ein Land in der Lage ist zu tun. Deutschland ist ein Technologieland. Der Wohlstand unserer Gesellschaft hängt davon ab, dass wir immer ein Stück moderner und weiter voraus sind als andere Länder. Aktuell sehen wir aber, dass im Bereich der Raumfahrt massiv investiert wird. China hat eine eigene Raumstation, ist unbemannt bereits auf dem Mond gelandet. Russland und die USA sind uns natürlich auch um einiges voraus. Korea und Japan bereiten sich vor, sogar Indien baut eine eigene Kapsel. Einige Länder, die zum Teil heute noch Entwicklungshilfe von Deutschland bekommen, sind technologisch eigentlich schon an uns vorbeigezogen. Der Wettlauf im All ist in vollem Gange. Wir müssen aufpassen, dass wir in diesem sehr dynamischen Umfeld nicht den Anschluss verlieren.
Warum ist es so wichtig, dass Deutschland den Anschluss nicht verliert?
Es ist ein Zukunftsmarkt. Vor 20, 30 Jahren ist das Internet entstanden. Damals konnten viele Menschen nicht viel damit anfangen. Heute läuft das ganze Internetgeschäft in den USA. Und genauso dynamisch entwickelt sich auch der Weltraummarkt. Nehmen wir nur die Firma SpaceX, die es vor 20 Jahren noch nicht gab. Damals war noch die ESA Weltmarktführer im Transport von Satelliten ins All. Im letzten Jahr hat SpaceX rund 100 Raketen ins All geschickt, wir von der ESA jedoch nur drei. Die Rolle als Weltmarktführer haben wir längst verloren. Das Thema Raumfahrt wird in Zukunft aus unserem Alltagsleben nicht mehr wegzudenken sein.
Woran machen Sie das fest? Haben Sie konkrete Beispiele?
Jeder, der ein Handy hat, nutzt grundsätzlich Satellitentechnologie. GPS ist die eine Sache, Wetterdaten oder Übertragungen von Live-Events sind die andere. Aber auch unsere Energienetze oder die Börsenkurse erfordern ein Zeitsignal, das von den Navigationssatelliten kommt. Der Klimawandel ist ein weiterer wichtiger Punkt. Über 80 Prozent der Kennwerte, die man braucht, um den Klimawandel zu verstehen und Prognosen zu erstellen, entnehmen wir Satelliten.
Themensprung: Ihr Kollege Ulrich Walter ist davon überzeugt, dass es Aliens gibt, glaubt aber nicht daran, dass wir Erdenmenschen jemals auf außerirdisches Leben treffen werden. Sehen Sie das genauso?
Dass es Aliens gibt, kann ich beweisen.
Wie das? Das klingt nach einer Sensation.
Ich war ja für ein halbes Jahr selbst ein Alien (lacht) – also ein Außerirdischer. Spaß beiseite: Wenn man sich vorstellt, wie groß das Universum ist, dann ist davon auszugehen. Es gibt rund 200 Milliarden Galaxien – und in jeder Galaxie circa 100 Milliarden Sterne mit Sonnensystemen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es noch eine zweite Erde gibt, ist enorm hoch. Viele Astrobiologen sagen, dass die Frage nicht lautet, ob es noch eine zweite Erde gibt, sondern wann wir diese entdecken. Wir reden hier erst einmal nur von einer weiteren Erde mit lebensfreundlichen Bedingungen. Ob dort allerdings ein Leben wie auf unserer Erde stattfindet, steht wiederum auf einem anderen Blatt.
Wie groß könnte das Spektrum mit Blick auf eine zweite Erde sein?
Von kleinen Einzellern über Algen, Amöben, Pflanzen oder Tiere bis zu intelligentem Leben. Das Universum ist so reichhaltig und spannend, dass es mich überhaupt nicht überraschen würde, wenn es irgendwo anders intelligentes Leben gäbe. Ich bin aber schon bei Ulrich Walter. Für unsere Generation sind die Entfernungen viel zu groß. Dementsprechend klein ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit Außerirdischen in Kontakt treten werden. Andererseits entwickelt man sich immer weiter, die Technologie schreitet weiter voran.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Matthias Maurer am 11. April am Messestand von milon, five und EasyMotionSkin auf der Fitnessmesse FIBO in Köln
- Barmer: Wie effektiv ist EMS-Training beim Muskelaufbau?
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