Die Reise der Sonde "New Horizons" zum Pluto war erfolgreich. Im Nasa-Kontrollzentrum löste das um Stunden verzögerte Bestätigungssignal großen Jubel aus. Der Planetenforscher Ulrich Köhler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärt im Interview, was das bedeutet.
Herr Köhler, das Nasa-Kontrollzentrum betont, dass "New Horizons" den Vorbeiflug am Pluto unbeschadet überstanden hat. Was können wir aus dem Signal schließen, das die Erde erreicht hat?
In der Ebene des Pluto und seiner Monde, die "New Horizons" durchflogen hat, hätten Gesteins- oder Eisbrocken sein können. Schon große Staubkörner hätten die Sonde beschädigen können, die mit rund 50.000 Stundenkilometern auf den Pluto zugeflogen ist. Sie ist dann im Abstand von 12.000 Kilometern knapp an ihm vorbei geflogen und hat sich anschließend wieder entfernt. Während der Vorbeiflug-Phase hat "New Horizons" ausschließlich ihre wissenschaftliche Arbeit ausgeführt und keine Daten zur Erde übertragen. Als dann das Raumschiff wieder zur Erde gedreht wurde und das Signal abgesetzt hat, das nach viereinhalb Stunden ankam, war das natürlich eine Erleichterung – deswegen die große Freude. Das was ankam, waren sogenannte "Housekeeping Daten", also eine Art Protokoll darüber, was die Sonde gemacht hat. Und die sehen so aus, als ob alles so funktioniert hat, wie es vorgesehen war.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach der Vorbeiflugphase kommt jetzt noch eine Phase, in der die Sonde sozusagen zurückblickt und weitere Daten sammelt, während sie sich vom Pluto entfernt. Gleichzeitig überträgt sie so gut es geht Daten. Insgesamt wird es aber 16 Monate dauern, bis alles auf der Erde ist.
Was passiert anschließend mit der Sonde?
Die Nasa hat sich drei Ziele in der Region unseres Sonnensystems ausgesucht, wo ähnliche Brocken sind wie der Pluto, nur nicht ganz so groß. "New Horizons" hat noch etwas Treibstoff an Bord, mit dem die Wissenschaftler die Bahn des Raumschiffs ändern können. Bis Dezember will die Nasa entscheiden, welchen dieser Körper sie mit einem kleinen Bahnmanöver anfliegen will.
Wie lange kann die Sonde noch arbeiten?
Entscheidend ist dabei zum einen der Treibstoff, um Bahnänderungen zu machen. Das andere ist der Strom. In der Region ist die Sonne so weit entfernt, dass wir keinen Solarstrom erzeugen können. Die Sonde bekommt ihren Strom von einer Plutoniumbatterie. Damit ist sie noch etwa zehn Jahre lang versorgt.
Welche Erkenntnisse erhoffen sich die Wissenschaftler von der Mission?
Das wichtigste übergeordnete Thema ist, herauszufinden, wie sich die Körper des Sonnensystems vor viereinhalb Milliarden Jahren gebildet haben. Dabei sind solche Objekte ganz weit draußen eine große Hilfe. Sie sind möglicherweise fast unverändert. Das Material um die junge Sonne wurde in Form einer Scheibe ausgedünnt, es haben sich Planeten gebildet, die Planeten haben sich ständig verändert – das gilt auch für unsere Erde. Sie haben anderes Material aufgesogen, haben Monde gebildet. Aber je weiter man nach außen kommt, umso ursprünglicher sind die Bedingungen. Das macht die Körper in der sogenannten "Dritten Zone" hinter dem Uranus und Neptun so interessant für uns.
Manche Forscher halten es für möglich, dass in einem vermuteten Wasserkern Plutos primitive Lebensformen sein könnten. Kann "New Horizons" Hinweise darauf liefern?
Nur begrenzt. Wenn wir herausfinden können, dass unter der -230 Grad kalten Eiskruste von Pluto noch etwas Wasser vorhanden ist, kann man das Thema unter einem anderen Gesichtspunkt betrachten. Aber aus den Daten der Sonde wird man nicht herausbekommen, ob es dort Leben gibt. Das ist noch sehr spekulativ.
Welchen Stellenwert hat die Mission für die Weltraumforschung?
Das war allein aus technischer Sicht schon eine grandiose Leistung. Was wir in der jüngsten Zeit erleben, sind schon wichtige Meilensteine. Vor weniger als einem Jahr sind die Europäer mit der Rosetta-Mission auf einem Kometen gelandet, der auch aus dieser Region stammt. Das war sogar ein noch komplexeres Projekt.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist auch viel erreicht worden. Wir haben alle wichtigen Körper unseres Sonnensystems besucht – manche sogar mehrmals wie den Mars, der näher zur Erde ist. Mein Chef hat mal den schönen Satz geprägt, "Wir sind jetzt am Ende der Küstenschifffahrt." Wie Magellan haben wir alle Küsten der Kontinente einmal befahren. Wir wissen jetzt ungefähr, wie es aussieht. Wissenschaftlich konnten wir grundsätzliche Fragen beantworten und technisch haben wir in den letzten Jahren gezeigt, was für komplexe Projekte möglich sind. Wir stehen jetzt also schon an der Schwelle zu einer neuen Zeit.
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