Früher oder später bekommen wir alle Falten. Viele versuchen, mit einem gesunden Lebensstil, Botox oder anderen Mitteln dagegen anzukämpfen. Wissenschaftler fanden heraus: Das hat einen psychologischen Grund. Sie zeigten auch, dass Falten den Alterungsprozess beschleunigen können.
Egal, wie viel Wasser wir trinken oder welche vermeintlichen Wundercremes wir nutzen: Früher oder später zieren Falten jedes Gesicht. Die wenigsten Menschen heißen die Ankunft von Runzeln und Linien willkommen.
Entsprechend intensiv arbeitet die Kosmetikindustrie an Gegenmitteln. Auch die Forschung beschäftigt sich mit der Alterung unserer Haut – und kommt zu erstaunlichen Erkenntnissen.
Versuch zeigt: Falten machen unsympathisch
Kaum jemand wünscht sich Falten – und glaubt man der Wissenschaft, dann hat diese Abneigung ihre Berechtigung: So berichtete eine Forschungsgruppe der Berliner Humboldt-Universität 2023 im Journal "Acta Psychologica" von einem Versuch, bei dem gut 350 Probanden Bilder virtueller Personen gezeigt bekamen. Deren Gesichter gab es jeweils in zwei Varianten: mit Runzeln und ohne. Tatsächlich wirkten knitterfreie Antlitze attraktiver, insbesondere bei Frauen. Zudem schrieben die Studienteilnehmer faltigen Gesichtern mehr negative Gefühle und einen schlechteren Charakter zu.
Angesichts solcher Ergebnisse ist es kein Wunder, dass viele Menschen Cremes, Botox oder chirurgische Eingriffe nutzen, um der Alterung der Haut etwas entgegenzusetzen. Während ein Teil des Alterungsprozesses genetisch bedingt ist, geht ein anderer Teil auf äußere Faktoren zurück – etwa ultraviolette Strahlung der Sonne, Hitze und Kälte oder Luftverschmutzung, aber auch Lebensstilfaktoren wie ungesunde Ernährung, Alkohol- und Nikotinkonsum sowie Stress.
Falten können Alterungsprozess vorantreiben
Falten sind ein sichtbares Kennzeichen des menschlichen Alterungsprozesses – und könnten gar selbst die Alterung des Körpers vorantreiben. Dieser Verdacht beruht auf der Beobachtung, dass gealterte Haut mehr sogenannte seneszente Zellen enthält: Diese "Zombiezellen", wie sie etwas flapsig auch bezeichnet werden, teilen sich nicht mehr wie gesunde Zellen, sterben aber auch nicht ab. Der Prozess dient eigentlich unserem Schutz, verhindert er doch, dass sich alte Zellen, in denen sich unter Umständen DNA-Schäden angehäuft haben, weiter vermehren.
Seneszente Zellen sind allerdings weiter stoffwechselaktiv und schütten Substanzen aus, die entzündungsfördernd wirken – und mit einer Reihe von Krankheiten wie Demenz, Diabetes, Bluthochdruck und Krebs in Verbindung gebracht werden. Mit anderen Worten: Es ist denkbar, dass Falten nicht nur Ausdruck des Alterns sind, sondern dafür sorgen, dass auch andere Gewebe oder Organe altern.
Dies untersucht Cláudia Cavadas von der portugiesischen Universität Coimbra. Die Neurowissenschaftlerin veröffentlichte 2022 im Fachblatt "Trends in Molecular Medicine" einen Meinungsartikel unter dem Titel "Seneszenz der Haut: Mechanismen und Auswirkungen auf die Alterung des gesamten Körpers".
Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zeichnet Cavadas nach, wie sie zu dem Thema gekommen ist: Ursprünglich habe sie sich mit der Verbindung des Hirnareals Hypothalamus zu Alterungsprozessen beschäftigt. Dann hörte sie 2009 von einer im Fachblatt "Science" veröffentlichten Studie, der zufolge Affen, deren Kalorienzufuhr begrenzt wurde, länger lebten: "Dieser Zusammenhang war nicht neu, aber mir fielen vor allem die zur Studie veröffentlichten Fotos auf: Die Tiere wirkten viel jünger als ihre Artgenossen, die futtern durften – mein Interesse war geweckt."
Bei einer Konferenz habe ein Kollege berichtet, dass anhand von Fotos erkennbar sei, ob ein Mensch an einer kardiovaskulären Erkrankung leide, erinnert sich Cavadas: "Gleichzeitig beschäftigte ich mich mit seneszenten Zellen. Die Haut ist unser größtes Organ und altert unter inneren und äußeren Einflüssen. Meine Idee war: Vielleicht könnten wir Alterung generell aufhalten, wenn wir verhindern, dass sich seneszente Zellen verbreiten?"
Hauterkrankungen als Alzheimer-Auslöser?
Einer anderen Studie zufolge zeigten Mäuse, deren Haut durch UV-Licht zum Altern gebracht wurde, Unterschiede im Gedächtnis, so Cavadas. Hinzu kämen vereinzelte Hinweise, dass Menschen mit bestimmten Hauterkrankungen früher Alzheimer bekämen.
Dass eine alternde Haut die Alterung insgesamt vorantreiben könnte, würde Sinn haben, erklärt die Wissenschaftlerin: "Jedes Mal, wenn ein Organ altert, greift die Alterung auf andere Organe über. Insofern wäre es nicht überraschend, dass sich das Altern der Haut auch auf die Alterung anderer Körperteile auswirkt – möglicherweise ausgehend von den Entzündungsmolekülen aus den seneszenten Zellen der Haut." Dies müsse allerdings noch belegt werden.
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Falten verhindern – keine Frage der Eitelkeit
"Denken wir an die vielen Faktoren, welche die Hautalterung beeinflussen, sehen wir diese Zusammenhänge schon", merkt Cavadas an. "Denken wir zum Beispiel an Schlaf: Eine Nacht mit zu wenig Schlaf sehen wir nicht nur unserer Haut an, sondern merken auch, dass wir geistig nicht ganz auf der Höhe sind. Das ist einfach Physiologie: Unsere Organe sind nicht getrennt, sondern kommunizieren. Entsprechend ist die Idee einer Haut-Hirn-Achse nicht so abwegig."
Altern ist der Forscherin zufolge ein ganzheitlicher Prozess. Es reiche nicht, sich gut um seine Haut zu kümmern, wenn gleichzeitig Darm, innere Uhr und andere Faktoren vernachlässigt würden. "Die Haut ist nur ein Teil des Puzzles. Entsprechend bedeuten viele Falten auch nicht, dass jemand kürzer lebt. Das gesamte Bild ist relevant. Aber der Schutz der Haut vor altersfördernden Faktoren wie der Sonne ist wichtig."
Das Altern der Haut verhindern zu wollen, sei nicht nur eine Frage der Eitelkeit, erläutert Cavadas: "Wir wissen, dass 90 Prozent aller Erkrankungen auf das Konto von Alterungsprozessen gehen", darunter etwa Demenz und Leberprobleme. "Umso wichtiger ist es, das eigene biologische Alter – im Vergleich zum chronologischen Alter, gegen das man nichts tun kann – niedrig zu halten. Wenn wir also das Altern verzögern – auch das der Haut –, verzögern wir diese Erkrankungen, auch wenn wir sie nicht ganz verhindern können", so Cavadas' Vermutung.
Hautalterung beginnt bereits mit 25 Jahren
So individuell die Entstehung von Falten voranschreitet, deuten Studien darauf hin, dass die Hautalterung bereits mit dem 25. Lebensjahr beginnt. Frühe Hautschäden gehen vor allem auf das Konto von UV-Strahlung: Diese dringt tief in Hautschichten ein und verursacht dort Zellschäden. Die sich bildenden freien Radikale sind für den sogenannten oxidativen Stress verantwortlich, der Kollagen- und Elastinfasern abbaut – beides Stoffe, welche für Spannkraft und Elastizität der Haut zentral sind.
Gleichzeitig verliert die Haut durch den Mangel an Kollagen und Hyaluronsäure die Fähigkeit, Wasser zu speichern, und trocknet aus. Hinzu kommt das Schrumpfen der Unterhautfettschicht. Diese Entwicklungen fördern die Bildung von Linien und Furchen und sind einer 2021 im Fachblatt "Scientific Reports" veröffentlichte Meta-Analyse zufolge unvermeidlich.
Warum manche Menschen früher Falten bekommen
Entsprechend sind diese Prozesse bei allen Menschen zu beobachten – dennoch bleiben manche bis ins Alter faltenfrei, während andere schon in jungen Jahren deutliche Zeichen der Hautalterung zeigen. Ein Grund dafür könnte einem US-Forschungsteam zufolge in Mikroorganismen zu finden sein, die unsere Haut besiedeln.
Wie die Gruppe Ende 2023 im Fachblatt "Frontiers in Aging" beschrieb, hängt eine größere Vielfalt im Mikrobiom der Haut mit mehr Krähenfüßen – also den Fältchen um die äußeren Augenwinkel – zusammen. Gleichzeitig scheine eine vielfältigere Besiedlung der Haut mit Bakterien und anderen Mikroorganismen aber auch Vorteile zu haben, da sie zu weniger Wasserverlust oder Feuchtigkeitsmangel in anderen Hautregionen führe.
Es sei allerdings noch zu früh, um aus diesen Ergebnissen mögliche Wege abzuleiten, mit denen das Mikrobiom in Richtung weniger Falten beeinflusst werden könnte, so die Gruppe, die mit einem Kosmetik-Hersteller zusammenarbeitete.
30 Jahre jünger dank Spenderzellen
Zur Bekämpfung der Hautalterung könnte indes einmal eine Technik eingesetzt werden, die auf embryonale Stammzellen setzt. So gelang es britischen Forschenden 2022, die Hautzellen einer 53-jährigen Frau derart zu verjüngen, dass sie denen einer 23-Jährigen entsprachen.
Wie die Gruppe im Fachblatt "eLlife" berichtet, nutzte sie dafür eine Methode, die bereits kurz vor der Jahrtausendwende beim Klonschaf-Dolly eingesetzt und später von dem japanischen Stammzellenforscher Shinya Yamanaka weiterentwickelt wurde: Grob gesagt werden dabei Chemikalien eingesetzt, um erwachsene Zellen in sogenannte iPS-Stammzellen (induzierte pluripotente Stammzellen) umzuwandeln.
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Mithilfe dieser Methode in effizienterer Form behandelte das Team Hautzellen-Spenden einer 53 Jahre alten Frau im Labor. Diese Spenderzellen wandelten sich allerdings nicht in Stammzellen, sondern blieben Hautzellen – mit einem bemerkenswerten Unterschied: Sie sahen nicht nur aus, als kämen sie von einer 30 Jahre jüngeren Person, sondern funktionierten auch so.
Die Zellen produzierten mehr Kollagenproteine – also jene Substanz, die der Haut Spannkraft verleiht - und wanderten schneller in Bereiche, die repariert werden müssen. Einer Anwendung am Menschen stehen allerdings noch große Hürden im Weg: So erhöht die iPS-Methode das Krebsrisiko – vermutlich, da sie dauerhafte genetische Veränderungen an den Zellen verursacht. (Alice Lanzke, dpa/mak)
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