Wissenschaftlern ist es gelungen, einen Menschen mittels einer Stammzellentransplantation vom HI-Virus zu heilen. Es ist weltweit erst das zweite Mal, dass eine solche Behandlung erfolgreich durchgeführt werden kann. Von einer dauerhaften Möglichkeit der Heilung zu sprechen, wäre aber verfrüht.

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Zum zweiten Mal ist ein HIV-Patient nach einer Stammzellentransplantation virenfrei. Das berichten Mediziner des University College London in der Fachzeitschrift "Nature".

Dem an Lymphdrüsenkrebs, dem sogenannten Hodgin-Lymphom, erkrankten Mann waren demnach Stammzellen eines Knochenmarkspenders mit einer seltenen genetischen Veränderung transplantiert worden.

Durch die Genmutation ist der von den meisten HI-Viren genutzte Rezeptor auf der Oberfläche der Zelle fehlerhaft. Diese genetische Veränderung übertrug sich mit den Stammzellen vom Spender auf den Empfänger.

Nach der Transplantation im Mai 2016 behandelten die Ärzte den "Londoner Patienten" 16 weitere Monate mit einer antiretroviralen Therapie gegen HIV. Dann wurde die Therapie abgesetzt. Mittlerweile sind weitere 18 Monate vergangen, in denen er keine Symptome der HIV-Infektion zeigt.

Timothy Brown war erster Geheilter

Die bisher einzige dokumentierte Heilung eines HIV-Patienten ist der Fall des US-Bürgers Timothy Brown im Jahr 2007. Brown litt an Leukämie.

Gero Hüter, der Brown an der Berliner Charité behandelte, verweist darauf, dass einige Patienten, die in der Zwischenzeit die gleiche Behandlung erhalten hatten, früh an Komplikationen oder Rückfällen ihrer Krebserkrankungen gestorben seien.

Die Heilung setzte bei dem als "Berliner Patienten" bekannt gewordenen Brown ein, nachdem ihm Knochenmark von einem Spender transplantiert worden war. Dieses wies eine genetische Veränderung auf, die eine Infektion mit HIV verhindert - wie jetzt auch im Fall des "Londoner Patienten".

Bestätigung für den Fall Brown

"Wir haben gezeigt, dass der 'Berliner Patient' keine Anomalie war", erklärte Ravindra Gupta, Professor an der Universität von Cambridge und Leiter der Studie. Gupta und sein Team betonen jedoch, dass eine Stammzellentransplantation - eine gefährliche und schmerzvolle Prozedur - keine brauchbare Option zur Behandlung von AIDS darstellt.

Auch Hüter und Hans-Georg Kräusslich, Direktor der Abteilung Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg, betonen, dass die Stammzellentransplantation zukünftig keine Option für die Heilung der HIV-Infektion sei, wenn die Transplantation nicht durch andere Erkrankungen des blutbildenden Systems erforderlich sei.

Es handele sich um einen "massiven Eingriff" mit "signifikantem Risiko, der angesichts einer in der Regel gut verträglichen und langfristig wirksamen antiviralen Therapie nicht vertretbar wäre", erklärte Kräusslich.

Der zweite Fall einer sogenannten Remission, bei der keinerlei Symptome der Infektion festzustellen sind, werde den Wissenschaftlern aber dabei helfen, die Zahl der Behandlungsstrategien zu einzugrenzen.

Deutscher Wissenschaftler von Heilung nicht überzeugt

Der Fall des "Londoner Patienten" sei "ein ermutigendes Zeichen, aber kein Beweis für Heilung", erklärte Kräusslich. Ein Baby in den USA habe insgesamt 27 Monate nach der Therapie keine nachweisbare Virusmenge gehabt, danach sei das Virus aber wieder aufgetreten.

Knapp 37 Millionen Menschen weltweit sind mit dem HI-Virus infiziert, 59 Prozent von ihnen erhalten eine antiretrovirale Therapie (ART), die sie jedoch nicht von dem Virus befreit. Die lebenslange Einnahme von Medikamenten, die das Virus in Schach halten, ist derzeit die einzige Möglichkeit, HIV zu behandeln.

Dies sei vor allem in Entwicklungsländern eine besondere Herausforderung, wo Millionen Menschen keinen Zugang zu angemessener Behandlung hätten, erklärte Gupta.

Lang erwarteter Erfolg der Wissenschaft

Dr. Keith Jerome, weltweit einer der renommiertesten HIV-Forscher, kommentierte die per Stammzellentransplantation gelungene Heilung gegenüber der "New York Times" so: "Diejenigen von uns, die auf diesem Gebiet tätig sind, haben sehnsüchtig darauf gewartet, dass mit diesem Vorgehen eine zweite Heilung klappt. Solange Timothy Brown der Einzige war, haben wir uns immer gefragt, ob er womöglich auch der Einzige bleibt."

Für Georg Behrens, Präsident der Deutschen AIDS-Gesellschaft, sind die Ergebnisse sehr vielversprechend: "Diese Behandlung ist zwar sehr experimentell, bringt uns aber dennoch voran, da sie für eine begrenzte Zahl von Patienten neue Optionen erschließt."

Jedes Jahr sterben etwa eine Million HIV-Patienten an Erkrankungen, die mit dem Virus in Zusammenhang stehen. Ein neuer, gegen Medikamente resistenter HI-Virus bereitet Experten zunehmend Sorge. (hau/AFP/dpa)

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