Eine Pilotstudie macht Hoffnung für Fortschritte bei der Immuntherapie gegen Krebs: In den USA wurden Patienten erstmals mit der Genschere CRISPR/Cas9 behandelt. Damit können T-Zellen des Immunsystems mehrfach verändert werden, damit sie Krebszellen abtöten.
Die biochemische Methode CRISPR/Cas9 macht es Wissenschaftlern möglich, das Erbgut in Zellen zu verändern. Mithilfe dieser sogenannten Genschere haben US-Forscher nun bei drei Patienten Gene von T-Zellen des Immunsystems gleich mehrfach modifiziert. Die veränderten T-Zellen waren in den Patienten nach bis zu neun Monaten noch in der Lage, Krebszellen abzutöten.
Die Forscher um Carl June von der University of Pennsylvania in Philadelphia sprechen in der Fachzeitschrift "Science" von einem Machbarkeitsnachweis. Auch deutsche Experten sind beeindruckt.
Verfahren ohne schwere Nebenwirkungen
Das Verfahren ist eng verwandt mit einer bestehenden Immuntherapie gegen Krebs, der sogenannten CAR-T-Zell-Therapie. Dabei wird einem Patienten Blut entnommen und ein Teil der darin enthaltenen T-Zellen genetisch so verändert, dass sie Krebszellen erkennen und zerstören.
Die jetzige Studie ist die erste, bei der in den USA die Genschere CRISPR/Cas9 beim Menschen eingesetzt wurde. Damit entfernten die Wissenschaftler zunächst Gene für zwei Rezeptoren, die die T-Zellen üblicherweise an ihrer Oberfläche entwickeln. Außerdem schnitten sie aus dem Erbgut der T-Zellen das Gen für den Rezeptor PD-1, der unter bestimmten Bedingungen T-Zellen hemmt.
Zwei Patienten hatten ein multiples Myelom, eine Form von Blutkrebs, der dritte hatte ein Sarkom, das bereits Metastasen gebildet hatte. Ihnen wurde zunächst Blut entnommen, daraus isolierten die Forscher dann die T-Zellen und veränderten deren Erbgut. Sie vermehrten die modifizierten T-Zellen und brachten sie durch Infusion wieder in die Patienten ein.
Das Vorgehen drängte den Krebs zwar nur bei einem Patienten leicht zurück, allerdings ging es in der Phase-1-Studie vor allem um die Sicherheit des Verfahrens. "Dies ist die erste Bestätigung für die Fähigkeit der CRISPR/Cas9-Technologie, mehrere Gene beim Menschen gleichzeitig ins Visier zu nehmen", wird June in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.
Insbesondere vermeide diese Methode die zum Teil lebensgefährlichen Nebenwirkungen der CAR-T-Zell-Therapie. Schwere Nebenwirkungen gab es den Forschern zufolge nicht.
Zu komplex für den klinischen Alltag?
Jennifer Doudna, die die CRISPR/Cas9-Methode 2012 erstmals mitbeschrieben hatte, und Jennifer Hamilton, beide von der University of California in Berkeley, loben in einem "Science"-Kommentar die Arbeit von June und Kollegen: "Die Ergebnisse stellen einen wichtigen Fortschritt in der therapeutischen Anwendung der Genbearbeitung dar und verdeutlichen das Potenzial, die Entwicklung zellbasierter Therapien zu beschleunigen."
Ähnlich äußert sich Niels Halama vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Er sieht in der Methode den "zwingend logischen nächsten Schritt" in der T-Zell-Therapie. Die Studie zeige vor allem, dass die Methode anwendbar und sicher sei.
Sein DKFZ-Kollege Patrick Schmidt ist zurückhaltender. Das Verfahren sei zu aufwendig und komplex, um in absehbarer Zeit Einzug in den klinischen Alltag halten zu können. Den Fortschritt sieht er vor allem in dem Nachweis, dass die Genschere potenziell in der Krebstherapie eingesetzt werden könne.
Gerald Willimsky von der Berliner Charité spricht von einer "wichtigen Studie" und hebt das Verbesserungspotenzial hervor: Seit der Genehmigung der Studie im Jahr 2016 habe es noch bedeutende Verbesserungen bei der CRISPR/Cas9-Technologie gegeben.
Doudna und Hamilton betonen jedoch in ihrem Kommentar: "Diese Studie beantwortet nicht die große Frage, ob mit CRISPR bearbeitete T-Zellen gegen fortgeschrittenen Krebs effektiv sind." (awa/dpa)
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