Es ist die "schöne" Zeitumstellung, die uns am Wochenende erwartet. Das liegt nicht nur daran, dass wir eine Stunde zurückbekommen. Wir leben auch wieder in der Normalzeit, die uns am ehesten entspricht, wie Wissenschaftler immer wieder betonen.

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Fast scheint es, als würde Meister Hora, der Verwalter der Zeit in Michael Endes berühmten Roman "Momo", uns eine zusätzliche Stunde als Geschenk überreichen.

Zeitumstellung
Eine Stunde zurück! Am Sonntag stehen die Uhren wieder auf Normalzeit, was bedeutet: Mehr Helligkeit morgens, abends wird es früher dunkel. © Getty Images/iStockphoto/baona

Wir haben plötzlich mehr Zeit, weil in der Nacht auf Sonntag die Uhr zurückgestellt wird. Morgens beim Aufstehen freuen wir uns, dass es heller ist als um dieselbe Zeit am Tag zuvor. Die Kehrseite allerdings: Von einem Tag auf den anderen wird es abends eine Stunde früher dunkel.

Gut zu wissen bei alledem: Die Zeitumstellung an diesem Wochenende bringt uns nicht nur die im Frühjahr geopferte Stunde zurück, sondern auch die Normalzeit. Es ist die Zeit, die vor Einführung der Zeitumstellung galt und unserem Biorhythmus eher entspricht als die Sommerzeit, wie Wissenschaftler immer wieder aufzeigen.

Obwohl sie nicht gut für uns ist: Positive Gefühle beim Wort Sommerzeit

Dass umgangssprachlich von Winterzeit die Rede ist, empfinden viele als irreführend. Etwa wenn bei Umfragen erhoben wird, ob man eine dauerhafte Sommerzeit oder Winterzeit bevorzugen würde: Kritiker meinen, allein der Begriff Sommerzeit wecke unbeschwerte Erinnerungen.

Tatsächlich: Eine große Mehrheit der Deutschen mag Frühling (36 Prozent) und Sommer (50 Prozent) lieber als Herbst (neun Prozent) und Winter (fünf Prozent), wie eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens "Splendid Research" zeigte. Es wäre nachvollziehbar, wenn das Wort Sommerzeit bei so manchem schon positive Gefühle erzeugt. Für die meisten Wissenschaftler, vor allem Chronobiologen, die sich mit der inneren Uhr des Menschen beschäftigen, gilt das aber wohl nicht.

Kann man die Zeitumstellung nicht abschaffen?

  • Mehr als 80 Prozent von 4,6 Millionen teilnehmenden EU-Bürgern (überdurchschnittlich viele davon in Deutschland) sprachen sich in einer nicht repräsentativen Umfrage der EU-Kommission 2018 gegen die Zeitumstellung aus. Auch wenn nur ein geringer Anteil der EU-Bevölkerung teilgenommen hatte: Das EU-Parlament stimmte im März 2019 für die Abschaffung - die bis heute nicht umgesetzt ist. Die Staaten wollen einen Flickenteppich vermeiden und müssten sich folglich einigen, ob künftig die Sommer- oder Normalzeit gelten soll. Aufgrund der unterschiedlichen Zeitzonen mit entsprechend unterschiedlichem Tagesanbruch gestaltet sich das schwierig. Ein Vorschlag von Wissenschaftlern lautet, verschiedene Zeitzonen nach chronobiologischen Aspekten einzuführen.

Auf Knopfdruck umstellen? Bei der inneren Uhr funktioniert das nicht

In der Wissenschaft herrscht große Einigkeit darüber, dass eine dauerhafte Sommerzeit eine Fehlentscheidung wäre. Bereits jetzt, mit der jährlichen Umstellung auf die Sommerzeit, lebten wir sozusagen "sieben Monate im Jahr in einer falschen Zeitzone". Das hielten die Wissenschaftler Thomas Kantermann (Chronobiologe), Ingo Fietze (Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Berliner Charité) und Jürgen Zulley (Biologe und Schlafforscher) in einem Plädoyer für dauerhafte Normalzeit in "Spektrum der Wissenschaft" fest.

Die Normalzeit harmoniert eher mit unserer "inneren Uhr", die die Abläufe in unserem Körper mit dem 24-Stunden-Rhythmus der Umwelt synchronisiert. Dafür ist das Tageslicht entscheidend. Sonnenauf- und -untergang bestimmen demnach "unerbittlich die Zeit, binnen derer wir etwas leisten können oder besser ruhen sollten. Und einfach verschieben, selbst um nur 60 Minuten, lässt sich dieses biologische System nicht." Bei Dunkelheit schütten wir Melatonin aus, das zu den Stoffen gehört, die den Schlaf einleiten. Das anbrechende Tageslicht wiederum unterdrückt dieses Hormon, dann übernimmt der Wachmacher Kortisol.

Tageslicht pendelt unseren Körper ein

Das Problem vor allem zu Beginn der Sommerzeit im Vergleich zur Normalzeit: Morgens ist es zu dunkel, das schwächt die Synchronisation unserer inneren Uhr mit der Umwelt. Wir weichen von unserer inneren Uhr ab, was als "sozialer Jetlag" bezeichnet wird. Abends ist es zu hell, sodass wir zu spät müde werden und Schlafmangel entsteht - ein Problem, das wir durch künstliches Licht ohnehin schon haben. Die Sommerzeit verschärft es noch einmal.

Schlafmangel wiederum bedeutet Gefahren für die Gesundheit: Das Risiko für Bluthochdruck, Herzrhythmusstörung, Herzschwäche und Stoffwechselerkrankungen steigt ebenso wie die Neigung, mehr und fettreicher zu essen und sich weniger zu bewegen. Studien aus Schweden und den USA belegen sogar ein leicht erhöhtes Herzinfarktrisiko nach der Zeitumstellung im Frühjahr. Die Leistungsfähigkeit sinkt, was etwa eine Studie mit jungen Menschen an der Cornell University in New York zeigte: Die Umstellung auf Sommerzeit führte bei Studenten zu Schlafmangel, verzögerten Reaktionszeiten und mehr Fehlern.

Wissenswertes zur unbeliebten Zeitumstellung

  • Bei einer Umfrage im Auftrag unserer Reaktion sprachen sich im vergangenen Jahr 44 Prozent für dauerhafte Normal- und 42 Prozent für dauerhafte Sommerzeit aus.
  • Im März waren 75 Prozent in einem repräsentativen Meinungsbild des Forschungsinstituts YouGov für ein Ende des doppelten Uhrendrehens. Nur 18 Prozent wollen die Zeitumstellung beibehalten.
  • Erst­mals gab es die Sommerzeit von 1916 bis 1918, dauerhaft seit 1980. Einheitlich in der EU wird seit 1996 umgestellt. Das Ziel war, Energie einzusparen, doch zeigten sich kaum nennenswerte Effekte.
  • Die Uhren werden immer am letzten Sonntag im Oktober von 3.00 Uhr auf 2.00 Uhr zurück- und am letzten Sonntag im März kommenden Jahres wieder um eine Stunde vorgestellt.

Kaum bewusst: Sommerzeit bringt uns aus dem Takt

Bewusst scheinen die negativen Effekte den meisten aber nicht zu sein: Gut zwei Drittel aller Menschen glaubten ungeachtet aller wissenschaftlichen Fakten, dass die Sommer­zeit sie nicht negativ beein­flusse, bemerkt Stiftung Warentest in einem Bericht über die Gefahren für die Gesundheit durch die Sommerzeit.

Eine 2007 in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlichte Studie mit 55.000 Teilnehmern zeigte, wie sie uns aus dem Takt bringt. Zur Normalzeit passen sich unsere Schlafenszeiten den saisonalen Veränderungen der Morgendämmerung an. Die Umstellung auf Sommerzeit aber beeinträchtigte dieses wundersame Timing des Körpers.

Das galt vor allem für "Eulen" (Menschen, die abends eher später ins Bett und morgens schwerer rauskommen), wozu auch Jugendliche häufig zählen. Doch auch "Lerchen" (Menschen, die am liebsten früh schlafen gehen und früh aufstehen) gelang die Anpassung an die soziale Zeit nur unvollständig.

Warum dabei der Vergleich mit einem Jetlag nach einer Fernreise hinke: Nach der Rückkehr synchronisieren wir unsere innere Uhr wieder mit der Umwelt. Während des Sommers aber lebten wir monatelang in einer "Kunstzeit", schreiben die Wissenschaftler: "Das ist so, als würden Sie zwar in Deutschland leben, aber permanent für eine Firma mit Sitz in Athen oder Bukarest gemäß den jeweils dortigen Arbeitszeiten arbeiten".

Wissenschaftler zu Sommerzeit: "Chronobiologisches Gift für uns"

Wenn es ab Sonntag also morgens schon früher hell wird, hat das der Wissenschaft zufolge positive Effekte auf unseren Körper. Das gelte besonders für "eulige" Schlaftypen, die möglichst viel Tageslicht am Morgen brauchen. Bei dauerhafter Sommerzeit hätten sie das lange nicht: Die Sonne würde etwa in Hamburg am 22. Dezember erst um 9:34 Uhr aufgehen.

Sommerzeit mag sich positiv anhören, schließen die zitierten Wissenschaftler ihr Plädoyer, habe aber kaum positive Effekte: "Im Gegenteil: Sie ist chronobiologisches Gift für uns."

Verwendete Quellen:

Laaangsam! Mit Beppo und Kassiopeia durchs Jahr

Unser Leben wird reicher durch Langsamkeit. Wie das funktioniert, wie wir Tempo rausnehmen und warum unsere Zeit dadurch wertvoller wird, erklären wir in unserem Podcast "15 Minuten fürs Glück". (Bild: Getty Images/efenzi)
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