Fantasy-Autor und "Scheibenwelt"-Erfinder Terry Pratchett ist im Alter von 66 Jahren gestorben. Mit ihm geht so viel mehr, findet unsere Redakteurin, ihrerseits treuer Fan. Ein Nachruf.

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"Die Sonne ging zögernd auf. Als wüsste sie nicht so recht, ob es die Mühe lohne. Ein neuer Scheibenwelttag dämmerte, aber nur sehr langsam." Ich weiß noch genau, wie es sich anfühlte, als ich das erste Buch von Terry Pratchett in der Hand hielt. Einen fetten, grünen Wälzer, der mir durch reinen Zufall in die Hände gefallen war.

Eigentlich stehen Fantasy und ich auf Kriegsfuß. Ich kann weder "Eragon" viel abgewinnen, noch Rollenspielen oder "World of Warcraft". Sogar mit Klassikern wie dem "Herrn der Ringe" tue ich mich schwer. Aber dieser grüne, dicke Sammelband hat mich eingesaugt, von der ersten Seite an. Ich habe die Farben der Magie gespürt und das Licht der Phantasie geatmet, bin mit Rincewind auf Drachen geflogen und mit Hauptmann Mumm in die Vergangenheit gereist. Habe mit Nanny Ogg Lieder über Igel gesungen und bin mit Oma Wetterwachs in Trance gefallen, um mir den Geist anderer Wesen zu "borgen" - nicht ohne ein Schild um den Hals, auf dem steht "Ich binne nicht tot!".

Ich weiß um das Geschlecht von Groß A'Tuin, der Sternenschildkröte, und wie nützlich Bratpfannen im Kampf gegen die Feenkönigin sind. Ich lese jeden Pratchett-Roman, den ich in die Finger kriege, besitze Hörbücher, Brettspiele und wissenschaftliche Abhandlungen über die "Scheibenwelt". Ich vertrete im Bekanntenkreis lauthals und ungefragt die Ansicht, dass Andreas Brandhorst als Pratchett-Übersetzer der einzig Wahre war, obwohl sich der feinsinnige Humor des Briten freilich am besten im Original liest.

Acht Jahre lang litt Terry Pratchett an einer seltenen Form von Alzheimer, und er schrieb bis zum bitteren Ende. Die Auswirkungen seiner Krankheit machten nicht nur ihm schwer zu schaffen, sondern sich auch in seinen letzten Werken bemerkbar. Immer schwieriger wurde es, Gedanken auf Papier zu bringen, Erzählstränge zusammenzuführen. Und trotzdem ist jedes einzelne seiner Bücher ein Juwel.

Das Rad hat Pratchett nicht neu erfunden. Es wurde viel zitiert und geklaut, eingebettet in eine absurd-herrlich-komische Welt, aber gerade das zeichnete ihn aus. Pratchett schaffte es, Alltäglichem Magie einzuhauchen, dem Absurden Wahrheit und dem Traurigen Komik. Eine seiner grandiosesten Figuren, ist TOD, DER KEINEN ARTIKEL HAT UND NUR IN GROSSBUCHSTABEN SPRICHT. UND DER GRUNDSÄTZLICH NICHT VERSTEHEN KANN, WESHALB SICH NIEMAND FREUT, IHN ZU SEHEN.

TOD gibt es seit "Die Farben der Magie", dem ersten "Scheibenwelt"-Roman. TOD mag Katzen, die ihn - anders als Menschen - auch dann sehen können, wenn er nicht gekommen ist, um sie zu holen. Er liebt scharfe Currys und die stinkende Großstadt Ankh-Morpork.

- ICH FÜHLE MICH HIER WOHL, sagte er. ANKH-MORPORK IST VOLLER LEBEN.

Was Pratchetts Romane so brillant macht, ist sein feinsinniger Zweimal-um-die-Ecke-Humor. Die Bücher strotzen vor Anspielungen, die sich oft erst beim zweit- und drittmaligen Lesen erschließen. Auf seine Art hat er die Welt ein Stück bunter, offener, herzlicher gemacht und dafür werde ich ihm auf ewig dankbar sein.

Einer seiner ältesten Wegbegleiter, Neil Gaiman, drückt es so aus: "Vor 30 Jahren und einem Monat traf ein aufstrebender Autor einen jungen Journalisten in einem chinesischen Restaurant. Die beiden Männer wurden Freunde, und sie schrieben ein Buch, und sie schafften es trotz allem, Freunde zu bleiben. Letzte Nacht starb der Autor.
Das war das Letzte, was ich über Terry geschrieben habe. Ich wusste, sein Tod naht, und das machte es kein Stück einfacher." Wohl wahr.

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