Das Agenturmodell macht klassische Autohändler zu Maklern. Neuwagen vermitteln sie nur noch – im Namen und auf Rechnung des Herstellers. Doch nicht alle Marken setzen auf die neue Vertriebsform. Einige gehen wieder zurück zum klassischen Händlergeschäft. Für viele rechnet sich die Vertriebsform nur in wirtschaftlich guten Zeiten oder mit einem jungen, internetaffinen Kundenstamm.

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Obwohl die Marke VW vom Agenturmodell abgerückt ist, wollen andere Hersteller dabei bleiben. Vorreiter Mercedes verkauft seine Modelle im dritten Jahr auf eigene Rechnung. Der Händler erhält als Vermittler ("Agent") Provision. "Wir sind sehr zufrieden und halten daran fest, auch der europäische Ausbau geht gut voran", so ein Sprecher. Mit dem Agenturmodell können Mercedes "noch schneller und individueller" auf Kundenbedürfnisse reagieren, die sich "im Zuge der Digitalisierung stetig verändern." Ein weiterer Vorteil aus Sicht des Herstellers sei – neben bundesweit einheitlichen Preisen – die "einheitliche Preissteuerung". Und: Der Handel könne Neuwagen-Erträge besser planen. "Selbst in einem mit Händlermodellen dominierten Wettbewerbsumfeld" würden Prozesse funktionieren, so der Sprecher weiter, "das wurde vor der Einführung des Modells von außen oft als kritisch bewertet." Zudem wären der Datenfluss und die Reaktionsgeschwindigkeit verbessert worden, die Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) biete zusätzliche Potenziale.

Mini geht den Agenturweg in diversen europäischen Ländern, darunter Deutschland, seit einem Jahr. BMW soll 2026 folgen. Ein Sprecher: "Wir sehen weiterhin unsere Zukunft in Europa ganz klar im neuen Agenturmodell und sind davon überzeugt, dass Kunden, Handelspartner und die BMW Group hiervon profitieren."

Cupra setzt auf das digitale Geschäftsmodell

Anders als Konzernmutter VW setzt auch Cupra für Born und Tavascan weiter auf das digital ausgerichtete Geschäftsmodell. Eine Markensprecherin: "Mit dem Agenturmodell haben wir ein effizientes, transparentes und nachhaltiges Vertriebsmodell für die Marke etabliert, durch das wir neben dem stationären Vertrieb die Onlinepräsenz deutlich stärken konnten." Man verbinde so zwei Welten und biete ein nahtloses und bestmögliches Kundenerlebnis zwischen Online- und Offline-Vertrieb an. "Die hohe Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden steht dabei stets im Fokus", so die Sprecherin zu auto motor und sport. Gerade für eine Marke wie Cupra, die eine neue Generation von Autofahrern ansprechen solle, wären "alternative und digitale Vertriebswege von enormer Bedeutung. Das System "Agentur" ist daher genau der richtige Ansatz, um diese junge Generation zu erreichen", so die Markensprecherin weiter.

Bei Ford gelten ab April neue Händlerverträge, laut Hersteller ohne Agenturmodell. Aber: "Unsere neuen Verträge übernehmen viele, für uns passende, Aspekte eines Agenturmodells und uns damit besser auf die sich verändernden äußeren Rahmenbedingungen einzustellen", erklärt eine Unternehmenssprecherin.

"Verschoben, aber nicht endgültig abgesagt", heißt es bei Stellantis in Bezug auf Citroën, DS und Peugeot.

Porsche nutzt es nicht

Škoda Deutschland ist zumindest für Privatkunden noch nicht im Agenturgeschäft, denkt für E-Autos (BEV) aber darüber nach: "Škoda Auto Deutschland überprüft die Einführung einer BEV-Einzelkundenagentur weiterhin ergebnisoffen. Durch die bereits kommunizierte Verschiebung der Einführung ergibt sich kein Handlungsdruck."

Porsche nutzt das Agenturmodell nicht, Audi dagegen schon. Hyundai und Jaguar haben ursprüngliche Pläne zurückgestellt oder abgesagt, ebenso Renault. Dacia hat ebenfalls kein Agenturmodell.

Beim Agenturmodell schlüpft der Händler in eine vollkommen neue Rolle: Quasi als Agentur berät er Kunden, bietet Probefahrten, liefert Autos aus, wartet sie. Kommt es zum Kaufvertrag, fließt seine Provision. Die ist oft wesentlich niedriger, liegt zum Beispiel beim vollelektrischen VW ID.3 bei sechs Prozent. Klassische Händlermargen bewegen sich oft zwischen 10 und 15 Prozent. Derzeit werden weniger als zehn Prozent aller Neuwagen im Agenturmodell vermarktet.

Experten weisen darauf hin, dass der Weg des Kunden zum Produkt ("Customer Journey") sehr unterschiedlich sein könne. Online und Offline-Welt müssten an verschiedenen Stellen miteinander verzahnt werden, so Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) in Geislingen. "Vor diesem Hintergrund erhöht sich die Komplexität in den einzelnen Vertriebssystemen sowie beim Händler nachhaltig." Reindl sieht einen klaren Trend: "Grundsätzlich möchte die Herstellerseite die Vertriebskosten senken und das Nachlass-Niveau über seine Preishoheit verringern." Bedeutet: Autos könnten im Agenturverkauf teurer werden!

Zugewinn mit Risiken

Die Produzenten wollten zudem "die direkte Vertragsbeziehung zum Endkunden dazu nutzen, relevante Kundendaten zu gewinnen". Dem Zugewinn an Vertriebseffizienz und -effektivität stünden aber "finanzwirtschaftliche und absatzseitige Risiken" gegenüber, so Reindl. Vor allem "absatz- und finanzstarke Händler wären mit den Margen- und Bonussystemen im Vertragshändlermodus besser bedient" gewesen, während schwächere Händler Reindls Meinung nach eher vom Agenturmodell profitieren würden.

Steffen Jäckle, Professor für Marketing und Sales Excellence an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU), glaubt, "dass die Hersteller von einem Schönwetter-Szenario ausgehen". Nur bei guter Nachfrage und geringen Lagerbeständen werde sich das Agenturmodell für sie rechnen. Aber: "Insbesondere Volumenherstellern fällt es sehr schwer, die Attraktivität der Marke aufrechtzuerhalten", warnt Jäckle.

Unterschiedliche Vertriebsmodelle

Traditionelles Vertragshändlersystem

Die Autohändler sind sogenannte Eigenhändler, sie kaufen Neufahrzeuge in eigenem Namen beim Hersteller und verkaufen sie auf eigene Rechnung an Endkunden weiter. Der Neuwagen-Kaufvertrag kommt zwischen Händler und Endkunden zustande. Das Autohaus trägt fast alle wirtschaftlichen Risiken und Kosten, etwa für unverkaufte Lagerfahrzeuge, das Personal oder die Schauraumgestaltung.

Agenturmodell generell

Hier wird der Kaufvertrag zwischen dem Endkunden und dem Hersteller abgeschlossen. Die Händler sind Handelsvertreter. Sie werden vom Hersteller oder Importeur mit dem Vertrieb seiner Ware an den Endverbraucher beauftragt und handeln in dessen Namen und auf dessen Rechnung.

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Echtes Agenturmodell

Der Händler trägt keine wirtschaftlichen Risiken. Diese und damit im Zusammenhang stehende Kosten übernimmt der Hersteller komplett. Das gilt beispielsweise für Lagerfahrzeuge, Rabatte, Gebrauchtwagen-Inzahlungnahmen, Restwerte oder Vorführwagen.

Unechtes Agenturmodell

Neuwagen werden auch hier im Namen und auf Rechnung des Herstellers verkauft. Der Händler erhält die Provision, trägt aber fast alle Kosten und Risiken selbst.  © auto motor und sport

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