Intern heißt der Audi TT schlicht und verschwörerisch "das Projekt". Es bleibt bis kurz vor dem ersten Auftritt auf der IAA 1995 auch tatsächlich geheim. Aber die Leser von auto motor und sport erfahren schon Ende Juli von den Audi-Plänen für ein A3-Coupé. "Der Volks-Porsche kommt aus Ingolstadt", titelt das Fachmagazin vor fast 30 Jahren. Als auf der IAA das wie ein Beduinenzelt gespannte Tuch fällt, ist auch der Name enthüllt – Audi TT.
Audi TT Roadster im Test
1995 sorgt zunächst die Coupé-Studie für Furore: Das Serienauto steht ab Herbst 1998 bei den Händlern, der in Tokio präsentierte Audi TT Roadster ein Jahr später. Aber kann der TT wirklich den Vergleich mit einem Porsche aufnehmen? Im Sommer 1999 muss sich der Audi TT messen lassen: auto motor und sport stellt den 225 PS starken TT Roadster mit Quattro-Antrieb gegen den Porsche Boxster zum Kräftemessen der "deutschen Roadster-Elite" auf. Der Audi TT überrascht und gewinnt den Vergleichstest. Für die Verarbeitung bekommt er sogar die Bestnote. Außerdem punktet der Ingolstädter mit seiner guten Ausstattung, dem starken Durchzug des Turbo-Fünfventilers mit 1,8 Litern Hubraum, dem Federungskomfort sowie der steifen Karosserie. Zwar kann der Audi TT bei den Fahreigenschaften sowie bei der Bremsleistung nicht ganz mithalten, und zur Faszination fehlt ihm der Sechszylinder-Klang. Aber der TT verhilft der bisher fast nüchtern auf die Technik fokussierten Marke zu mehr Emotion.
Das Design des TT
Dabei ist das gefällige Design mit Retro-Anleihen vom NSU TT/TTS entscheidend, dessen Karosserie von Ro-80-Gestalter Claus Luthe entwickelt worden war. Die Linie des Audi TT dagegen entsteht nicht in Süddeutschland, sondern im Süden der USA. Und nicht ganz zufällig liegt dort auch der Grund für eine Verwandtschaft mit der Formensprache von Porsche.
In Kalifornien entwirft Freeman Thomas die Form der Studie, die auf der IAA für so viel Aufsehen sorgt. Der aus den USA stammende Thomas hatte von 1983 bis 1987 im Design von Porsche gearbeitet, danach zog er zurück in seine Heimat, wo er am Volkswagen Design Center im Simi Valley tätig war. Dort entwickelt Thomas auch die Form des VW Concept 1, aus dem später als Serienmodell der New Beetle entsteht – mit der gleichen Technik wie der A3 und der Audi TT.
TT-Innenraum: aus der Studie in die Serie
Bei der Präsentation des Audi TT Coupés merkt der Audi-Pressesprecher denn auch an, dass der zunächst in den USA vorgestellte Retro-Käfer und der Vier-Ringe-Sportler "derselben Formensprache" folgen. Wer aber hinter der Form-Offensive steckt, verrät Audi damals nach guter alter Sitte nicht. Das gleiche Schicksal ereilte übrigens 1967 den NSU-Designer Claus Luthe: Damals fasste der Vorstand erstmals den Beschluss, die Namen aller Beteiligten an der Entwicklung des Ro 80 aus allen PR-Texten zu tilgen.
Dabei ist der Audi TT für die Schöpfer seiner Form ein Glücksfall: Auch für den Innenraum erhielten sie freie Hand. Äußerst kostspielig ist die reichhaltige Verwendung von Aluminium. Von den markanten Drehreglern der Luftdüsen über die Streben an der Mittelkonsole bis zu den Radioabdeckungen reicht der mattsilberne edle Glanz. Konzernchef Ferdinand Piëch hatten die Ideen von Audi-Designer Romulus Rost und dessen Team so gut gefallen, dass sie den Einzug in die Serie schafften.
Hartes Urteil von Walter Röhrl
Tatsächlich verändert Audi an der ursprünglichen Studie nichts Nennenswertes. Das neue Coupé auf der Quermotor-Plattform des Golf IV hat es – nach einem guten Verkaufsstart – in seinen ersten beiden Modelljahren allerdings nicht leicht: Eine Serie von schweren Unfällen wirft einen Schatten auf den TT. Das Urteil der Motorsport-Ikone Walter Röhrl fällt knallhart aus: "Wenn du bei dem bei 200 das Gas wegnimmst, fährt der rückwärts." Sollten die schlechten Vorboten doch ein düsteres Omen gewesen sein?
Audi reagiert zunächst nicht, doch der Druck der Öffentlichkeit steigt, und der Hersteller überarbeitet Fahrwerk und Regelungstechnik. Zusätzlich soll ein serienmäßiger Heckspoiler das extrem giftige Fahrverhalten deutlich entschärfen.
Hartgesottene TT-Puristen verzichten auf diese Modifizierungen und erproben ihr Rennfahrer-Talent lieber an einem ungezähmten Exemplar. Wer sich damals bereits ein Modell gekauft hat, bekommt von Audi das Umrüstpaket kostenlos montiert. Entscheiden sich die Besitzer, das Angebot des Herstellers anzunehmen, erhalten sie einen TT mit kartähnlichen Fahreigenschaften: wendig, direkt, kraftvoll und ohne die unberechenbaren Tücken der Ursprungsversion.
So fährt der Audi TT
Die Kraft stammt aus einem Vierzylinder-Turbomotor mit 180 PS bei 5500 Umdrehungen. Später legt Audi mit einem 225-PS-Motor und Allradantrieb nach, doch zunächst erscheinen beide Varianten des TT als reine Fronttriebler. Das Fünfganggetriebe lässt sich leicht und knackig bedienen. Das kommod abgestimmte Fahrwerk spricht direkt auf die Lenkung an, wodurch sich der TT behände manövrieren lässt. Richtig in Fahrt kommt das Coupé allerdings erst zwischen 3000 und 4000 Umdrehungen. Vom Turbo ist dabei im Innenraum nicht viel zu hören. Leider fehlt der typische Fünfzylinderklang, der Audis DNA früher prägte. Trotzdem macht das agile Coupé großen Spaß.
Karosserie-Check
Audi schützte den TT durch Verzinkung und Aluminiumteile gut gegen Rost. Am Heckspoiler respektive Kofferraumdeckel können – gerade bei nachgerüsteten Spoilern – Undichtigkeiten auftreten. Dasselbe gilt für das Stoffdach des Roadsters. Nachlackierte Coupés können Lackbläschen an der Dachleiste aufweisen. Tritt Öl aus dem Verdeck-Antrieb aus, liegt ein Defekt vor. Wichtig: Prüfen Sie alle Gummis an Motorhaube, Türen und Kofferraumdeckel
Technik-Check
Ist die Wassertemperatur zu hoch, kann eine defekte Wasserpumpe dahinterstecken. Geräusche aus dem Antrieb deuten auf Lagerschaden im Differenzial hin. Typische Schwachstelle: die Vorderachse. Domlager, Traggelenke und Spurstangenköpfe sind oft verschlissen. TT der ersten beiden Modelljahre verfügen nur dann über ESP und Heckspoiler, wenn beides nachgerüstet wurde.
Ersatzteilversorgung
Nach 25 Jahren hat der TT eine gut vernetzte Fangemeinde. Ersatzteile erhalten TT-Besitzer über Audi Tradition oder freie Spezialisten weitgehend problemlos. Bei speziellen Fragen wie jener nach Ersatz für eine selten bestellte Sonderausstattung können Clubs oder Online-Foren eine wichtige Anlaufstelle sein.
Preise und Stückzahl
178.838 Coupés und 90.760 Roadster, Neupreis 56.300 DM, Classic-Analytics-Preis (2023, Zustand 2): 8.900 Euro (Coupé), 11.600 Euro (Roadster). © auto motor und sport
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