Diese Frage stellt sich Birgit Priemer, Chefredakteurin auto motor und sport angesichts der Absatzflaute und dem hohen Druck der Hersteller, 2025 ihre CO₂-Vorgaben für den Flottenverbrauch erreichen zu müssen.
Die Stimmung im Handel ist desaströs: Die Höfe stehen voll mit Elektroautos – und wenn die Leasingangebote auch noch so günstig sind, die Batterie-elektrischen Autos verkaufen sich nicht. "2025 werden wir die Autos fast verschenken müssen", unkt ein Händler, der nicht genannt werden möchte. "Schließlich müssen die Hersteller die E-Autos loswerden, um die CO₂-Grenzwerte zu erreichen." Stimmt. Andernfalls drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe und nichts ist unwirtschaftlicher, als Kapital in Strafzahlungen zu investieren.
Hintergrund sind die sogenannten Flottengrenzwerte. Diese legen einen Grenzwert für den CO2-Ausstoß von Autos fest. Im Durchschnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge darf dieser nicht überschritten werden. Derzeit liegt der Wert bei 115,1 Gramm CO₂ pro km pro Fahrzeug gemessen anhand des WLTP-Testverfahrens. 2025 soll er auf 93,6 Gramm und 2030 auf 49,5 Gramm sinken.
Aktuell gibt es aber keinen reinen Verbrenner, der dieses Ziel erreicht. Auch Hybride tun sich damit schwer. Da aber ein Durchschnittswert gebildet wird, können Mercedes, BMW und Co durch die Zulassung von E-Autos theoretisch trotzdem unter dem Grenzwert bleiben. Aber das erfordert einen hohen Preis: Da Modelle mit effizientem Verbrenner im Schnitt auf einen CO₂-Ausstoß von rund 120 Gramm pro km kommen, müssten theoretisch auf vier Verbrenner ein Elektroauto zugelassen werden – und davon sind wir in Deutschland ganz weit entfernt. Der Marktanteil der E-Autos lag im Oktober bei 15,3 Prozent. Das waren 4,9 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die gute Nachricht daran: Die Modelle des viel gescholtenen VW-Konzerns führen die Verkaufsstatistik mit Škoda Enyaq, VW ID.7, VW ID.4/5 und Cupra Born an, der ID. 3 liegt hinter dem Mercedes EQA auf Rang 6.
Aber reicht das? Nein. Es drohen Strafzahlungen bis zu 15 Milliarden Euro, denn wer den Wert überschreiten, muss 95 Euro pro Gramm Überschreitung multipliziert mit der Stückzahl an Fahrzeugen, die der Hersteller im betreffenden Jahr in der EU verkauft hat, zahlen. Aber die Bereitschaft der Kunden, sich auf das Spiel mit der Elektromobilität einzulassen schwindet – und damit auch die Laune im Handel. Wenn zum Beispiel ein Porsche Taycan mit dem Facelift eine größere Batterie, mehr Ladeperformance und deutlich mehr Reichweite bekommt, dann rauschen beim Vorgänger die Restwerte in den Keller. Auch Modelle wie Ford Explorer, die mit so günstigen Leasingraten angeboten werden, dass die Umsatzrendite bei etwa einem Prozent liegt, stehen wie Blei. Besser könnte es mit neuen Modellen ohne Vorgänger laufen, wie zum Beispiel dem Skoda Elroq, mit dem die Tschechen die Richtung andeuten, in die sich die Preise bewegen müssen: Das elektrische Pendant des Karoq steht ab 33.900 Euro in der Preisliste. Damit kostet er nur ein paar Hunderter mehr als seine Entsprechung mit Verbrenner. Allerdings dürfte er auch am Absatz des teureren und vermutlich renditestärkeren Enyaq kratzen.
Pause für die Strafsteuer?
Viele fordern ein Aussetzen der Strafsteuer. Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg) hält das aber nicht für möglich: "Das hat in der EU erst mal keine Chance. Die Kommissionspräsidentin und ihre zuständigen Kommissare haben sich deutlich dagegen positioniert." Wir müssen also davon ausgehen, dass die Strafzahlungen kommen. Kretschmann: "Wenn es zu Strafzahlungen käme, würde ich dafür plädieren, dass dieses Geld im Automobilsektor bleibt. Das heißt, dass es zweckgebunden etwa für die europäische Lade-Infrastruktur eingesetzt wird oder in Zukunftstechnologien investiert wird." Sicher ein sinnvoller Vorschlag. Den Autohändlern, denen so oder so 2025 ein schwieriges Jahr droht, hilft das aber nicht.
"Es ist eine Tatsache, dass das Interesse der Konsumenten an dieser Technologie nach wie vor begrenzt ist. Die erneut aufgeflammte Debatte in Europa über eine mögliche Revision des geplanten Verbots von Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 trägt zur Verunsicherung der Konsumenten und einer Zurückhaltung beim Autokauf bei", sagte Axel Preiss, Leiter Advanced Manufacturing & Mobility bei EY.
Recht hat er. Ein kleines bisschen Hoffnung liegt in der Neuwahlen 2025, die dazu führen könnte, dass es wieder eine Förderprämie für E-Autos gibt. Die größte Aufgabe besteht aber darin, das Misstrauen der Käufer abzubauen. Elektroautos haben in der Praxis viele Stärken, die Batterien erweisen sich als absolut stabil. Erst wenn das auf breiter Front angekommen ist, dann lassen sich die Menschen die Autos möglicherweise fast schenken. Denn 2025 wird ein Jahr, in dem der Zugang zur E-Mobilität sehr günstig sein wird. © auto motor und sport
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