Bundesverkehrsminister Volker Wissing warnt vor der Stilllegung von Millionen Dieselfahrzeugen in Deutschland und der EU. Wie ernst ist die Lage wirklich?

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Es ist wohl eine der eingängigen aktuellen Schlagzeilen. Die Bild-Zeitung titelte: "8 Millionen Dieselautos droht Stilllegung”. Der Hintergrund dieser Meldung sind angeblich nicht mehr zulässige Labormessungen von Dieselmotoren der Normen Euro 5 und Euro 6. Verkehrsminister Volker Wissing fordert von der EU-Kommission eine Klarstellung zum Thema Schadstoffprüfungen bei der Zulassung von Autos. Bei diesem Kauderwelsch aus verschiedenen Meldungen stellt sich die Frage, ob es tatsächlich so einfach ist, bereits zugelassene Autos aus dem Verkehr zu ziehen.

Welches Problem gibt es mit den Dieselmotoren?

Es geht um die Prüfverfahren zur Zulassung von Autos (Typgenehmigungen) in der Europäischen Union. Bis 2017 galt der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ). Dieser maß unter Laborbedingungen, ob die Schadstoffemissionen der Motoren die entsprechenden Grenzwerte einhielten. Dieses Testverfahren und die daraus resultierenden Werte galten allerdings als nicht realistisch für den normalen Fahrbetrieb. Daher ersetzten die Verantwortlichen den NEFZ durch ein neues Verfahren namens "Real Driving Emissions" (RDE).

Ältere Euro-5- und Euro-6-Diesel sind aber nach dem NEFZ zugelassen und erfüllen die Richtwerte des RDE nicht ohne entsprechende Nachrüstung. Das ist bei vielen Fahrzeugen aber nicht machbar. In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wurden die Zulassungen dieser Autos infrage gestellt. Der Generalanwalt habe sich – laut Verkehrsministerium – so geäußert, dass auch außerhalb des Labors Autos die Abgaswerte einhalten müssen.

Warum ist es nicht so einfach, die Autos stillzulegen?

Doch so einfach, wie sich das manche wünschen, kann man die älteren Diesel nicht von den Straßen verbannen. Eine Sprecherin des ADAC erinnert an den Bestandsschutz und hält eine Diskussion über die drohende Stilllegung für unangemessen. Sie betont, die Fahrzeuge seien zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme ordnungsgemäß zugelassen worden. "Änderungen im Messverfahren bei der Typgenehmigung eines Kfz zu einem späteren Zeitpunkt können nach Auffassung von ADAC-Juristen nicht rückwirkend Anwendung finden." Daher sei eine Betriebsunterbrechung abwegig. Die Automobilhersteller verlangen ebenfalls Rechtssicherheit.

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Die Präsidentin des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, hält eine Stilllegung der betroffenen Autos ebenfalls für rechtswidrig. "Rückwirkende Anwendungen neuer Verfahren und Maßstäbe wären ohnehin ein Verstoß gegen den Grundsatz des Rückwirkungsverbots und das Rechtsstaatsprinzip im EU- und deutschem Verfassungsrecht." Es bleibt also abzuwarten, wie die EU-Kommission reagiert. Die aktuellen Schlagzeilen sind also vorerst kein Grund, den betagten Diesel in der Garage stehenzulassen oder gar zu verkaufen.

In der Bildergalerie erklären wir, wie Sie einen Diesel-Motor "sauber" fahren.  © auto motor und sport

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