Stellantis kooperiert mit dem chinesischen Autobauer Leapmotor und bringt Modelle der Asiaten nach Deutschland. Eines davon ist der elektrisch angetriebene Mittelklasse-SUV C10. Wir sind das elektrische Familienauto gefahren.
Aufmerksame Beobachter konnten den Leapmotor C10 bereits auf der IAA 2023 in München in Augenschein nehmen. Da die Zukunft des Chinesen seinerzeit aber eher unklar war, bewegte er sich bei vielen unter dem Radar. Nachdem der europäisch-amerikanische Stellantis-Konzern aber eine umfangreiche Kooperation mit den Chinesen eingegangen ist, zeichnet sich der Weg für den C10 ab. Der soll zusammen mit dem elektrischen Kleinwagen Leapmotor T03 ab September 2024 auch in Europa und Deutschland über das Stellantis-Netzwerk vertrieben werden.
Gefälliges Design
Zeit also, sich mit dem Leapmotor C10 bekannt zu machen. Mit einer Länge von 4,73 Meter, einer Breite von 1,90 Meter und einer Höhe von 1,68 Meter sowie einem Radstand von 2.825 Millimeter sortiert er sich in der SUV-Mittelklasse ein. Das glattflächige Design erinnert an der Front mit den trapezförmigen LED-Scheinwerfern und dem verbindenden LED-Lichtstreifen an dem Smart #1. Für das Heck mit dem zweizeiligen LED-Rücklicht samt durchgehendem Lichtband scheint der Porsche Cayenne Pate gestanden zu haben. Die Fenster zeigen sich schwarz eingerahmt, die Außenspiegel und die umlaufenden unteren Karosserieabschlüsse sind ebenfalls schwarz abgesetzt. Im Dachbereich dominiert ein großes Panoramafenster. Das Heckfenster beschirmt ein Dachkantenspoiler.
Minimalistisches, variables Interieur
Das Interieur setzt auf eine Fünfsitzer-Konfiguration. Die Vordersitze lassen sich komplett in eine Liegeposition absenken. Die Rücksitzlehne kann zur Maximierung des Laderaums geteilt nach vorn umgelegt werden. Bei Bedarf lässt sich eine komplett ebene, durchgehende Liegefläche arrangieren. Die Mittelkonsole mit Cupholder, induktivem Ladefach sowie Armauflage spannt sich nur zwischen den Vordersitzen auf. Absolut minimalistisch tritt die Armaturentafel an. Es gibt lediglich zwei voneinander getrennte Displays: eines als 10,25 Zoll großes Kombiinstrument vor dem Multifunktionslenkrad, das zweite, 14,6 Zoll große Display als Touchscreen auf der Armaturentafel für das Infotainment-System. Im Hintergrund arbeitet das hauseigene Betriebssystem Leapmotor OS 4.0, das von einem Snapdragon-8295-Chip von Qualcomm angetrieben wird. Hierüber wird ebenso das optionale automatisierte Fahrsystem mit Front-LiDAR-Sensor, fünf Radarsensoren, zwölf Kameras und ebensovielen Ultraschallsensoren gesteuert. Alle Systeme lassen sich Over-the-Air aktualisieren.
Bis zu 420 km Reichweite
Unter der schicken Karosserie sitzt die selbst entwickelte LEAP3.0-800-Volt-Architektur von Leapmotor mit einer zentral integrierten elektronischen und elektrischen Architektur sowie CTC-Zellen-zu-Chassis-Technologie und ölgekühltem Motor. Angetrieben wird der 1,9 Tonnen schwere C10 von einem 160 kW (218 PS) und 320 Nm starken Hinterradantrieb. Die von CLAB gelieferte Lithium-Eisenphosphat (LFP)-Batterie bietet eine Kapazität von 69,9 kWh. Stellantis verspricht eine WLTP-Reichweite von bis zu 420 Kilometern. Strom für rund 200 kilometer reichweite soll sich in 30 Minuten nachladen lassen. Die in China zudem verfügbare Range-Extender-Variante mit einem 1,5-Liter-Benziner als Generatorantrieb ist für den europäischen Markt bislang nicht vorgesehen.
So fährt der Leapmotor C10
Erster Fahreindruck: Der 1,9-Tonner ist mit dem 218 PS starken Heckantrieb anständig motorisiert, schiebt sich laut Werk in glaubhaften 7,5 Sekunden auf 100 km/h und könnte sicher mehr realisieren als die abgeregelte Spitze von 170 km/h. Im Sport-Modus spricht der Leapmotor C10 sogar sehr willig aufs Fahrpedal an und bietet – wie auf Eco – auch eine stärkere Rekuperation als im Comfort-Modus. Das kommt einer flotten Fahrweise entgegen und erlaubt auf kurvenreichen Strecken ein gutes Spiel mit der Motorbremse. Das Bremspedal braucht man bei etwas Voraussicht nur selten – und das ist gut so. Denn die Bremsanlage spricht überaus aggressiv an und liefert meist mehr Verzögerung als gewünscht. Da könnte man gerne noch etwas feintunen, was ja per Over-the-Air-Update möglich sein sollte.
Leapmotor versteht den C10 als Familienauto, und diesen Job macht er frei nach Radio Eriwan im Prinzip gut. Denn vorn wie hinten sitzt es mit reichlich Platz auf wunderbar weichem Kunstleder unter dem großen Panoramadach, das auf Knopfdruck verschattet wird. Warum also "im Prinzip gut?" Nun, der Kofferraum hinter der elektrisch betriebenen Heckklappe misst lediglich 435 Liter. Das ist schon arg dürftig, wenn vier oder fünf auf große Reise gehen wollen. Leapmotor hat viel Energie in die Schalldämmung investiert. Das hat sich gelohnt, denn in der Tat ist der C10 ein wunderbar leises Auto, mit dem man sehr entspannt auch große Entfernungen zurücklegen kann. Dabei darf es durchaus auch über mittelmäßige bis schlechte Straßen gehen, denn das Fahrwerk schnupft die allermeisten Stöße und Wellen ziemlich ungerührt weg.
So spult man also sehr entspannt Kilometer und Kilometer ab, kommt wegen der doch etwas teilnahmslosen und manchmal sogar eckig agierenden Lenkung gar nicht darauf auszutesten, wo denn der Grenzbereich des Fahrwerks liegt. Der ansprechend gestaltete SUV fährt leichtfüßig um jede Ecke und vermittelt auch auf nasser Fahrbahn einen sicheren Eindruck. Mehr muss ein Familienauto doch nicht können, oder?
Überfürsorgliche Assistenzsysteme
Mit Blick auf Navigation und Assistenzsysteme wäre weniger sogar mehr. Auf Landstraßen warnt die Elektronik beharrlich vor Kurven, die keine sind, weist darauf hin, dass man sich einer Schule nähert oder sich Verkehr von links oder rechts einfädelt. Sie informiert auch beharrlich darüber, dass man sich einer Ampelkreuzung nähert. In den zwei Displays tauchen immer wieder auch gern Hinweise auf, dass die Spurführung aktiviert ist und man vorsichtig fahren wolle, dass der Fahrer müde zu sein scheine und eine Pause einlegen solle und vieles mehr. Manche der Warner und Mahner lassen sich abschalten, aber bitte nur im Stehen und auf Fahrstufe P. Einmal vergessen, wird man durch Bimmeln und Ansprachen auf zweifelhafte Weise unterhalten und ist immer wieder damit beschäftigt, die Meldungen wegzudrücken. Diese Kritik hat der Leapmotor C10 nicht exklusiv verdient, diese Übergriffigkeit nervt in nahezu jedem neueren Auto. Doch wächst der Eindruck, dass Autos aus China besonders ernst meinen mit der – zum Teil natürlich per Gesetz verordneten – Fürsorgepflicht.
Davon angesehen, kann man mit dem C10 schnell Freund werden. Denn er tut mit großer Souveränität, was ein Auto dieses Kalibers tun muss. Dass die Bedienung komplett über den Touchscreen läuft, muss man als dem Zeitgeist und dem Kostendruck geschuldet akzeptieren. Gleichwohl wären zumindest echte Schalter für Spiegelverstellung und Sitzheizung/-kühlung ein feiner Zug. Darauf hoffen sollte man allerdings nicht.
Wahrscheinlicher ist, dass der in Europa angebotene C10 seine 400-Volt-Architektur gegen die in China eingesetzte 800-Volt-Technik eintauscht und so bei der Ladeleistung noch zulegen wird. 84 kW sind in dieser Fahrzeugklasse nur mit viel Wohlwollen noch unteres Mittelfeld. Aber die versprochenen Reichweiten lassen erwarten, dass man nicht allzu oft und allzu lange an der Ladesäule pausiert.
Marktstart und Preise
Der Leapmotor C10 startet in Deutschland ab 36.400 Euro und ist damit deutlich günstiger als ein VW ID.4 (ab 40.335 Euro), ein Skoda Enyaq (ab 48.900 Euro), ein Peugeot E-3008 (ab 48.650 Euro) oder ein Tesla Model Y (ab 44.900 Euro). Angeboten werden die beiden Ausstattungsvarianten Style und Design. © auto motor und sport
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