Wer mit abgefahrenen Winterreifen oder gar Sommerreifen unterwegs ist, wenn Glatteis, Schnee oder Schneematsch die Gefahr einer Rutschpartie provozieren, riskiert nicht nur Geldbußen und Punkte in Flensburg, sondern auch die Gesundheit von sich und anderen Verkehrsteilnehmern. Da der Winter naht, sollten Sie jetzt den Reifenwechsel durchführen.
Was macht Winterreifen so besonders?
Reifen, die für die kalte Jahreszeit optimiert sind, haben ein besonderes Lamellen-Profil, welches bei Schnee und Eis besseren Grip liefert als Sommerreifen.
Die bis zu 2.000 Lamellen eines Winterreifens sorgen für einen sogenannten "Verzahnungseffekt" mit der Fahrbahnoberfläche. Dazu kommt eine spezielle Laufflächenmischung, die auch bei eisigen Witterungsverhältnissen nicht verhärtet. Diese Weichheit fördert den Grip.
Eselsbrücke: Wann ist es Zeit für den Wechsel?
"Von O bis O" - diese Faustregel besagt, dass Winterreifen von Oktober bis Ostern montiert bleiben sollten. Nur eine grobe Eselsbrücke, denn es gibt in Deutschland kein festes Datum, welches für Pkw den Umstieg von Sommer- auf Winterreifen regelt. Stattessen gilt hierzulande die sogenannte "situative Winterreifenpflicht." Welche Situationen Winterreifen erforderlich machen, ist in der Straßenverkehrsordnung (92/23/EWG) geregelt:
- Glatteis, Schneematsch, Schnee- oder Reifglätte.
Woran erkennt man erlaubte Winterreifen?
Das Kürzel M+S steht für "Matsch und Schnee" und kennzeichnet Winterreifen. Da es hierfür allerdings keine einheitlichen Prüfkriterien gab, kam Anfang 2018 eine weitere Regel dazu: Reifen, die seit 2018 gekauft werden, müssen ihren Status als Winterreifen auf den ersten Blick zu erkennen geben: mit dem "Alpine-Symbol". Das Piktogramm stellt eine Schneeflocke und einen Berg dar. Reifen mit M+S Kennzeichnung, die bis zum 31. Dezember 2017 hergestellt wurden, werden noch bis Ende September 2024 toleriert.
Woran erkennt man gute Winterreifen?
Das erste Kriterium, was Autobesitzern beim Thema Winterreifen in den Sinn kommt, ist die verlässliche Fahrsicherheit. Dazu gehören neben dem Grip auf der Fahrbahn auch ein stabiles Lenk- und Bremsverhalten, Langlebigkeit und die Belastbarkeit unter extremen Bedingungen. Aber auch der Fahrkomfort und der Kraftstoffverbrauch können in die Kaufentscheidung einfließen. Nicht zuletzt soll natürlich auch das Preis-/Leistungsverhältnis stimmen.
Das EU-Reifenlabel verrät nur Details über den Rollwiderstand, Nassbremseigenschaften und das Außenfahrgeräusch. Um sich einen Überblick über alle relevanten Eigenschaften der Reifen zu verschaffen, sollte man Tests von seriösen und unabhängigen Quellen vergleichen. Beispielsweise testen die Automobilclubs immer wieder Reifen.
Wie alt dürfen Winterreifen sein?
Wie lange man mit Reifen unterwegs sein darf, wird gesetzlich nicht über das Alter der Reifen geregelt, sondern über die minimale Profiltiefe.
- Bei Neureifen beträgt die Profiltiefe in der Regel zwischen sieben bis neun Millimeter. Unterschreitet sie im Lauf der Zeit 1,6 mm, müssen die Reifen aus dem Verkehr gezogen werden.
Es gibt zwar kein vorgeschriebenes maximales Alter für Reifen, doch der ADAC empfiehlt aus Sicherheitsgründen, Reifen nach spätestens acht bis zehn Jahren auszutauschen - unabhängig von der Profiltiefe. Denn die Gummimischung härtet über die Zeit aus und verschlechtert Haftreibung und Bremsweg. Das Alter von Reifen lässt sich leicht erkennen, wenn man weiß, wo man suchen muss: An der Flanke des Reifens befindet sich die sogenannte DOT-Nummer. Relevant sind für den Laien nur die letzten vier Ziffern, denn sie verraten Produktionswoche und -jahr. Steht da beispielsweise "2319", wurde der Reifen in der 23. Kalenderwoche 2019 (also im Juni) hergestellt.
Automobilclubs wie der ADAC raten bei Winter- und Ganzjahresreifen zu einer Profiltiefe, die deutlich größer ist als die gesetzlichen Minimalanforderungen: mindestens vier Millimeter. Dem schließt sich der ACV (Automobil-Club Verkehr) an. Ein Rechenbeispiel soll das untermauern:
- Der Bremsweg bei 50 km/h auf schneebedeckter Fahrbahn liegt bei acht Millimetern Profiltiefe bei 26 Metern.
- Bei 1,6 Millimetern liegt der Bremsweg bereits 38 Meter.
Was droht, wenn man mit verkehrsunsicheren Reifen erwischt wird?
Wer bei winterlichen Straßenverhältnissen mit Sommerreifen erwischt wird, kassiert mindestens 60 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg. Werden andere Verkehrsteilnehmer dadurch gefährdet, werden 100 Euro fällig. Geschieht ein Unfall mit Reifen, die nicht mehr verkehrssicher sind, wird es noch teurer: 120 Euro drohen dann. Die Kaskoversicherung verweigert bei grober Fahrlässigkeit zudem den Versicherungsschutz. Auch Fahrten mit abgefahrenen Reifen werden entsprechend geahndet.
Der Münzen-Trick: So ermitteln Sie die Profiltiefe
Die einfachste Methode: Man steckt eine Ein-Euro-Münze mittig in die Profilrinnen. Verschwindet der Goldrand gänzlich darin, ist das Profil mehr als drei Millimeter tief. Der goldene Rand der Münze ist nämlich exakt drei Millimeter breit. Damit ist man noch deutlich über der gesetzlichen Vorgabe von 1,6 Millimeter. Allerdings raten Experten, wie beispielsweise ADAC oder ACV, Winterreifen ab einer Profiltiefe von 4 Millimetern zu wechseln.
An einem Zollstock, der in verschiedene Profilrinnen angesetzt wird, lässt sich die Millimeter-Angabe genau ablesen. Die fachmännischste Lösung ist ein Profiltiefen-Prüfer. Den bekommt man beim Fachhändler oder in der Autowerkstatt.
Was tun, wenn manche Reifen noch gut in Schuss sind - andere aber nicht?
Wenn der Zustand der Pneus unterschiedlich ist, beispielsweise nur ein oder zwei Reifen abgefahren sind, sollte man diese immer achsweise austauschen. Die Reifen mit dem besseren Profil kommen für die Stabilität auf die Hinterachse. Und das unabhängig davon ob es sich um ein front- oder heckgetriebenes Auto handelt!
Selbst wechseln oder in die Werkstatt bringen?
Ein Reifenwechsel in der Werkstatt kostet zwar Geld, geht aber auch deutlich schneller als wenn man selbst Hand anlegt. Auch fällt das Verletzungsrisiko bei unsachgemäßer Arbeit des Autobesitzers weg. Noch mehr spricht dafür, den Reifenwechsel den Profis zu überlassen: Zum Service gehört hier, dass die Reifen auf ihren Zustand überprüft werden, sowohl was die Profiltiefe als auch den Luftdruck angeht. Wer selbst wechselt, sollte in jedem Fall auch den Reifendruck überprüfen.
Sind Ganzjahresreifen sicher?
Nicht zwei Mal im Jahr Reifen wechseln zu müssen klingt verlockend. Ganzjahresreifen sollen als Alleskönner mit jeder Saison zurechtkommen. Doch wie bei allen Produkten, die vermeintliche Gegensätze unter einen Hut bringen sollen, handelt es sich um einen Kompromiss. Das berichtet die Zeitschrift "ADAC Motorwelt" (03/20) nach einem Test von sieben aktuellen Ganzjahresmodellen von bekannten Markenherstellern im Preisbereich von 146 bis 172 Euro pro Reifen.
Die fünf besten Reifen erreichen in der Bewertung nur ein "Ausreichend". Sie sind meist bei Nässe und in der Mehrheit auf Schnee zumindest zufriedenstellend. Auf trockener Fahrbahn können sie überwiegend nicht überzeugen. Bei hohen Temperaturen ist das Fahrverhalten schwammig und unpräzise, sodass es auf der Autobahn vieler Lenkkorrekturen bedürfe. Zwei Modelle sind "mangelhaft", auch weil sie teils sehr schlecht auf schneebedeckter Straße abschneiden.
Guten Sommer- und Winterreifen können alle sieben Modelle nicht das Wasser reichen. Die Gummimischung von Ganzjahresreifen soll bei Kälte und Hitze funktionieren: Das Ergebnis kann immer nur ein Kompromiss sein, heißt es in dem Magazin. Das gelte auch für die Profilgestaltung.
Wer kann über Ganzjahresreifen nachdenken?
Wer in milden Regionen mit wenig Schnee lebt oder das Auto bei winterlichen Straßenverhältnissen stehen lässt, kann laut ADAC dennoch über Ganzjahresreifen nachdenken. Das gilt ebenso für Wenigfahrer im Zweitwagen oder für alle, die hauptsächlich in der Stadt unterwegs sind. Die genauen Stärken und Schwächen des Reifens sollten Käufer von Ganzjahresreifen aber auch in solchen Fällen genau kennen.
Wer indes Winterurlaube mit dem Auto plant oder im Sommer in den warmen Süden fahren möchte, kommt nicht um Winter- beziehungsweise Sommerreifen herum, wenn er nicht deutliche Schwächen riskieren will.
Wann sollte man Reifen kaufen?
Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage nimmt Einfluss auf die Preisgestaltung. Diese Grundidee der freien Marktwirtschaft gilt natürlich auch beim Reifenkauf. Dass es Zeit wird für den Kauf neuer Winterreifen fällt vielen Autofahrern erst ein, wenn der erste Schnee fällt. Ein Schnäppchen machen kann womöglich, wer antizyklisch kauft - also Winterreifen in der warmen Jahreszeit und Sommerreifen im Winter. Dies gilt für Winterreifen noch mehr als für Sommerreifen, da bei letzteren die Preise meist ganzjährig recht stabil bleiben. (tsch)
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde behauptet, dass das Reifenprofil weniger als 3 Millimeter tief ist, wenn der Goldrand einer Ein-Euro-Münze darin gänzlich verschwindet. Korrekt ist, dass das Reifenprofil mehr als 3 Millimeter tief ist, wenn der Goldrand einer Ein-Euro-Münze darin gänzlich verschwindet. Wir haben den Fehler korrigiert und die Passage angepasst.
Verwendete Quellen:
- dpa
- ADAC Ratgeber: "Die wichtigsten Tipps zum Reifenkauf"
- ADAC Ratgeber: "Winterreifen im Sommer: Wie gefährlich ist das?"
- Winterreifen.net: "Ratgeber"
- ACV.de: "Checkliste sichere Winterreifen: Profiltiefe & Luftdruck"
- Allianz Autowelt: "Reifenalter: So erkennen Sie, wann es Zeit wird für den Wechsel"
- AutoBild: "Alle Tipps zum Winterreifen-Kauf"
- Autoscout24: "Ab welcher Temperatur Reifen wechseln?"
- Bußgeldkatalog: "Winterreifenpflicht in Deutschland"
- DEKRA: "Sicherheitsbedenken bei alten Reifen"
- Uniroyal: "Profiltiefe messen: So prüfen Sie Ihre Reifen"
- MeinAuto.de: "Reifenbezeichnungen: Was steht auf den Reifen?"
- ReifenDirekt: "Reifensuche Winterreifen"
- Reifenqualitaet.de: "Winterreifen im Winter"
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