Wirtschaft und Staat sind im digitalisierten Europa auf die Nutzung von Daten angewiesen. Unternehmen geht es darum, den Wohlstand der Menschen zu sichern. Der Staat muss schnell und wirksam Maßnahmen schaffen, die das Leben der Menschen in Freiheit und Sicherheit vor Terroristen schützen. Der Datenschutz ist herausgefordert.
Datenschutzrecht dient dazu, unsere Privatsphäre zu schützen. Datenschutz ist von der Verfassung hierzulande als Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbürgt und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schützt unser Recht, über die Verarbeitung unserer Daten zu bestimmen, seit 2018 auf der Ebene der Europäischen Union.
Europa legt besonderen Wert auf diesen Schutz, der dem Kontinent wie ein Markenzeichen anhaftet.
Datenschutz ist nicht absolut
Die Menschen brauchen und schätzen den Schutz ihrer Privatsphäre vielleicht mehr, als sie es sich im Alltag bewusst machen. Dennoch ist der Leumund des Datenschutzrechts nicht gut.
Zu Recht beschweren sich Bürger und staatliche Stellen über überzüchteten Datenschutz, den man mit guten Gründen beklagt, weil er über sein Ziel hinausschießt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach dem Grundgesetz ist aber ebenso wie der Schutz personenbezogener Daten nach der DSGVO nicht absolut.
Datenschutz muss sich mit vielen anderen Grundrechten messen und er muss in jedem Einzelfall in ein angemessenes Verhältnis zum Recht der Wirtschaft gesetzt werden.
Herausforderung: Wirtschaftsfreiheit
Unternehmen sollen schließlich nach dem Willen der Politik und des Rechts auch mit personenbezogenen Daten arbeiten und sie im Rahmen des Rechts nutzen dürfen. So gesehen schützt das Datenschutzrecht auch die Interessen der Wirtschaft.
Das ist fundamental, denn anders kann Europa in einer von Daten geprägten und getriebenen Welt der Digitalisierung wirtschaftlich nicht bestehen.
Herausforderung: Sicherheit
Das Datenschutzrecht muss nicht nur diesen ökonomischen Herausforderungen gerecht werden. Die moderne Informationsgesellschaft ist auch für Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden, also zur Verbrechensbekämpfung, mehr denn je auf Datenverarbeitung angewiesen.
Die Probleme liegen auf der Hand: Die meisten Menschen sind rechtstreu und unschuldig und haben ein Recht darauf, nicht ohne belastbaren Grund ins Fadenkreuz einer flächendeckenden staatlichen Überwachung zur Kriminalitätsbekämpfung zu geraten. Deren Freiheit muss das Datenschutzrecht wirksam schützen. Es darf aber zugleich nicht deren Sicherheit gefährden.
Ausgleich zwischen Datenschutz und Sicherheit
Der Gesetzgeber muss ein maßvolles und effizientes Polizei- und Gefahrenabwehrrecht schaffen, damit Anschläge verhindert werden können und die Menschen in Freiheit und Sicherheit leben.
Der Ansatz "Daten für die Sicherheit zum Schutz der Freiheit" ist in der Digitalisierung zur Voraussetzung des wehrhaften staatlichen Handelns geworden, das das Leben der Menschen schützen will und muss.
Große Datenmengen als Chance
Die Verfügbarkeit sehr großer Datenmengen ist für Ermittlungsbehörden ambivalent. Auf der einen Seite kann man aus den vielen digital verfügbaren Daten beträchtliche Erkenntnisse ziehen, mit denen man Verbrechern auf die Spur kommen kann.
Auf der anderen Seite müssen Behörden so umfangreiche Datensätze auswerten, dass dieses Potenzial kaum genutzt werden kann. Relevante Informationen gehen unter, wenn Beamte wie beim Topfschlagen mit verbundenen Augen umherirren, bis sie fast zufällig einen Treffer landen.
KI für Sicherheitsbehörden?
In der Wirtschaft behilft man sich hier zunehmend mit der Einführung von KI-Systemen. Mit deren Hilfe kann man gezielt relevante Informationen aus schwer überschaubaren Datensätzen ableiten.
Auch Sicherheitsbehörden reklamieren den Einsatz der modernen Technik zunehmend für ihre Arbeit. Der Umfang und die Voraussetzungen, unter denen Sicherheitsbehörden die in ihren Beständen vorhandenen Daten zur Aufgabenerfüllung nutzen dürfen, sind auf europäischer Ebene von der Datenschutzrichtlinie im Bereich Justiz und Inneres geregelt.
Entwicklung und Betrieb von KI im Sicherheitsbereich werden daneben durch die KI-Verordnung reguliert, die seit August 2024 in Kraft ist. KI-Einsatz unter Einsatz biometrischer Gesichtserkennung und Abgleich mit Daten im Netz ist unter strengen Anforderungen erlaubt.
Streit um das "Sicherheitspaket"
An diesen muss sich das sogenannte "Sicherheitspaket" der Bundesregierung, das nach dem Anschlag von Solingen auf den Weg gebracht wurde, messen lassen. Zugleich muss es die verfassungsrechtlichen Anforderungen zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung wahren. Das aus zwei Gesetzen bestehende Paket wurde kürzlich im Bundestag verabschiedet.
Am selben Tag wurde es im Bundesrat wieder teilweise gestoppt. Grund waren nicht datenschutzrechtliche Bedenken. Im Gegenteil: Das geplante Recht zur Terrorismusbekämpfung schöpfe die Möglichkeiten des Datenschutzrechts im Verhältnis zum Polizeirecht nicht aus.
Grundrechtsschonende Nutzung von Verkehrsdaten gefordert
Markus Hartmann, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft in Köln und Leiter der ZAC NRW, kann das Bedürfnis nach einem effektiven Ausgleich von Sicherheits- und Freiheitsinteressen nachvollziehen. Die Ermittlungsbehörden seien zum Beispiel darauf angewiesen, nach richterlicher Freigabe aus konkretem Anlass und in einem grundrechtsschonenden Verfahren sogenannte Verkehrsdaten für ihre Arbeit nutzen zu dürfen.
Diese Daten werden für einen begrenzten Zeitraum von Providern gespeichert und enthalten keine Inhalte der Kommunikation. Sie geben aber etwa Auskunft über Aufenthaltsorte von Personen, Zeitpunkte der Kommunikation und Kommunikationspartner. Der Europäische Gerichtshof lässt dies zur Bekämpfung schwerer Verbrechen zu.
Der Streit um den richtigen Ausgleich der sich teilweise widersprechenden Bürgerrechte des Schutzes der Privatsphäre und der Sicherheit der Menschen zur Wahrung ihrer Freiheit wird nun hoffentlich zügig im Vermittlungsausschuss aus Bundestag und Bundesrat beigelegt werden.
Aktuelle Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
Moritz Köhler von der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht weist darauf hin, dass den Gesetzgeber hierbei die Vorgaben der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts binden. Anfang Oktober hat Karlsruhe neue Erkenntnisse zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die polizeiliche Datennutzung geliefert. Das Gericht hat insbesondere die vorsorgende Speicherung der von den Sicherheitsbehörden erhobenen Daten eingeschränkt.
Dafür ist jetzt eine sogenannte Negativprognose erforderlich. Die Beamten müssen sich also vor der Speicherung überlegen, ob die betroffene Person in Zukunft eine Verbindung zu möglichen Straftaten aufweisen könnte. Solche Regeln zum Schutz der Privatsphäre sind wichtig, um übergriffige Maßnahmen der Sicherheitsbehörden zu verhindern. Sie dürfen effektive Gefahrenabwehr aber nicht verhindern.
Verwendete Quelle
- dataagenda.de: Episode 60: Daten für die Sicherheit
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