• Die Zahl der täglich verimpften Dosen geht seit einigen Wochen kontinuierlich zurück.
  • Manche Impfskeptiker argumentieren: Niemand weiß, welche Langzeitnebenwirkungen die Impfstoffe haben.
  • Da die COVID-19-Impfstoffe nicht einmal ein Jahr im Einsatz sind, gibt es dazu tatsächlich noch keine Daten; einige vermeintliche Indizien für Langzeitnebenwirkungen wurden aber inzwischen entkräftet.
Eine Analyse

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Die Impfkampagne ist schon länger ins Stocken geraten. Während Mitte Juni noch weit mehr als eine Million Corona-Impfdosen pro Tag gegeben wurden, sind es laut "impfdashboard.de" inzwischen um die 300.000. Knapp 60 Prozent der Menschen in Deutschland sind vollständig immunisiert, etwas mehr als 64 Prozent haben ihre erste Impfdosis erhalten (Stand: 26. August 2021).

Durch die Empfehlung, dass sich auch alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren impfen lassen sollten, wird dieser Anteil sicher noch steigen. Von den vom Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, angepeilten 85 Prozent bei den Zwölf- bis 59-Jährigen ist man aber noch ein gutes Stück entfernt.

Unsicherheit in der Bevölkerung

Laut aktueller RKI-Umfrage sagen nur etwa fünf Prozent der befragten Erwachsenen, dass sie sich "auf keinen Fall" oder "eher nicht" impfen lassen werden. Mit die größte Unsicherheit gab es demnach bei der Frage, ob die COVID-19-Impfungen krank machen können.

Dass sie Impfreaktionen auslösen können, ist bekannt und für die meisten Menschen akzeptabel angesichts des hohen Schutzes, den die Impfstoffe vor dieser schweren Infektionskrankheit bieten. Zu den Impfreaktionen zählen Rötungen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Fieber und Schüttelfrost.

Daneben gibt es vereinzelt auch schwere Nebenwirkungen wie Thrombosen mit Thrombozytopenie (Adenovirus-Vektorimpfstoffe) oder Herzmuskelentzündungen (mRNA-Impfstoffe). Die Melderaten liegen laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI, PDF) je nach Erkrankung und Impfstoff bei weniger als einem bis knapp über acht Fällen pro 100.000 Impfungen.

Impfstoffe kennen keine Langzeittoxizität

All diese Nebenwirkungen treten wenige Stunden, Tage und spätestens zwei bis drei Wochen nach der Impfung auf. Weil sie aber so selten sind, kamen sie bei den Studien vor der Zulassung etwa des Impfstoffs von Biontech/Pfizer nicht gehäuft vor.

Menschen, die vor allem dem mRNA-Impfstoff skeptisch gegenüber stehen, befürchten deswegen nicht nur, dass Nebenwirkungen auftauchen könnten, die bislang noch nicht bekannt sind - sondern auch Langzeitnebenwirkungen, die sich erst nach Jahren zeigen.

"Die Sicherheit von Impfstoffen wird vor, aber auch nach Zulassung ständig überwacht", erklärt der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, unserer Redaktion.

Neben klinischen Prüfungen und Studien nach der Zulassung diene auch das gesetzlich festgelegte Meldesystem von Verdachtsfällen und Impfkomplikationen an die Arzneimittelbehörden dazu, Risikosignale zu erkennen, gegebenenfalls Risiken zu identifizieren und Maßnahmen zu ergreifen. "Damit wird gesichert, dass der Nutzen von zugelassenen Impfstoffen gegenüber ihren Risiken über ihren gesamten Lebenszyklus überwiegt."

Im Zusammenhang mit Impfungen werden mit "Langzeitnebenwirkungen" häufig nicht Nebenwirkungen bezeichnet, die nach langer Zeit entstehen - sondern Nebenwirkungen, die so selten sind, dass sie erst nach sehr vielen Impfungen erkannt werden, also nach mehreren Hunderttausend bis Millionen, wie uns das Paul-Ehrlich-Institut auf Anfrage mitteilte. Sie zu entdecken, kann also länger dauern, wenn die Anzahl von Impfungen pro Jahr gering ist. Das heißt aber nicht, dass sie bei einer Person erst Jahre nach der Impfung auftreten.

Der Begriff der "Langzeittoxizität", der immer wieder zu lesen ist, ist laut PEI bei Impfstoffen gar nicht üblich. "Diesen Begriff gibt es nur im Bereich der chemisch-synthetischen, pharmazeutischen Arzneimittel, nicht bei Impfstoffen", erklärt Cichutek. Ein Grund dafür sei, dass Impfstoffe nicht über einen längeren Zeitraum regelmäßig verabreicht werden, sondern im Rahmen der Grundimmunisierung ein- bis dreimal und dann gegebenenfalls nach ein paar Jahren nochmals zur Auffrischung.

Die Impfstoff-Fetthüllen sind nicht gefährlich

Ob und wie der Körper aber zum Beispiel langfristig auf die durch die Vakzine gebildeten Antikörper reagiert, lässt sich derzeit nicht sicher sagen. Wie der Impfstoffforscher Leif Erik Sander von der Berliner Charité dem Deutschlandfunk erklärte, sind Autoimmunreaktionen, bei denen das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen vorgeht, bei allen Impfstoffen denkbar (und auch bei einer normalen Virusinfektion). Sie seien aber äußerst selten.

Bei einem anderen Bestandteil der mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna gibt es mehr Sicherheit: den Lipid-Nanopartikeln (LNP), jenen Fetthüllen, in denen die mRNA durch den Körper transportiert wird. Hier hatte eine Studie aus Japan für Verunsicherung gesorgt, die teilweise so gedeutet wurde, dass sich die Fett-Partikel in den Organen festsetzen - angeblich mit unbekannten gesundheitlichen Auswirkungen.

Dem widersprach unter anderen der Molekularbiologe Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC). "Das Auffinden von (teilweise sehr kleinen) Mengen Lipide in einem Körperteil bedeutet nicht, dass davon eine Gefahr ausgeht", sagte Wyler dem Recherchezentrum CORRECTIV.Faktencheck.

Impfstoffbestandteile integrieren sich nicht in die DNA

Zudem seien den Versuchstieren viel größere Mengen injiziert worden als die üblichen Impfdosen. Und: Dass die Studie zeige, dass die Fett-Nanopartikel Eierstöcke und Hoden angriffen und damit "schwerwiegende Fragen" bezüglich der Fruchtbarkeit aufgeworfen würden, sei nicht richtig. Zwar seien die Lipide auch in Eierstöcken und Hoden gefunden worden. Dass daran etwas "schwerwiegend" sei, "ist aber angesichts der geringen Mengen und dass bisher keine Toxizität festgestellt wurde, aber nicht unbedingt wahrscheinlich", sagte Wyler.

Allgemein gegen "Langzeitnebenwirkungen" im Sinne von Nebenwirkungen, die erst nach Jahren auftauchen, spricht bei den mRNA-Impfstoffen auch: Ihre Bestandteile werden im Körper schnell nach der Impfung abgebaut, wie das PEI ZDFheute erklärte. Daten deuteten darauf hin, dass die mRNA nach etwa 50 Stunden im Körper nicht mehr nachweisbar ist.

Für die Vektorimpfstoffe gilt in einigen Punkten Ähnliches wie für die mRNA-Vakzine - nur, dass es hier schon länger zugelassene Impfstoffe gibt, unter anderem gegen Ebola und Dengue-Fieber, und damit gewisse Erfahrungswerte. Andererseits gibt es hier den Faktor, dass ein (unschädlich gemachtes Adeno-)Virus gespritzt wird, das in einige Körperzellen gelangt. Einige Menschen befürchten, dass dieser Prozess die eigene DNA im Zellkern verändert und Gene aus dem Virus aufgenommen werden.

Der Virologe Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Universität Gießen, sagte dazu jedoch der Pharmazeutischen Zeitung: "Wir Menschen haben regelmäßig Adenovireninfektionen. Sie verursachen Erkältungssymptome, Augenentzündungen oder Magen-Darm-Probleme, aber Spätfolgen wie Tumorerkrankungen kennen wir nicht - trotz intensiver Forschung über Jahrzehnte." Auch das RKI schreibt, dass adenovirale Vektoren "generell als nichtintegrierende Vektoren" gelten.

Auch bei Pandemrix trat die Nebenwirkung Narkolepsie schnell auf

Ein weiteres Argument von Impfskeptikern ist, dass an mRNA-Impfstoffen ja schon lange geforscht wird, aber bislang noch keine zugelassen waren. Das liegt aber wohl in erster Linie daran, dass mRNA-Vakzine bislang vor allem zur Krebsbehandlung entwickelt wurden.

Studien lieferten hier zwar eine gute Sicherheit, aber gegen die Tumore selbst wirkten sie offenbar nicht so gut wie erhofft, schreibt die Wissenschaftswebsite "Science.lu". "Aus diesem Grund wurden die mRNA-Impfstoffe gegen Krebs bisher nicht zugelassen", wird der Züricher Immunologe Steve Pascolo dort zitiert. Bei den mRNA-Impfstoffen gegen Zika oder Tollwut ist die Begründung noch einfacher: "Sie haben keine hohe Priorität."

Mögliche Risikosignale werden im Rahmen sogenannter Anwendungsbeobachtungen und epidemiologischen Studien, wie sie beispielsweise das PEI auch beim Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix durchgeführt hat, identifiziert. Dort waren Fälle von Narkolepsie aufgetreten, vor allem junge Leute hatten nach der Impfung ein leicht erhöhtes Risiko, daran zu erkranken.

Auch wenn dieses Beispiel häufig von Impfskeptikern angeführt wird: Es handelt sich hier ebenfalls nicht um eine Nebenwirkung, die erst lange Zeit nach Gabe des Impfstoffs aufgetreten ist. "Die ersten Symptome traten bei einigen Betroffenen bereits nach einem bis vier Monaten auf", sagt PEI-Präsident Cichutek.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliche Antworten des Paul-Ehrlich-Instituts und seines Präsidenten, Professor Klaus Cichutek
  • Impfdashboard des Bundesgesundheitsministeriums
  • COVID-19 Impfquoten-Monitoring in Deutschland (COVIMO) des Robert-Koch-Instituts
  • Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts, Ausgabe 27/2021
  • Halbjahres-Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI)
  • Ärzte-Zeitung: Phase-III-Studie zu Corona-Vakzine BNT162b2
  • Deutschlandfunk: Impfrisiken im Überblick
  • Correctiv.org: Blog-Artikel machen Stimmung mit Studie aus Japan
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