Volle Wartezimmer, genervte Patienten, gestresstes Personal und obendrein ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Damit könnte jetzt Schluss sein: Dank eines handlichen Pager-Sprachgerätes können Patienten nun entspannt außerhalb der Praxis warten, bis sie dran sind. Das freut nicht nur Ältere.

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Man kennt es meist aus eigener Erfahrung: Volle Wartezimmer und lange Wartezeiten sind in Deutschlands Arztpraxen keine Seltenheit. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Umfrage des Online-Arztempfehlungsportals jameda unter 1.160 Patienten.

Demnach verbringt jeder dritte Patient über 30 Minuten im Wartezimmer. Jeder Elfte warte sogar zwischen 45 und 60 Minuten auf die Behandlung durch einen Arzt. Bis man endlich an der Reihe ist, dauert es in der Regel beim Hausarzt am längsten.

Trotz Termin Wartezeiten bei Arzt

Immerhin 82 Prozent der Patienten stört es, dass sie trotz Termin beim Arzt warten und im Wartezimmer ausharren müssen. Viel lieber würden sie Besorgungen machen oder sich an der frischen Luft die Beine vertreten.

Darüber hinaus birgt die Warterei zwischen Patienten mit Fieber, Husten, Schnupfen oder anderen Symptomen ein erhöhtes Infektionsrisiko, was insbesondere im Hinblick auf die Corona-Pandemie ein ernst zu nehmendes Problem darstellt.

Viele Ärzte sind dazu übergegangen, weniger Patienten in ihrer Praxis aufzunehmen, um ausreichend Abstand zwischen den Wartenden zu schaffen. Trotz allem kommt es auch während der Krise oft zu vollen Wartezimmern.

Der Allgemeinmediziner Thomas Rittmann aus Ostwestfalen ist sich dieses Umstandes bewusst. "Wer jedoch krank ist, ist krank und bekommt dann bei uns auch einen Termin", sagt er.

Gerade zur Grippesaison kann es dann jedoch voll im Wartezimmer werden. "Bringen dann noch Notfälle, Komplikationen, Zuspätkommer oder eine langwierige Konsultation die Terminplanung durcheinander, kann sich das Warteaufkommen enorm erhöhen."

Digital Wait – Die Lösung gegen volle Wartezimmer

Zusammen mit Unternehmer Sven Rosemann hat Allgemeinarzt Thomas Rittmann daher "Digital Wait" entwickelt, eine Art Pager mit Freisprechfunktion auf Mobilfunk-Basis. Eine Idee so simpel wie praktisch und ähnlich des vibrierenden Pagers, den manche Selbstbedienungsrestaurants anbieten.

Die Patienten erhalten das etwa handtellergroße Gerät mit Sprechfunktion auf Wunsch bei der Anmeldung an der Rezeption und können dann die Wartezeit außerhalb der Praxis überbrücken.

Die Pager sind mit einer Kurzwahltaste auf dem Praxistelefon belegt und Digital Wait klingelt, wenn die medizinischen Hilfskräfte den Patienten mit etwas Vorlauf anfunken. So bleibt genügend Zeit, rechtzeitig zur Konsultation in die Praxis zurückzukehren.

Einzige Bedingung: Dort, wo der Patient sich aufhält, sollte Mobilfunk funktionieren. Dann sind auch Gespräche mit der Praxis von unterwegs möglich. Nach Rückgabe des Pagers an das Praxisteam wird es desinfiziert. Der Patient hingegen kommt schnellstmöglich an die Reihe, ohne nochmals das Wartezimmer aufsuchen zu müssen.

Entspannteres Arbeiten im Praxisalltag

In der Praxis hat sich Digital Wait schon etabliert. Die ersten Arztpraxen in Deutschland haben Interesse gezeigt und einige arbeiten bereits erfolgreich mit dem Funkmeldeempfänger. "Für uns MFAs (Medizinische Fachangestellte) reduziert Digital Wait den Stress", sagt beispielsweise Anja George von der Gemeinschaftspraxis in Preußisch Oldendorf.

"Falls Patienten sich während des Wartens außerhalb der Praxis aufhalten und angerufen werden möchten, müssen wir Praxismitarbeiterinnen weder umständlich Handynummern heraussuchen noch fehleranfällig Nummern notieren. Ein Druck auf die programmierte Kurzwahltaste genügt, um den Patienten zu erreichen."

Außerdem sei man weniger Unmut und Ungeduld der Wartenden ausgesetzt, erklärt Frau George: "Bei sechs Ärzten hier in der Gemeinschaftspraxis und einem dementsprechend hohen Patientenaufkommen, bekommt man viel Genörgel und Unverständnis entgegengebracht. Mit Digital Wait haben wir ein beschwichtigendes Angebot für Patienten, die Wartezeit sinnvoll für sich zu nutzen."

Spielend leichte Anwendung auch für Senioren

Nicht nur ältere Patienten schätzen die Erfindung. Doch gerade für Senioren, die kein Smartphone besitzen oder mit Smartphone basierten Techniken und Apps von anderen Anbieter (z.B Doctodo oder Waitbird) nicht zurechtkommen, ist die Anwendung spielend leicht.

Verspätet sich ein Patient oder verpasst er sein Funksignal, rückt er übrigens automatisch auf den nächsten freien Platz in der Patienten-Reihenfolge. Bei Erscheinen in der Praxis kommt er dann trotzdem ohne Umwege ins Behandlungszimmer.

Thomas Rittmann und Sven Rosemann haben Ideen, das Gerät um weitere Funktionen zu erweitern. Angedacht sind beispielsweise eine Notruffunktion oder eine Anbindung an andere externe Geräte. Ein Langzeit-EKG zur Herzrhythmusüberwachung könnte dann von zuhause aus stattfinden.

Doch nicht nur Arztpraxen kann Digital Wait den Arbeitsalltag erleichtern, legt Erfinder Rittmann aus: "Auch Ämter und Behörden könnten von Digital Wait profitieren, bis es mit der Digitalisierung rundum klappt."

Verwendete Quellen:

  • Jameda Umfrage: "Jeder dritte Patient wartet über 30 Minuten im Wartezimmer"
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