Gefühlt ist die Pandemie für viele Menschen vorbei. Laut Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie befinden wir uns mitten in der Endemie. Was heißt das genau - auch für unseren Alltag? Ein Überblick über die aktuelle Corona-Lage in Deutschland.

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Momentan beobachtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) besonders eine Corona-Variante mit erhöhter Aufmerksamkeit: die Omikron-Mutante EG.5, auch Eris genannt. Sie wurde kürzlich in die Kategorie "Virusvarianten von Interesse" hochgestuft, weil sie sich weltweit ausbreitet. Auch Ulf Dittmer, Leiter der Virologie am Uniklinikum Essen, beschreibt eine vorherrschende "Sommerwelle".

Allerdings geht er jetzt und für die Zukunft davon aus, dass durch die erreichte Grundimmunität in der Bevölkerung die meisten Fälle leicht verlaufen werden.

"Wir sind in der endemischen Phase, aber wir sind immer noch nicht auf dem Schnupfen-Niveau, wir sind auf dem Grippe-Niveau."

Carsten Watzl, Deutsche Gesellschaft für Immunologie

Mit Blick auf Corona sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie: "Für Panik gibt es gerade keinen Grund, wir haben es eigentlich geschafft. Wir sind in der endemischen Phase, aber wir sind immer noch nicht auf dem Schnupfen-Niveau, wir sind auf dem Grippe-Niveau." Es könne sein, dass man mit Covid-19 ein paar Tage ausfalle.

Viele verwechseln Corona mit Erkältung

Mit einer 7-Tage-Inzidenz von fünf gemeldeten Fällen auf 100.000 Einwohnern sind die offiziellen Zahlen noch niedrig. Trotzdem könnten zurzeit sehr viel mehr Menschen mit dem Coronavirus infiziert sein: "Wir müssen davon ausgehen, dass sich viele Menschen gerade mit Corona infiziert haben und glauben, nur an einer Erkältung erkrankt zu sein", sagt Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Dunkelziffer ist sehr hoch, wir kennen die genaue Zahl der Fälle einfach nicht. Die Zahl der positiv gemeldeten Tests zeigt nur einen Trend an und wir können die Dynamik nur abschätzen."

Dass das Abwassermonitoring, das Wasser aus Kläranlagen im Labor auf Varianten des Coronavirus untersucht, zurzeit auch keinen Alarm schlägt, ist für Zeeb ein Zeichen dafür, dass sich keine dramatische Welle wie in Zeiten der Pandemie andeutet.

Coronafälle.

Anstieg von Coronafällen: Leibniz-Institut ruft bei Verdacht zu Selbsttests auf

Der deutsche Hausärzteverband verzeichnet im Moment vermehrt Coronafälle in den Praxen. Epidemiologen raten nun dazu, sich bei scheinbaren Erkältungen zuhause selbst zu testen.

Hausärzte empfehlen Tests und Umsicht

In den Hausarztpraxen erscheinen momentan vermehrt Erkrankte mit Erkältungssymptomen. Einige von ihnen sind mit Corona infiziert. Deshalb ruft der Hausärzteverband zu einem größeren Bewusstsein für eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus auf. "Aktuell nehmen wieder vermehrt Praxen Coronafälle wahr. Patientinnen und Patienten raten wir daher, bei einem Infekt auch an eine mögliche Covid-19-Infektion zu denken", sagt Verbands-Vizechefin Nicola Buhlinger-Göpfarth zum RND.

Die Symptome von Corona sind nicht deutlich von denen einer Erkältung zu unterscheiden. Das Robert Koch-Institut empfiehlt daher auf seiner Seite: "Unabhängig vom zugrunde liegenden Erreger wird bei Auftreten von Symptomen einer Atemwegsinfektion wie zum Beispiel Schnupfen, Halsschmerzen oder Husten empfohlen, für drei bis fünf Tage und bis zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik zu Hause zu bleiben und Kontakte zu vermeiden."

Selbsttests funktionieren auch bei neuer Corona-Variante

Da die Infektionslage in der Gesellschaft momentan nicht alarmierend ist, werden keine kostenlosen Tests angeboten. Es liegt also in der Verantwortung des Einzelnen, bei Erkältungssymptomen, Geruchs- oder Geschmacksverlust, aber auch Magen-Darm-Symptomen einen Selbsttest zu machen. Solche sind nach wie vor im Einzelhandel und in Apotheken erhältlich.

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Auch neue Virusvarianten wie EG.5 können über sie nachgewiesen werden. "Die Tests funktionieren weiterhin zuverlässig, auch bei der neuen Variante", so Zeeb. Bei Tests aus dem Vorrat zuhause sollte man jedoch besser auf das Haltbarkeitsdatum schauen, da das Ergebnis abgelaufener Tests verfälscht sein kann.

Auffrischungsimpfungen ab September

Ab September will Biontech seinen Impfstoff für eine Auffrischungsimpfung ausliefern. Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach soll er ab 18. September in den Arztpraxen verfügbar sein. Das Vakzin ist an die Omikron-Variante XBB.1.5 angepasst, von der auch EG.5 abstammt. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Auffrischungsimpfung für Risikogruppen.

Das heißt, Menschen mit Vorerkrankungen, Senioren und Seniorinnen über 60 Jahren, Bewohner und Bewohnerinnen in Pflegeheimen, medizinisches oder pflegerisches Personal sowie Familienangehörige und enge Kontaktpersonen von Personen unter immunsuppressiver Therapie. Geimpft werden sollte möglichst im Herbst, aber erst 12 Monate nach der letzten Impfung, empfiehlt das Robert-Koch-Institut.

Eine vorhandene Basis-Immunisierung durch Impfung und vergangene Infektion schützt vor schweren Verläufen und senkt auch das Long-Covid-Risiko.

Drohen im Herbst und Winter überfüllte Intensivstationen?

Fachleute gehen zurzeit davon aus, dass keine Corona-Welle mit einer Überlastung des Kliniksystems droht. "Wir rechnen immer wieder mit einzelnen Fällen, vor allem bei immungeschwächten Patienten, allerdings in keiner Weise vergleichbar mit der Pandemie", so der Intensivmediziner Christian Karagiannidis, Mitglied des Experten- und Expertinnenrates der Bundesregierung.

Im Vordergrund des Geschehens erwarte er vielmehr Grippe und bei Kindern das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Alle drei Atemwegserreger könnten zu Personalausfällen führen und die Krankenhäuser belasten.

Post-Covid-Studie: Schwere Symptome auch nach eineinhalb Jahren

Patienten mit Post Covid, bei denen die Erkrankung nicht mit der krankhaften Erschöpfung Fatigue einhergeht, erleben in der Regel eine langsame Verbesserung der Beschwerden. Geht das Post-Covid-Syndrom hingegen mit der Fatigue einher, sind die Erkrankten oft noch bis zu 20 Monate nach ihrer Coronainfektion schwer beeinträchtigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Universitätsmedizin der Berliner Charité und dem Max Delbrück Center.

Vom Post-Covid-Syndrom spricht man, wenn drei Monate nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 noch immer gesundheitliche Beschwerden bestehen, die über mindestens zwei Monate andauern und nicht anderweitig zu erklären sind. Der Begriff Long Covid wird hingegen verwendet, wenn die Beschwerden vier bis 12 Wochen nach der Infektion fortbestehen. Viele Post-Covid-Betroffene leiden unter Atembeschwerden, können sich nicht konzentrieren und sind nicht belastbar.

Häufig berichten sie auch von einer bleiernen Erschöpfung, die sich auch durch Erholung schwer beheben lässt: die Fatigue. Patienten und Patientinnen können dann oft kaum noch ihren Alltag bewältigen und schon leichte Anstrengung verschlechtert den Zustand. "Leider zeigen unsere Daten, dass Post-Covid-Betroffene mit schwerer Fatigue auch mehr als eineinhalb Jahre nach ihrer Infektion noch immer krank sind", sagt Judith Bellmann-Strobl, Letztautorin der Studie.

Forschungsschwerpunkt: Post-Covid-Therapie

Betroffene können lernen, ihre Energiereserven einzuteilen und Überlastung zu vermeiden. An Therapien, die bei Post-Covid helfen, wird geforscht. Im Rahmen einer Nationalen Klinischen Studiengruppe führt die Charité nun etwa erste klinische Studien durch, die die Wirksamkeit von Medikamenten zur Entzündungshemmung und zur Verbesserung der Durchblutung gegen Post-Covid prüfen. Auch ob spezifische Blutwäsche-Verfahren Betroffenen nachweislich helfen können, wird in diesem Rahmen geprüft.

Um Menschen mit schwer verlaufendem Post-Covid-Syndrom helfen zu können, hat die Charité mittlerweile elf Spezialambualnzen an verschiedenen Kliniken und Instituten eingerichtet. Eine Auflistung über die Post-Covid-Ambulanzen finden Betroffene und Interessierte hier.

Wo finde ich Hilfe bei Verdacht auf Post-Vac?

Treten nach einer Corona-Impfung anhaltende, gesundheitliche Beschwerden auf, spricht man vom sogenannten Post-Vac-Syndrom. Die Symptome können zum Beispiel Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Übelkeit, Schwindel, Bewegungsstörungen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden sein. Das Phänomen ist noch immer wenig erforscht. Jedoch gibt es für Betroffene mittlerweile vereinzelte Anlaufstellen.

So verfügt das Universitätsklinikum Marburg über eine Post-Vac-Spezialambulanz. In Bayern gibt es eine Post-Vac-Hotline ( Tel.: 09131 68087878). Betroffene können bei Verdacht auf das Syndrom zunächst ihre Hausarztpraxis aufsuchen, teilt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit.

"Der Begriff 'Post-Vac' stellt keine medizinisch definierte Bezeichnung einer Erkrankung dar und unterliegt keiner eindeutigen Falldefinition für die Meldung eines Verdachtsfalls einer Nebenwirkung eines Impfstoffprodukts", schreibt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in einer Stellungnahme im Mai 2023. Das Institut ist in Deutschland für die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen zuständig.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das PEI insgesamt 1.547 Meldungen über Verdachtsfälle von Impf-Nebenwirkungen in unterschiedlichem zeitlichen Abstand nach COVID-19-Impfung verzeichnet. Zu ihnen gehörten unter anderem Beschwerden, die mit Long- und Post-Covid und auch Post-Vac in Verbindung gebracht wurden.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Prof. Dr. Ulf Dittmer, Leiter der Virologie am Universitätsklinikum Essen
  • rnd.de: Steigende Corona-Zahlen: Kommen Tests und Masken zurück?
  • charite.de: Wie sich schweres Long COVID langfristig entwickelt
  • infektionsschutz.de: Fragen und Antworten
  • pei.de: Stel­lung­nah­me des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zum The­ma "Post-Vac-Syn­drom" nach CO­VID-19-Imp­fung
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