Knapp eine halbe Million Menschen erkranken in Deutschland, Österreich und der Schweiz jährlich an Gürtelrose. Die Fallzahlen nehmen seit Jahren zu, auch bei Jüngeren. Empfohlen wird eine Impfung ab 60, doch nur wenige lassen sich immunisieren – dabei kann der schmerzhafte Ausschlag schwere Komplikationen verursachen.

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Erst kommt der Schmerz, dann die Bläschen – prall gefüllt mit Viren. Gürtelrose kann so schmerzhaft sein, dass Betroffene kaum den Druck eines T-Shirts auf der Haut aushalten. Häufig tritt der Ausschlag an Bauch oder Rücken auf. Wie ein Gürtel legt er sich halbseitig um den Körper, was der Krankheit ihren Namen gab. Prinzipiell können die Bläschen überall auftreten, auch im Gesicht - je nachdem, welche Nervenschaltstelle im Körper betroffen ist.

Verursacht wird die Erkrankung durch Varizella-Zoster-Viren, die bei Kindern Windpocken hervorrufen. Einmal infiziert, bleibt das Virus ein Leben lang im Körper, versteckt in den Nervenschaltstellen des Gehirns und des Rückenmarks, bis es eines Tages - eventuell - über die Nervenbahnen den Weg zurück zur Haut findet.

Nur wer als Kind an Windpocken erkrankt war, kann Gürtelrose bekommen. Anders als bei der Erstinfektion im Kindesalter tritt der Ausschlag später aber meist nur an einer Hautstelle und auf einer Körperseite auf. Auch eine Weitergabe des Virus durch Tröpfcheninfektion, wie bei Windpocken, bleibt bei Gürtelrose aus. Infektiös ist nur der Inhalt der Bläschen.

Gürtelrose-Fälle nehmen auch bei Jüngeren zu

Weil mit zunehmendem Alter das Immunsystem schwächer wird und es das Virus daher immer schlechter in Schach halten kann, galt Gürtelrose lange als typische Alterserkrankung. Seit einiger Zeit nehmen die Fälle von Gürtelrose jedoch auch bei Jüngeren zu.

Forscher des Universitätsklinikums Essen haben analysiert, wie viele Personen zwischen 2009 und 2019 in ganz Deutschland wegen einer Gürtelrose im Krankenhaus behandelt wurden. 2009 waren 17.333 Patienten in stationärer Behandlung, zehn Jahre später kamen rund 10.000 Fälle hinzu.

Nicht nur in der Gruppe der Über-60-Jährigen zeigte sich eine Zunahme: Bei den 21- bis 40-Jährigen hatte sich die Zahl in diesem Zeitraum sogar verdoppelt. Auch Daten allgemeinmedizinischer Praxen, die das Robert-Koch-Institut (RKI) ausgewertet hat, bestätigen diesen Trend. Doch was ist die Ursache dafür?

Windpocken-Impfung als mögliche Ursache

Während der Corona-Pandemie wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen der Covid-Impfung und Gürtelrose-Fällen bei Jüngeren diskutiert. Das Vakzin, so die Hypothese, könnte das Immunsystem vorübergehend schwächen und dem Varizella-Zoster-Virus so die Chance eröffnen, wieder auszubrechen. In mehreren Studien, darunter eine der University of California, konnte allerdings keine auffällige Häufung von Gürtelrose-Fällen nach Corona-Impfungen festgestellt werden.

Die Forscher des Universitätsklinikums Essen spekulieren in ihrer Veröffentlichung, dass die Zunahme unter anderem mit einer immer älter werdenden Bevölkerung sowie der Zunahme der UV-Exposition zusammenhängen könnten. Eine erhöhte UV-Bestrahlung durch Sonnenlicht kann die zelluläre Immunantwort an der exponierten Hautstelle schwächen. Beim verwandten Herpes-simplex-Virus - dem klassischen Herpes - begünstigt UV-Licht den Ausbruch. Auch Stress könnte ein Auslöser sein.

Eine weitere mögliche Ursache, die von Experten diskutiert wird, klingt zunächst widersprüchlich: die Windpocken-Impfung. Sie schützt gegen das Varizella-Zoster-Virus – und damit nicht nur vor Windpocken, sondern auch vor Gürtelrose. Seit 2004 zählt sie zu den Standardimpfungen für Kinder in Deutschland. Die erste Impfung erfolgt mit rund einem Jahr, die zweite einige Monate später. Nach Angaben des RKI waren 2020 rund 85 Prozent der Erstklässler vollständig gegen das Virus geimpft.

Die Vermutung, dass die Windpocken-Impfung für die Zunahme der Gürtelrose-Fälle verantwortlich sein könnte, basiert auf der sogenannten Boosting-Hypothese: "Wir sind immer davon ausgegangen, dass diese Immunantwort bei den Menschen geboostert, also wieder verstärkt wird, wenn sie mit Kindern in Kontakt kommen, die Windpocken haben und das Virus ausscheiden", erklärt Elisabeth Puchhammer, Virologin an der Medizinischen Universität Wien. "Dieser Effekt ist durch die Windpocken-Impfung der Kinder nun natürlich deutlich reduziert."

"Es gab schon immer Gürtelrose, auch bei Jüngeren. Häufig wurden sie vermutlich einfach nicht als solche erkannt."

Elisabeth Puchhammer, Virologin

Verschiedene Studien, darunter auch aus Deutschland, konnten allerdings keinen direkten Zusammenhang zwischen der Windpockenimpfung und Gürtelrose feststellen. Gelöst ist das Rätsel um die Zunahme also nicht. Puchhammer hält noch eine weitere Erklärung für denkbar: "Es gab schon immer Gürtelrose, auch bei Jüngeren", sagt die Virologin. "Häufig wurden sie vermutlich einfach nicht als solche erkannt."

Was macht eine Gürtelrose so gefährlich?

Denn wie stark Gürtelrose, die Fachleute auch Zoster nennen, in Erscheinung tritt, variiert. Ob und wie behandelt wird, hängt von der Schwere der Infektion und der Lokalisation ab. "Ist sie bei einer jüngeren Person nur minimal ausgeprägt, muss die Erkrankung nicht unbedingt behandelt werden", sagt Puchhammer. Tritt sie jedoch im Gesicht auf, wird prinzipiell eine Behandlung mit antiviralen Medikamenten empfohlen, die idealerweise in den ersten 72 Stunden nach Auftreten der ersten Hautveränderungen beginnt.

In manchen Fällen kann sogar eine stationäre Behandlung im Krankenhaus notwendig werden, um die Medikamente intravenös zu verabreichen - etwa dann, wenn neurologische Symptome auftreten oder sich die Gürtelrose in der Nähe der Augen oder Ohren manifestiert. Dann kann es zu einer bleibenden Beeinträchtigung der Seh- und Hörfähigkeit kommen, selten auch zu Hirnhautentzündung oder Meningoenzephalitis. Dass Gürtelrose-Patienten stationär aufgenommen werden müssen, ist aber eher die Ausnahme, sagt Puchhammer. Im Verhältnis zu ihrer Häufigkeit müsse Gürtelrose selten im Krankenhaus behandelt werden.

Eine gefrorene Erdbeere

RKI warnt vor Krankheitserregern in Tiefkühlobst

Viele Smoothie-Liebhaber verarbeiten die TK-Früchte roh direkt aus der Packung. Doch Vorsicht: Das ist zwar praktisch, doch tiefgekühlte Früchte können Viren und Pestizide enthalten. Aktuell vermutet das Robert Koch-Institut gefrorene Erdbeeren als Auslöser von vermehrten Hepatitis-A-Erkrankungen.

Schmerzen der Gürtelrose können chronisch werden

Neben antiviralen Medikamenten steht vor allem die Gabe von Schmerzmitteln im Zentrum der Behandlung. Es besteht die Gefahr, dass sich ein Schmerzgedächtnis ausbildet - und die starken Schmerzen noch lange nach der akuten Infektion vorhanden bleiben. "Diese Post-Zoster-Neuralgie ist die häufigste Komplikation der Gürtelrose und sehr gefürchtet", erklärt Puchhammer. "Das beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen enorm."

Das Risiko, dass sich eine Post-Zoster-Neuralgie entwickelt, steigt mit zunehmendem Alter. Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) allen Personen ab 60 Jahren, sich zweimal im Abstand von mindestens zwei Monaten gegen Gürtelrose impfen zu lassen. Bei Vorerkrankungen wird die Impfung bereits ab 50 Jahren empfohlen. Die Wirksamkeit gegen das Virus beträgt 92 Prozent, gegen das Auftreten einer Post-Zoster-Neuralgie 82 Prozent und hält für mehrere Jahre. Der Impfstoff gilt als sehr gut verträglich - trotzdem ist die Nachfrage in Deutschland gering: Laut RKI waren im ersten Quartal 2022 nur 11,5 Prozent der 60-Jährigen geimpft.

"Gürtelrose kann mehr als einmal auftreten, das ist aber selten."

Elisabeth Puchhammer

Auch wer schon einmal Gürtelrose hatte, ist nicht davor gefeit, erneut zu erkranken. "Gürtelrose kann mehr als einmal auftreten, das ist aber selten", sagt Puchhammer. Zwar ist die Immunantwort nach einer Infektion üblicherweise sehr stark und hält für längere Zeit an. Tritt die erste Gürtelrose schon in jungen Jahren auf, kann sich dieser Schutz ohne Booster jedoch über die Zeit wieder abbauen. "Auch bei Personen, die schon früher eine Gürtelrose hatten, kann eine Zoster-Impfung im Alter daher sinnvoll sein."

Über die Expertin:

  • Prof. Dr. Elisabeth Puchhammer ist Virologin und Leiterin des Instituts für Virologie an der Medizinischen Universität Wien. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem persistierende Viren wie das Varizella-Zoster-Virus, die nach einer Infektion ein Leben lang im Körper bleiben.

Verwendete Quellen:

  • Telefon-Interview mit der Virologin Prof. Dr. Elisabeth Puchhammer
  • onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.14745_g: "Zunahme stationärer Fälle von Zoster in Deutschland: Mögliche Ursachen und Empfehlungen zur Prävention"
  • rki.de: "Windpocken (Varizellen), Gürtelrose (Herpes zoster)"
  • jamanetwork.com: "Assessment of Herpes Zoster Risk Among Recipients of COVID-19 Vaccine”
  • jstor.org: "UV-Light-Induced Reactivation of Herpes Simplex Virus Type 2 and Prevention by Acyclovir”
  • sciencedirect.com: "Herpes zoster in the context of varicella vaccination – An equation with several variables"
  • ncbi.nlm.nih.gov: "S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie"
  • RKI-Pressemitteilung: "Ständige Impfkommission empfiehlt Impfung gegen Gürtelrose"
  • rki.de: "Impfquote bei Erwachsenen in Deutschland"
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